Instrumentum Laboris. Die Jugendlichen, der Glaube und die Erkenntnis Der Berufung

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Instrumentum Laboris-DE

Instrumentum laboris

 

XV. ORDENTLICHE GENERALVERSAMMLUNG

BISCHOFSSYNODE

 

DIE JUGENDLICHEN, DER GLAUBE UND DIE ERKENNTNIS DER BERUFUNG

 

INHALT

 

PRÄSENTATION

VORWORT

TEIL I. ERKENNEN: DIE KIRCHE BEIM ANHÖREN DER REALITÄT

Vielfältige Zusammenhänge

Im Angesicht der Globalisierung

Die Rolle der Familie

Das Verhältnis zwischen den Generationen

Lebensentscheidungen

Erziehung, Schule und Universität

Arbeit und Beruf

Die Jugendlichen, der Glaube und die Religionen

KAPITEL II. 

ERFAHRUNGEN UND AUSDRUCKSFORMEN

Engagement und soziale Teilhabe

Spiritualität und Religiosität

Die Jugendlichen im kirchlichen Leben

Die Transversalität des digitalen Kontinents

Musik und andere künstlerische Ausdrucksformen

Die Welt des Sports

KAPITEL III

LEBEN IN DER WEGWERFKULTUR

Das Problem der Arbeit

Die jungen Migranten

Formen der Diskriminierung

Krankheit, Leid und Ausgrenzung

KAPITEL IV

ANTHROPOLOGISCHE UND KULTURELLE HERAUSFORDERUNGEN

Körper, Gefühlsleben und Sexualität

Die anthropologischen Auswirkungen der digitalen Welt

Enttäuschung den Institutionen gegenüber und die neuen Formen der Teilhabe

Entscheidungsunfähigkeit angesichts zu vieler Auswahlmöglichkeiten

Jenseits der Säkularisierung

KAPITEL V

DEN JUGENDLICHEN ZUHÖREN

Die Mühe des Zuhörens

Der Wunsch nach einer „authentischen Kirche“

Eine Kirche, die „mehr Wert auf Beziehungen legt“

Eine  Gemeinschaft, die „sich für den Frieden einsetzt“

Das Wort der Seminaristen und der jungen Ordenspersonen

TEIL II. INTERPRETIEREN: GLAUBE UND BERUFUNGSERKENNTNIS

KAPITEL I

DER SEGEN DER JUGEND

Christus, ein „Jugendlicher unter Jugendlichen“

Der universelle Aufruf zur Freude der Liebe

Körperliche Kraft, Seelenstärke und Mut zum Risiko

Unsicherheit, Angst und Hoffnung

Sündenfall, Reue und Aufnahme

Die Bereitschaft zum Zuhören und die Notwendigkeit der Begleitung

Die Reifung des Glaubens und der Unterscheidung

Lebensplan und Berufungsdynamik

KAPITEL II

DIE BERUFUNG ZUM LICHT DES GLAUBENS

Das menschliche Leben innerhalb des Berufungshorizonts

Die Berufung, Jesus zu folgen

Die Berufung der Kirche und die Berufung in die Kirche

Die verschiedenen Wege der Berufung

KAPITEL III

DIE DYNAMIK DER ERKENNTNIS EINER BERUFUNG

Die Bitte um Unterscheidungsvermögen

Die Unterscheidung in der Alltagssprache und in der christlichen Tradition

Das Angebot der Berufungserkenntnis

Erkennen, interpretieren, wählen

Die Rolle des Gewissens

Die Auseinandersetzung mit der Realität

KAPITEL IV

DIE KUNST DER BEGLEITUNG

„Begleitung“ kann viel bedeuten

Die Eigenschaften der Begleiter

Die Begleitung von Seminaristen und jungen Ordenspersonen

TEIL III. WÄHLEN: WEGE DER PASTORALEN UND MISSIONARISCHEN VERÄNDERUNG

KAPITEL I

EINE GANZHEITLICHE PERSPEKTIVE

Die Unterscheidung als Stil einer Kirche im Aufbruch

Volk Gottes in einer fragmentierten Welt

Eine generative Kirche

KAPITEL II

EINGEBUNDEN IN DEN ALLTAG

Die Begleitung in Schule und Universität

Wirtschaft, Arbeit und die Pflege des gemeinsamen Hauses

Im Herzen der Jugendkulturen

Nähe und Unterstützung in Entbehrung und Ausgrenzung

Begleitung und Verkündigung

KAPITEL III

EINE EVANGELISIERTE UND EVANGELISIERENDE GEMEINSCHAFT

Die christliche Gemeinschaft als evangelische Vorstellung

Die Kirche: Eine familiäre Erfahrung

Die Pastoral der jungen Generationen

Die Familie als bevorzugtes Subjekt der Erziehung

Dem Herrn zuhören und mit ihm sprechen

Das Wort Gottes lesen

Die Schönheit der Liturgie

Den Glauben in der Katechese nähren

Die Jugendlichen beim selbstlosen Dienst begleiten

Eine offene Gemeinschaft, die alle willkommen heißt

KAPITEL IV

BELEBUNG UND ORGANISATION DER PASTORAL

Die Jugendlichen sind die Hauptpersonen

Die Kirche draußen im Land

Der Beitrag des geweihten Lebens

Verbände und Bewegungen

Netzwerke und Kooperation auf ziviler, sozialer und religiöser Ebene

Planung der Pastoral

Das Verhältnis zwischen den Großveranstaltungen und dem Alltagsleben

Hin zu einer integrierten Pastoral

Seminare und Ausbildungsstätten

ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN

Die universelle Berufung zur Heiligkeit

Die Jugend, eine Zeit für die Heiligkeit

Die jungen Heiligen und die Jugend der Heiligen

GEBET DES HEILIGEN VATERS FRANZISKUS FÜR DIE JUGENDLICHEN IM HINBLICK AUF DIE BISCHOFSSYNODE 2018

 

 

ABKÜRZUNGEN

AL              Amoris laetitia

BK             Bischofskonferenz/Bischofskonferenzen

DC             Deus caritas est

CL              Christifideles laici

DV             Dikasterium im Vatikan

EG              Evangelii gaudium

EN              Evangelii nuntiandi

GE              Gaudete et exsultate

GS              Gaudium et spes

IE               Iuvenescit ecclesia

ISJ              Internationales Seminar über die Jugend (11.-15. September 2017)

FoL            Online-Fragebogen

LF              Lumen fidei

LG              Lumen gentium

LS              Laudato si’

NMI           Novo millennio ineunte

PD              Placuit Deo

PdV            Pastores dabo vobis

PO              Presbyterorum ordinis

PP               Populorum progressio

RFIS           Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis

USG           Vereinigung der Generaloberen

VC             Vita consecrata

VDok         Vorbereitungsdokument

VG             Veritatis gaudium

VD             Verbum Domini

VS              Vorsynode (19.-24. März 2018)

WJT           Weltjugendtag

PRÄSENTATION

 

Am 6. Oktober 2016 verkündete der Heilige Vater das Thema der XV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode: “Die Jugendlichen, der Glaube und die Erkenntnis der Berufung”.

Der konkrete Weg hin zur Synode begann gleich im Anschluss mit der Erarbeitung des Vorbereitungsdokuments (VDok), das am 13. Januar 2017 zusammen mit einem “Brief an die Jugendlichen” des Papstes veröffentlicht wurde. Im VDok enthalten war ein hauptsächlich an die Bischofskonferenzen, die Synoden der Katholischen Ostkirchen und andere kirchliche Organe gerichteter Fragebogen mit 15 Fragen für alle und drei spezifisch für jeden Kontinent konzipierten Fragepunkten, sowie der Bitte um Mitteilung dreier best practices.

Vom 11. bis zum 15. September 2017 fand ein Internationales Seminar zum Thema Jugend  statt, an dem zahlreiche Fachleute und Jugendliche teilnahmen und das eine große Hilfe bei der Feststellung der Situation der Jugendlichen in der heutigen Welt unter wissenschaftlichem Aspekt war.

Neben diesen Initiativen, die darauf abzielten, die Kirche insgesamt einzubinden, fehlte es auch nicht an Gelegenheiten, die Stimme der Jugendlichen zu hören, die von Anfang an die Protagonisten der Veranstaltung sein sollten. Vor allem wurde ein mehrsprachiger Online-Fragebogen erarbeitet und von einigen Bischofskonferenzen übersetzt, in dem die Antworten von über 100.000 Jugendlichen zusammenflossen. Die Menge des gesammelten Materials ist umfassend. Außerdem trat vom 19. bis zum 24. März eine Vorsynode der Jugendlichen in Rom zusammen, die am Palmsonntag mit der Übergabe eines Abschlussdokuments an den Papst endete. An dieser Maßnahme waren etwa 300 Jugendliche aus den fünf Kontinenten beteiligt, ebenso wie 15.000 weitere junge Leute über die sozialen Netzwerke. Die Veranstaltung als Ausdruck des Wunsches seitens der Kirche, allen Jugendlichen Gehör zu schenken, fand beträchtliche Resonanz.

Das aus diesen vier hauptsächlichen Quellen hervorgegangene Material – zu dem sich verschiedene, dem Synodensekretariat direkt zugegangene “Beobachtungen” gesellen – ist quantitativ sicherlich sehr gewichtig. Nach ausführlicher Analyse und sorgfältiger Zusammenfassung durch Fachleute wurde es schließlich in vorliegendem Instrumentum laboris gesammelt, welches vom XV. Ordentlichen Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode in Anwesenheit des Heiligen Vaters verabschiedet wurde.

Der Text gliedert sich in drei Teile und behandelt damit die entsprechenden Themen unter Berücksichtigung des Arbeitsplans der Synode im kommenden Oktober, wobei das für die Erkenntnis der Berufung empfohlene Vorgehen zur Anwendung kommt: Teil I steht unter dem Motto “Erkennen” und stellt in fünf Kapiteln und unter verschiedenen Perspektiven eine Momentaufnahme der heutigen Realität der  Jugendlichen dar; der vier Kapitel umfassende Teil II, „Interpretieren“,  bietet Hilfen zur Interpretation der entscheidenden Fragen an, die der Synode zur Diskussion vorgelegt werden; mit der Zielsetzung „Wählen“ sammelt Teil III in vier Kapiteln verschiedene Elemente, die den Synodenvätern helfen sollen, zu den anstehenden Entscheidungen Stellung zu nehmen und die allgemeine Richtung vorzugeben.

Der Text schließt mit besonderer Berücksichtigung der Heiligkeit, auf dass die Synode in ihr „das schönste Gesicht der Kirche“ (GE 9) erkennen und sie allen Jugendlichen heute ans Herz legen möge.

 

Im Vatikan, den 8. Mai 2018

 

Lorenzo Kardinal Baldisseri

Generalsekretär der Bischofssynode

 

VORWORT

Zielsetzungen der Synode

 

1.                 Die Betreuung und Begleitung der Jugendlichen ist keine fakultative Aufgabe der Kirche, sondern ein wesentlicher Bestandteil ihrer Berufung und ihres Auftrags im Lauf der Geschichte. Und in diesem spezifischen Bereich bewegt sich auch die nächste Synode: So wie der Herr Jesus mit den Jüngern nach Emmaus wanderte (vgl. Lk 24, 13-35), so ist auch die Kirche aufgerufen, alle Jugendlichen ohne Ausnahme zu begleiten, hin zur Freude, die die Liebe ist.

 

Mit ihrer Anwesenheit und ihrem Wort können die Jugendlichen der Kirche helfen, ihr Gesicht zu verjüngen. Ein ideales Band reicht von der Botschaft an die Jugend des II. Vatikanischen Konzils (8. Dezember 1965) bis zur Synode der Jugendlichen (3.-28. Oktober 2018), das der Heilige Vater in seiner Einführung zur Vorsynode ausdrücklich angesprochen hat: „Dazu fällt mir die wunderbare Botschaft an die Jugendlichen des Zweiten Vatikanischen Konzils ein  […] Sie ist eine Einladung, neue Wege zu suchen und sie mit Wagemut und Vertrauen zu beschreiten und dabei den Blick fest auf Jesus zu richten und sich dem Heiligen Geist gegenüber zu öffnen, um das Antlitz der Kirche zu verjüngen“. In diesem Moment der Zeitenwende wollen wir die Jugendlichen auf ihrem Weg zur Erkenntnis ihrer Berufung begleiten.  

 

Methode der Unterscheidung

 

2.                 In der Fähigkeit zu Erkenntnis und Unterscheidung erkennen wir eine Art, die Welt zu betrachten, einen Stil, eine grundlegende Haltung und gleichzeitig eine Arbeitsmethode, einen Weg, den wir gemeinsam gehen und der darin besteht, die uns umgebenden sozialen und kulturellen Dynamiken mit den Augen des Jüngers zu betrachten. Die Unterscheidung führt dazu, das Wirken des Geistes zu erkennen und sich in wahrem spirituellen Gehorsam mit ihm in Einklang zu bringen. Dieser Weg bedeutet, sich dem Neuen zu öffnen, den Mut zu haben, hinauszugehen und der Versuchung zu widerstehen, das Neue auf das schon Bekannte zu reduzieren. Unterscheidungsvermögen bezeichnet eine wahrhaft spirituelle Haltung. Da sie dem Geist gehorsam ist, bedeutet Unterscheidung vor allem Acht geben, ein Zuhören, das auch zur treibenden Kraft unseres Handelns werden kann, zur Fähigkeit zur kreativen Treue des einzigen Auftrags gegenüber, der seit jeher der Kirche anvertraut ist. So wird die Unterscheidung zum Instrument der Seelsorge, mit dessen Hilfe wir den Jugendlichen von heute gangbare Pfade aufzeigen und ihnen Vorschläge hinsichtlich des Auftrags unterbreiten können, die nicht von vorneherein feststehen, sondern das Ergebnis eines Weges sind, auf dem wir dem Geiste folgen. Ein solcherart strukturierter Weg lädt zur Öffnung und nicht zur Abschottung ein; er fordert uns auf, anderen und uns selbst Fragen zu stellen, ohne vorgefertigte Antworten zu liefern; dazu, Alternativen aufzuzeigen und Gelegenheiten auszuloten. Unter diesen Voraussetzungen ist klar, dass auch die Synode selbst im kommenden Oktober im Zeichen des Unterscheidungsprozesses stehen und mit dessen Methoden angegangen werden muss.

 

Struktur des Textes

 

3.                 Das Instrumentum laboris erfasst und synthetisiert die im Vorfeld der Synode gesammelten Beiträge in einem Dokument, dessen drei Teile ausdrücklich auf die Gliederung des Unterscheidungsprozesses verweisen, wie er in EG 51 dargelegt ist: Erkennen, Interpretieren, Wählen. Die jeweiligen Teile stehen also nicht für sich allein, sondern beschreiben einen Weg.

 

Erkennen. Der erste Schritt besteht im Anschauen und Zuhören. Er erfordert eine genaue Betrachtung der Realität der Jugendlichen von heute und der unterschiedlichen Bedingungen und Umstände, unter denen sie leben. Und er erfordert Demut, Nähe und Empathie, die uns in Einklang mit ihnen bringen, sodass wir ihre Freuden und Hoffnungen, ihre Trauer und ihre Ängste  kennen lernen können (vgl. GS 1). Dies beinhaltet ein Anschauen und Zuhören voller Fürsorge und Behutsamkeit auch der Lebenswirklichkeit der Kirchengemeinden gegenüber, die mit den Jugendlichen in aller Welt arbeiten. Bei diesem ersten Schritt konzentriert sich die Aufmerksamkeit darauf, die Kennzeichen der Realität zu erkennen: Hier liefern die Sozialwissenschaften einen unschätzbaren Beitrag, der in den herangezogenen Quellen gut repräsentiert ist, aber im Lichte des Glaubens und der Erfahrung der Kirche gesehen und neu interpretiert wird.

 

Interpretieren. Mit dem zweiten Schritt kehren wir zu den durch Anwendung der Interpretations- und Bewertungskriterien gewonnenen Erkenntnissen zurück, die wir durch die Linse des Glaubens betrachten wollen. Die Bezugskategorien können daher nur biblischer, anthropologischer und theologischer Natur sein und werden als solche durch die Schlüsselbegriffe der Synode ausgedrückt: Jugend, Berufung, Erkenntnis derselben und spirituelle Begleitung. Es ist daher von strategischer Bedeutung, einen unter theologischem, ekklesiologischem, pädagogischem und seelsorgerischem Gesichtspunkt adäquaten Bezugsrahmen zu erstellen, der als Verankerung dienen und die Bewertung der Flüchtigkeit des Impulses entziehen kann, unter gleichzeitiger Anerkennung der Tatsache, „… dass in der Kirche unterschiedliche Arten und Weisen der Interpretation vieler Aspekte der Lehre und des christlichen Lebens berechtigterweise koexistieren“ (GE 43). Daher ist ein offener spiritueller Dynamismus unerlässlich.

 

Wählen. Nur im Lichte der angenommenen Berufung können wir erkennen, zu welchen konkreten Schritten uns der Geist auffordert, und in welche Richtung wir uns bewegen sollen, um Seinem Ruf zu folgen. In dieser dritten Phase des Erkenntnisprozesses müssen Instrumente und Praxis der Pastoral unter die Lupe genommen werden, und wir müssen die notwendige innere Freiheit erlangen, diejenigen unter ihnen auszuwählen, mit deren Hilfe das Ziel erreicht werden kann und andere aufzugeben, die hingegen weniger geeignet sind. Es handelt sich also um eine kritische Bewertung und Überprüfung zu Arbeitszwecken und nicht um ein Urteil über den Wert oder die Bedeutung, die diese Mittel unter anderen Umständen und zu anderen Zeitpunkten hatten oder haben. Mithilfe dieses Schrittes können wir feststellen, wo eine Reform oder eine Änderung der kirchlichen Praktiken notwendig ist und sie damit vor der Gefahr der Verknöcherung bewahren.

 

TEIL I

ERKENNEN:

DIE KIRCHE BEIM ANHÖREN DER REALITÄT

 

4.                 „Die Realität ist wichtiger als die Idee”  (vgl. EG 231-233): In diesem ersten Teil sind wir aufgefordert, die Jugendlichen in ihrem tatsächlichen Lebensumfeld anzuhören und anzuschauen, und ebenso das Handeln der Kirche ihnen gegenüber. Es geht nicht darum, Daten und soziologische Fakten zu erheben, sondern sich den Herausforderungen und Gelegenheiten zu stellen, die in den verschiedenen Zusammenhägen im Licht des Glaubens hervortreten, und wir müssen zulassen, dass sie uns in der Tiefe berühren und dort eine konkrete Basis bilden für den gesamten folgenden Weg (vgl. LS 15). Aus Gründen des Platzmangels beschränken wir uns bei der Behandlung ausgreifender und komplexer Fragen  auf wenige Anmerkungen – die Synodenväter sind angehalten, in ihnen den Ruf des Geistes zu erkennen.

 

KAPITEL I

 

JUNG SEIN HEUTE

 

5.                 Wir wollen uns von Anfang an in den Elan hineinversetzen, den Papst Franziskus während seiner ersten offiziellen Begegnung mit den Jugendlichen an den Tag gelegt hat: „Bei dieser ersten Reise geht es darum, die Jugendlichen zu besuchen, aber nicht isoliert von ihrem Leben, ich möchte sie gerade in ihrem sozialen Kontext, in der Gesellschaft besuchen. Denn wenn wir die Jugendlichen isolieren, begehen wir ein Unrecht; wir nehmen ihnen die Zugehörigkeit. Die Jugendlichen haben eine Zugehörigkeit, eine Zugehörigkeit zu einer Familie, einer Heimat, einer Kultur, zu einem Glauben“ (Apostolische Reise nach Rio de Janeiro aus Anlass des XVIII. Weltjugendtags , Pressekonferenz mit dem Heiligen Vater auf dem Flug nach Brasilien, 22. Juli 2013).

 

Vielfältige Zusammenhänge

 

6.                 Es gibt auf der Welt etwa 1,8 Milliarden Menschen zwischen 16 und 29 Jahren; sie repräsentieren knapp ein Viertel der gesamten Menschheit, auch wenn die Erhebungen auf einen allmählichen Rückgang der Anzahl von Jugendlichen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung hindeuten. Die konkreten Situationen, in denen sich die Jugendlichen jeweils befinden, sind von Land zu Land sehr unterschiedlich, wie die von den Bischofskonferenzen übermittelten Antworten zeigen. Es gibt Länder, in denen die jungen Menschen einen signifikanten Teil der Bevölkerung ausmachen (über 30%), und andere, in denen ihr Anteil deutlich geringer ist (um 15% oder darunter); es gibt auch Länder, in denen die Lebenserwartung nicht einmal 60 Jahre beträgt, während sie in anderen bei über 80 Jahren liegt. Der Zugang zu Bildung, Gesundheitswesen, Umweltressourcen, Kultur und Technologie, ebenso wie die Möglichkeit zur Teilhabe am bürgerlichen, sozialen und politischen Leben variieren stark von Region zu Region. Auch innerhalb desselben Landes lassen sich oftmals beträchtliche Unterschiede feststellen, beispielsweise zwischen städtischem und ländlichem Raum.

 

7.                 Der Konsultationsprozess im Verlauf der vorsynodalen Versammlung unterstrich nur das Potenzial, das die jungen Generationen repräsentieren, ebenso wie die Hoffnungen und Wünsche, die ihnen innewohnen: Die Jugendlichen sind große Sinnsucher, und alles, was ihrem Bestreben, dem eigenen Leben einen Wert zu verleihen, entgegen kommt, erregt ihre Aufmerksamkeit. Im Laufe unserer Nachforschungen kamen auch ihre Ängste ans Licht, ebenso wie soziale und politische Dynamiken, die – je nach Weltgegend auf unterschiedlich intensive Art und Weise – ihren Weg zu einer umfassenden und harmonischen Entwicklung behindern und Verletzlichkeit und mangelndes Selbstvertrauen nach sich ziehen. Beispiele hierfür sind die starke Unausgewogenheit sozialer und wirtschaftlicher Art, die ein Klima der Gewalt erzeugt und zahlreiche Jugendliche in die Arme des Verbrechens und des Drogenhandels treibt; ein von Korruption beherrschtes politisches System, das das Vertrauen in die Institutionen untergräbt und Fatalismus und Gleichgültigkeit legitimiert, sowie Krieg und extreme Armut, die die Menschen auf der Suche nach einer besseren Zukunft in die Emigration treiben. Schwer wiegt in manchen Regionen die Verweigerung grundlegender, auch religiöser, Freiheiten und persönlicher Selbständigkeit seitens des Staates, während anderswo soziale Ausgrenzung und Leistungsdruck einen Teil der Jugend in den Teufelskreis der Abhängigkeit (insbesondere von Drogen und Alkohol) und in die soziale Isolation drängen. An vielen Orten leben immer mehr Jugendliche aufgrund von Armut, Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung unter prekären Bedingungen sowohl materieller als auch sozialer und politischer Art.

 

Im Angesicht der Globalisierung

 

8.                 Trotz aller regionalen Unterschiede ist der Einfluss der Globalisierung auf die Jugendlichen der ganzen Welt unleugbar; es ist ein Prozess, der von ihnen verlangt, sich auf verschiedenen Ebenen der sozialen und kulturellen Zugehörigkeit (lokal, national und international, aber auch inner- und außerkirchlich) zu artikulieren. Wie einige BK berichten, sehen wir uns Forderungen nach mehr Raum für Freiheit, Selbständigkeit und Ausdruck gegenüber, auf der Grundlage der – zumeist über die sozialen Medien – geteilten Erfahrungen der westlichen Welt. Andere BK warnen vor der Gefahr, dass ungeachtet dessen, was die jungen Menschen selbst wünschen mögen, schließlich eine Kultur des Individualismus, des Konsumverhaltens, des Materialismus und des Hedonismus die Oberhand gewinnt, in der der Schein alles beherrscht.

 

9.                 Viele der nicht westlichen BK fragen sich, wie sie den Jugendlichen dabei helfen sollen, diesem Kulturwandel zu begegnen, der die traditionellen Zivilisationen aushebelt, Kulturen, die reich an Solidarität, sozialen Bindungen und Spiritualität sind; und sie haben das Gefühl, keine adäquaten Instrumente dafür zur Hand zu haben. Darüber hinaus vergrößert die Beschleunigung aller sozialen und kulturellen Prozesse die Entfernung zwischen den Generationen, auch im Innern der Kirche. Die uns von den einzelnen BK zugegangenen Antworten lassen auch auf einen gewisse Mühe bei der Einordnung des Kontexts und der Kultur schließen, die die Realität der Jugendlichen bilden. Und einige BK begrüßen die Andersartigkeit, deren Träger die Jugend ist, nicht als das fruchtbringende Neue, sondern sehen und beklagen sie als Verfall der Sitten.

 

10.             In diesem Zusammenhang ist und bleibt die von Papst Franziskus mehrfach aufgezeigte Perspektive ein fester Bezugspunkt: „Es gibt eine vielgestaltige Globalisierung, es gibt Einheit, aber jeder Mensch, jede Rasse, jedes Land und jede Kultur bewahren immer ihre Identität: Das ist die Einheit in der Unterschiedlichkeit“ (Stegreifansprache anlässlich der Begegnung mit den Jugendlichen der Universität Roma Tre, 17. Februar 2017;  vgl. gina.uniroma3.it/download/1491300733.pdf). Diesen Gedanken wiederholen auch die Jugendlichen in ihren Erklärungen; in ihren Augen ist Diversität gleichbedeutend mit Reichtum, und der Pluralismus ist eine Gelegenheit innerhalb einer vernetzten Welt: „Multikulturalismus hat das Potenzial, ein Umfeld für Dialog und Toleranz zu fördern. Wir schätzen die Vielfalt der Ideen in unserer globalisierten Welt, den Respekt für die Gedanken anderer und die Meinungsfreiheit.  […] Wir sollten unsere Verschiedenheit nicht fürchten, sondern unsere Unterschiede und das feiern, was jeden von uns einzigartig macht“ (VS 2). Gleichzeitig wollen die jungen Menschen ihre „kulturelle Identität bewahren und Vereinheitlichung sowie Wegwerfkultur vermeiden“ (VS 2).

 

Die Rolle der Familie

 

11.             In diesem Kontext des Wandels stellt die Familie nach wie vor einen besonderen Bezugspunkt innerhalb der ganzheitlichen Entwicklung des jungen Menschen dar, darüber sind sich alle Befragten einig. Es besteht also eine enge Verbindung zwischen dieser Synode und dem von den vorhergehenden Synoden eingeschlagenen Weg, die es zu unterstreichen gilt. Es gibt aber auch bedeutende Unterschiede die Art betreffend, wie die Familie gesehen wird. Das behaupten die Jugendlichen in Worten, die denen mancher BK sehr ähnlich sind: „In vielen Teilen der Welt tragen die Rolle der Ältesten und die Achtung vor den eigenen Vorfahren zur Identitätsbildung bei. Das wird jedoch nicht überall so wahrgenommen, da an anderen Orten das traditionelle Familienmodell an Bedeutung verliert“ (VS 1). Die jungen Menschen betonen auch, dass die Schwierigkeiten, die Uneinigkeit und die Zerbrechlichkeit der Familien für viele von ihnen ein Quell des Leids sind.

 

12.             Die Antworten im Online-Fragebogen zeigen, dass die Mutter die wichtigste Bezugsperson der Jugendlichen ist. Die Figur des Vaters hingegen ist nicht so eindeutig belegt; ein abwesender oder nur verschwommen wahrgenommener Vater schafft, insbesondere in den westlichen Gesellschaften, Uneindeutigkeit und Leere, die auch auf die spirituelle Vaterschaft übergreifen. Einige BK weisen auf die besonders wichtige Rolle hin, die den Großeltern bei der Weitergabe des Glaubens und der Werte an die Jugend zukommt, was Fragen hinsichtlich der künftigen Entwicklung der Gesellschaft aufwirft. Hervorgehoben  wird auch die steigende Zahl der Familien mit nur einem Elternteil.

 

13.                Das Verhältnis zwischen den Jugendlichen und ihren Eltern versteht sich jedoch nicht von selbst: „Einige von ihnen rücken von ihren Familientraditionen ab, in der Hoffnung, origineller zu sein als das, was sie als ‚in der Vergangenheit verhaftet‘ und als ‚altmodisch‘ ansehen. Auf der anderen Seite sehnen sich junge Menschen in einigen Teilen der Welt danach, ihre Identität zu entfalten, indem sie in Familientraditionen verwurzelt und dem treu bleiben, wie sie erzogen wurden“ (VS 1). Diese Situationen erfordern eine nähere Untersuchung über das Verhältnis zwischen Jugendkultur und Familienmoral. Aus verschiedenen Quellen geht hervor, dass sich der Abstand zwischen beiden vergrößert; andere wiederum betonen, dass es durchaus noch Jugendliche gibt, die an authentischen, dauerhaften Beziehungen interessiert sind und diese leben wollen, und die die Weisungen der Kirche dabei als wertvoll erachten. Ehe und Familie bleiben für viele ein Lebenswunsch und gehören zu den Projekten, die die Jugendlichen realisieren wollen.

 

Das Verhältnis zwischen den Generationen

 

14.             Zu den Kennzeichen unserer Zeit, die von vielen BK, dem Internationalen Seminar und zahlreichen soziologischen Analysen bestätigt wurden, gehört auch eine Art Umkehrung des Generationenverhältnisses: In einer Kultur des Individualismus, die von der  Überbetonung des Ich beherrscht wird, dient oftmals die Jugend den Erwachsenen als Beispiel für den eigenen Lebensstil. Wie ein DV erklärt, ist „das Problem also die Auslöschung des Erwachsenenalters, die das wahre Kennzeichen des westlichen Kulturuniversums ist. Uns fehlen nicht nur Erwachsene im Glauben. Uns fehlen Erwachsene, Punktum“. Diverse BK berichten, dass es heute zwischen Jugendlichen und Erwachsenen keinen wirklichen Generationenkonflikt gebe, sondern vielmehr eine „gegenseitige Fremdheit“ herrsche: Die Erwachsenen sind kaum daran interessiert, die grundlegenden Werte des Lebens an die jungen Generationen weiterzugeben, die ihrerseits die Erwachsenen eher als Konkurrenten denn als mögliche Verbündete sehen. So läuft das Verhältnis zwischen jungen Menschen und Erwachsenen Gefahr, sich auf das Affektive zu beschränken, ohne die erzieherische und kulturelle Dimension auch nur zu streifen. Was die Kirche anbelangt, so wurde die Einbindung der Jugendlichen in die Synode als ein wichtiges Signal für den Dialog zwischen den Generationen gesehen: „Es ist fantastisch, von der Hierarchie der Kirche ernst genommen zu werden, und wir sind der Meinung, dass dieser Dialog zwischen der jungen und der alten Kirche einen vitalen und fruchtbaren Prozess des Zuhörens darstellt“ (VS 15).

 

15.             Nicht zu vergessen sind neben den Beziehungen zwischen den Generationen auch die zwischen Gleichaltrigen, die eine grundlegende Erfahrung sowohl der Interaktion mit anderen als auch der zunehmenden Emanzipation aus dem Umfeld der familiären Herkunft darstellen. Mehrere BK betonen die grundlegenden Werte der Aufnahme, der Freundschaft und der gegenseitigen Unterstützung, die die jungen Menschen von heute kennzeichnen. Das Verhältnis zu Gleichaltrigen, oft auch in mehr oder weniger strukturierten Gruppen, bietet Gelegenheit, soziale Kompetenzen zu stärken, in einem Kontext, in dem sich niemand bewertet oder beurteilt fühlen muss.

 

Lebensentscheidungen

 

16.             Die Jugend ist eine privilegierte Zeit, in der der Mensch Entscheidungen trifft, die seine Identität und den Verlauf seines Lebens bestimmen. Die Jugendlichen der vorsynodalen Versammlung sind sich dessen bewusst: „Die entscheidenden Momente für die Entwicklung unserer Identität sind die Wahl unseres Studiengangs und unseres Berufs, die Entscheidung, woran wir glauben wollen, die Entdeckung unserer Sexualität und das Eingehen von Verpflichtungen, die den Lauf unseres Lebens verändern“ (VS 1). Der Zeitpunkt, da man die Familie verlässt oder grundlegende Entscheidungen trifft, ist nach den jeweils geltenden sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Faktoren sehr unterschiedlich. In manchen Ländern heiratet oder wählt  man das Priestertum oder das geweihte Leben noch vor dem 18. Lebensjahr, während dies anderswo erst nach Überschreiten der 30 geschieht, wenn also die Jugend vorüber ist. In vielen Ländern ist der Übergang zum Erwachsenenalter ein langer und komplizierter Weg, der nicht linear verläuft, auf dem sich Schritte nach vorne und zurück abwechseln und wo im allgemeinen die Suche nach einem Arbeitsplatz Vorrang vor der affektiven Dimension hat. Dies macht es schwieriger für die Jugendlichen, endgültige Entscheidungen zu treffen und, wie eine afrikanische BK schreibt: „zeigt die Notwendigkeit, einen formalen Rahmen zu ihrer persönlichen Unterstützung zu schaffen“.

 

17.             In der Phase wichtiger Entscheidungen angesichts der Gelegenheiten und Beschränkungen, wie sie sich aus einem Kontext in kontinuierlichem Wandel ergeben, welcher Vorläufigkeit und Unsicherheit schafft (vgl. VDok I, 3 und III, 1), treffen alle für die Jugendzeit typischen Möglichkeiten und psychologischen Schwierigkeiten zusammen, die erkannt, aufgearbeitet und aufgelöst werden müssen, wo nötig auch mit angemessener Unterstützung. Unter den Schwierigkeiten nennen die Fachleute starre oder impulsive Verhaltensweisen, Instabilität beim Einhalten von Verpflichtungen, Kälte und Mangel an Empathie, ungenügende emotionale Intuition, Unfähigkeit oder übermäßige Angst, Bindungen einzugehen. Häufiger anzutreffen sind Verhaltensweisen, die das Bedürfnis nach Reinigung und Befreiung signalisieren: affektive Abhängigkeit, Minderwertigkeitsgefühl, fehlende Beherztheit und Stärke angesichts von Risiken, Tendenz zur selbstzentrierten sexuellen Befriedigung, Aggression, Exhibitionismus und das Bedürfnis, im Mittelpunkt zu stehen. Wertvolle Ressourcen hingegen, die kultiviert und in der konkreten Lebenswirklichkeit zur Anwendung gebracht werden sollten, sind: Empathie den Mitmenschen gegenüber, ein ausgeglichenes Schuldempfinden, der Kontakt mit der eigenen Intimität, sowie Hilfsbereitschaft und Wille zur Zusammenarbeit, die Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse und Verantwortlichkeiten von denen anderer zu unterscheiden, die eigenen Entscheidungen notfalls auch allein zu verteidigen, angesichts von Schwierigkeiten und Misserfolgen zu widerstehen und zu kämpfen, die angenommenen Aufgaben in verantwortungsvoller Weise zu Ende zu bringen.

 

18.             Die Jugendzeit stellt sich also nicht nur als eine Übergangsphase zwischen den ersten, in der Adoleszenz unternommenen Schritten in die Selbständigkeit und Verantwortung des Erwachsenenalters dar, sondern vielmehr als ein Qualitätssprung, was die persönliche Einbindung in Beziehungen und Verpflichtungen ebenso anbelangt wie die Anlage zu Verschlossenheit und Einsamkeit. Mit Sicherheit ist sie eine Zeit des Experimentierens, der Höhen und Tiefen, des Auf und Ab von Hoffnungen und Ängsten und der notwendigen Spannung zwischen positiven und negativen Aspekten, mit deren Hilfe man lernt, die Dimensionen affektiver, sexueller, intellektueller, spiritueller, körperlicher und sozialer Art zu artikulieren und zu integrieren. Auf diesem Weg, der sich zwischen den kleinen Entscheidungen des Alltags und solchen von größerer Tragweite entwickelt, wird ein jeder Mensch nach und nach die eigene Einzigartigkeit und die Originalität der eigenen Berufung erkennen.

 

Erziehung, Schule und Universität

 

19.             Die Institutionen für Erziehung und Bildung sind nicht nur die Orte, wo die Jugendlichen einen Großteil ihrer Zeit verbringen, sondern vor allem ein existenzieller Raum, den die Gesellschaft ihnen für ihr intellektuelles und menschliches Wachstum und für ihre berufliche Orientierung zur Verfügung stellt. Doch fehlt es nicht an Problemen, die zumeist dadurch bedingt sind, dass Schulen und Universitäten sich darauf beschränken, zu informieren, ohne zu bilden, und dass sie die Herausbildung eines kritischen Geistes ebenso wenig fördern wie die die sinnhafte Vertiefung des Lernens und des Studiums als Berufung. In vielen Ländern gibt es deutliche Ungleichheiten beim Zugang zum Bildungssystem, Unterschiede bei den Bildungschancen im ländlichen bzw. städtischen Gebieten und alarmierende Abbrecherquoten: All das stellt eine Bedrohung für die Zukunft der Jugendlichen und der Gesellschaft dar. Ebenso besorgniserregend ist in einigen Ländern das Phänomen derjenigen, die weder arbeiten noch studieren (die sogenannten NEETs), was auch Aufmerksamkeit seitens der Seelsorge erfordert.

 

20.             In vielen Ländern mit mangelhaftem Schulsystem kommt der Kirche und ihren Bildungseinrichtungen eine grundlegende Rolle zu, während sie anderswo Mühe haben, mit den Qualitätsstandards der jeweiligen Länder Schritt zu halten. Ein besonders sensibles Thema ist die Berufsausbildung, bei der die katholischen Schulen in vielen Ländern eine sehr wichtige Rolle spielen: Sie beschränken sich nicht darauf, technische Kompetenzen zu vermitteln, sondern helfen den Schülern, ihre Fähigkeiten zu entdecken und konstruktiv einzusetzen, ganz gleich, welcher Art sie sind. Sehr wichtig, besonders in Gegenden großer Armut und Benachteiligung, sind Fernstudium oder informelle Lerninitiativen, die dem Ungleichgewicht beim Zugang zu Bildungsmöglichkeiten entgegenwirken.

 

21.             Aber es gibt nicht nur die Schule: Wie die Vorsynode gezeigt hat, ist „die Identität eines jungen Menschen auch durch äußere Interaktion geprägt, durch Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen, Verbänden und Bewegungen, die auch außerhalb der Kirche aktiv sind. Manchmal sind Pfarrgemeinden keine Orte der Begegnung mehr“ (VS 1). Nach wie vor ist der Wunsch nach positiven Rollenmodellen groß: „Wir erkennen die Bedeutung von Erziehern und Freunden an, darunter zum Beispiel die Leiter von Jugendgruppen, die als gutes Beispiel dienen können. Wir müssen attraktive, stimmige und authentische Vorbilder finden” (VS 1). 

 

Arbeit und Beruf

 

22.             Der Übergang in das Arbeits- und Berufsleben ist nach wie vor von großer Bedeutung, und die Distanz, die mancherorts zwischen Schul- bzw. Universitätsausbildung und den Anforderungen der Arbeitswelt zu beobachten ist, macht diesen Moment noch diffiziler. Die Jugendlichen, die den Online-Fragebogen beantwortet haben, erklären, dass ein fester Arbeitsplatz grundlegend ist (82,7%), bringt er doch wirtschaftliche Sicherheit, Stabilität der Beziehungen und die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung mit sich (89,7%). Die Arbeit ist das notwendige, wenn auch nicht allein ausreichende, Mittel zur Realisierung der eigenen Lebenspläne wie z. B. eine Familie (80,4%) zu gründen und Kinder zu haben.

 

23.             Die größten Sorgen herrschen dort, wo die Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch ist. Wo die Menschen arm sind, gewinnt die Arbeit auch die Konnotation der sozialen Befreiung, während der Mangel an Arbeit zu den hauptsächlichen Ursachen für die Emigration ins Ausland zählt. Insbesondere in Asien wachsen die Kinder in einer Erfolgs- und Prestigekultur auf, an der sie sich ebenso messen wie an dem Arbeitsethos, das die Erwartungen der Eltern durchdringt und das Schulsystem strukturiert. Dies schafft ein Klima des intensiven Wettbewerbs mit einer stark auf Selektion ausgerichteten Orientierung, enormer Arbeitsbelastung und großem Stress.  Wie aus der vorsynodalen Versammlung hervorgeht, wollen die Jugendlichen nach wie vor „die Würde der Arbeit bekräftigen“ (VS 3), aber sie weisen auch darauf hin, wie mühsam es ist, unter extrem harten, die Angst schürenden sozioökonomischen Bedingungen die Hoffnung zu bewahren (vgl. VS 3). Manche BK fordern auch zu einer gründlicheren Untersuchung des Verhältnisses zwischen Berufung und Beruf auf; auch sollte die unterschiedliche „Intensität der Berufung“ zu den verschiedenen Berufen genauer beleuchtet werden.

 

Die Jugendlichen, der Glaube und die Religionen

 

24.             Auch der religiöse Kontext, in dem die Jugendlichen aufwachsen, ist sehr unterschiedlich und vielgestaltig: In manchen Ländern stellen die Katholiken die Mehrheit, in anderen wiederum bilden sie lediglich eine kleine Minderheit, manchmal sozial akzeptiert, manchmal diskriminiert und verfolgt bis hin zum Martyrium. Es gibt Umstände, unter denen sich das Christentum an den Folgen vergangener Entscheidungen messen lassen muss, die seine Glaubwürdigkeit untergraben, und andere, in denen sich die Katholiken mit dem kulturellen und spirituellen Reichtum anderer religiöser Traditionen und traditioneller Kulturen auseinandersetzen müssen; es gibt auch säkularisierte Gegenden, die den Glauben als etwas rein Privates betrachten, während in anderen der Einfluss religiöser Sekten oder spiritueller Strömungen anderer Art (New Age etc.) unverhältnismäßig stark wird. Es gibt Regionen, in denen Christentum und Religion als ein Vermächtnis der Vergangenheit gelten, und andere, wo sie noch die Zielvorgabe für das soziale Leben sind. In manchen Ländern präsentiert sich die katholische Gemeinde nicht homogen, sondern umfasst auch Minderheiten, sowohl was die ethnisch-kulturelle (z. B. eingeborene Gemeinschaften) als auch die religiöse (Pluralität der Riten) Zugehörigkeit anbelangt, in anderen wiederum ist sie aufgefordert, Raum zu schaffen für die Gläubigen aus der Migration.

 

25.             Wie soziologische Untersuchungen zeigen, ist der Kontext auch im Hinblick auf das Verhältnis zum Glauben und auf die Konfessionszugehörigkeit äußerst vielschichtig. Im Verlauf des ISJ wurde deutlich, dass „das Desinteresse und die Apathie der Jugendlichen im Hinblick auf den Glauben (und die geringe Anziehungskraft der Kirchen) zum Teil auf die Schwierigkeiten zurückzuführen ist, die die großen religiösen Institutionen damit haben, sich mit dem modernen Bewusstsein in Einklang zu bringen, und das in sozialen Zusammenhängen, die die Menschen angesichts der vielen Ungewissheiten, mit denen das Leben des Einzelnen ebenso wie das der Gemeinschaft belastet sind, vor neue, unbequeme Sinnfragen stellen. Darüber hinaus gibt es in der Welt der Jugendlichen, die in sich äußerst  differenziert ist, durchaus Anzeichen von religiöser und spiritueller Vitalität, sowohl innerhalb als auch außerhalb der großen Kirchen“. Und weiter: „Dieses verbreitete Miteinander von Gläubigen, Nichtgläubigen und ‚Andersgläubigen‘ scheint weniger Spannungen und Konflikte zu erzeugen, als vielmehr – unter bestimmten Bedingungen – die gegenseitige Anerkennung zu fördern.  Dies gilt besonders dann, wenn es auf der einen Seite einen Atheismus bzw. Agnostizismus mit menschlichem Gesicht ohne Arroganz und Anmaßung gibt, dem ein religiöser Glaube gegenübersteht, der eher dem Dialog zugeneigt als fanatisch ist.

KAPITEL II

ERFAHRUNGEN UND AUSDRUCKSFORMEN

 

26.             Wie die Vorsynode der Jugendlichen unmissverständlich verdeutlicht hat, stehen die jungen Generationen für einen Realitätsansatz mit ganz spezifischen Kennzeichen, der eine Ressource und ein Quell der Originalität ist, aber bei Erwachsenen auch Unbehagen oder Ratlosigkeit hervorrufen kann. Doch sollte man sich vor vorschnellen Urteilen hüten. Dieser Ansatz zeichnet sich durch den Vorrang des Konkreten und der praktischen Einsatzfähigkeit vor der theoretischen Analyse aus. Es handelt sich hier nicht um blinden Aktivismus oder um eine Geringschätzung der intellektuellen Dimension: Innerhalb der von Jugendlichen spontan an den Tag gelegten Handlungsweisen versteht man die Dinge, indem man sie tut und löst Probleme, wenn sie auftreten. Ebenso offensichtlich ist die Tatsache, dass der Pluralismus, auch der radikale Pluralismus der Unterschiede, schlicht ein Faktum darstellt. Dies bedeutet nicht, in relativistischer Weise auf die Behauptung der eigenen Identität zu verzichten, sondern ist Anzeichen eines originären Bewusstseins für andere Formen der Lebensführung und für deren bewusste Inklusion, sodass sich alle vom Ergebnis der gemeinsamen Anstrengung repräsentiert fühlen können.

 

Engagement und soziale Teilhabe

 

27.             Angesichts der in der Gesellschaft vorhandenen Widersprüche bemerken viele BK eine besondere Sensibilität und ein vermehrtes Engagement, auch in Form der Freiwilligentätigkeit, seitens der Jugendlichen: Zweifellos ein Zeichen der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und des Wunsches, ihre Talente, ihr Können und ihre Kreativität fruchtbringend einzusetzen. Zu den Themen, die ihnen besonders am Herzen liegen, gehören soziale und  ökologische Nachhaltigkeit, Diskrimination und Rassismus. Dabei verfolgen die jungen Menschen oftmals innovative Ansätze und nutzen die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation, wenn es um Mobilität und politischen Druck geht. Darunter fallen die Verbreitung von kritischen, solidarischen und umweltfreundlichen Lebensweisen und Konsum- und Investitionsmodellen ebenso wie neue Formen des Engagements und der gesellschaftlichen und politischen Teilhabe, und neue Modalitäten bei der Konzeption von Sozialleistungen zum Schutz der Schwächeren. Wie mehrere Beispiele aus jüngster Zeit auf allen Kontinenten gezeigt haben, sind die Jugendlichen durchaus fähig zur Mobilisierung, besonders wenn es um Anliegen geht, denen sie sich direkt verbunden fühlen, und auch dann, wenn sie tatsächlich Protagonisten sein können, anstatt lediglich im Gefolge anderer Gruppen zu agieren.

 

28.             Die Jugendlichen betonen, dass das Image der Kirche bezüglich der Förderung von Gerechtigkeit „dichotomisch“ sei: Einerseits will sie an den Schattenseiten der Geschichte präsent sein und den Letzten beistehen, andererseits muss sie noch viel tun, um die Vorwürfe der teils schweren und weit verbreiteten Korruption zu entkräften, durch die sie Gefahr läuft, sich der Welt anzugleichen, anstatt Trägerin einer am Evangelium inspirierten Alternative zu sein.

 

Spiritualität und Religiosität

 

29.             Die vorsynodale Versammlung hat auch gezeigt, dass das Kennzeichen, das das Verhältnis der Jugendlichen zum Glauben und zur religiösen Praxis am treffendsten beschreibt, die Vielfältigkeit ist. Im allgemeinen erklären die jungen Menschen, offen für Spiritualität zu sein, auch wenn sakrale Dinge häufig vom Alltagsleben getrennt sind. Viele halten Religion für eine private Angelegenheit und betrachten sich selbst als spirituelle, aber nicht als religiöse (im Sinne der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession) Menschen (vgl. VS 7). Religion wird nicht mehr als der beste Weg zur Erfassung des Lebenssinns gesehen; hier steht sie vielmehr neben Ideologien und anderen Denkrichtungen und wird teilweise durch diese oder auch durch persönlichen oder beruflichen Erfolg ersetzt (vgl. VS 5).

 

30.             Dieselbe Vielfalt ist auch im Verhältnis der Jugendlichen zur Figur Jesu Christi erkennbar. Viele erkennen ihn als Erlöser und Gottessohn an, und oft fühlen sie sich ihm durch die Muttergottes nahe. Andere haben keine persönliche Beziehung zu ihm, sehen ihn aber als einen guten Menschen und als ethisches Rollenmodell. Für wieder andere ist er eine Figur der Vergangenheit ohne Relevanz für ihr eigenes Leben, oder er wird (ebenso wie die Kirche) als sehr fern von den Erfahrungen wahrgenommen, die Menschen heute machen. Falsche Bilder, die manche Jugendliche von Jesus haben, zerstören für sie seinen Zauber; das gleiche gilt für ein Regelwerk, innerhalb dessen die christliche Vollkommenheit jenseits der menschlichen Fähigkeiten liegt, sodass das Christentum schließlich als unerreichbarer Maßstab angesehen wird (vgl. VS 6). Oftmals fragen junge Katholiken nach Vorschlägen für Gebete und sakramentale Momente, die ihr tägliches Leben skandieren können, aber dazu muss gesagt werden, dass die Hirten oftmals nicht in der Lage sind, die spezifischen Erwartungen der jungen Generation auf Augenhöhe mit ihr zu erfüllen.

 

 

Die Jugendlichen im kirchlichen Leben

 

31.             Eine bestimmte, jedoch von Region zu Region verschiedene  Anzahl von Jugendlichen empfindet sich als lebendiger Teil der Kirche  und zeigt dies auch mit Überzeugung durch ihr Engagement dort. „Andere junge Menschen erleben die Kirche als ihnen sehr nah, in Regionen wie Afrika, Asien und Lateinamerika sowie in verschiedenen globalen Bewegungen. Sogar junge Leute, die das Evangelium nicht leben, empfinden Verbundenheit mit der Kirche“ (VS 7).  Diverse BK bemerken, dass die jungen Menschen integrierender Bestandteil der Kirche sind und auch als solcher wahrgenommen werden sollten, und dass ihr Einsatz für sie eine grundlegende Dimension der Pastoral darstellt. Nicht selten sind Gruppen von Jugendlichen und auch Mitglieder von Verbänden und Bewegungen nur wenig in das Leben der Gemeinschaften mit einbezogen: Die Überwindung dieser Spirale der Trennung stellt für manche BK eines der Ziele der Synode dar.

 

32.             Obgleich viele Jugendliche das Gefühl haben, auf die hinteren Ränge verbannt zu sein, engagieren sie sich doch in zahlreichen Aktivitäten, die sie oft sogar aktiv vorantreiben. Darunter sind besonders verschiedene Formen der Freiwilligentätigkeit, die ein kennzeichnender Zug der jungen Generationen ist. Die Beteiligung an Katechismus und Liturgie und die Betreuung der Kinder sind weitere Bereiche des ehrenamtlichen Engagements, die in den Pfarrheimen und anderen seelsorgerischen Einrichtungen großen Zulauf haben. Auch religiöse Bewegungen, Vereinigungen und Kongregationen bieten den Jugendlichen Gelegenheit zu Engagement und Mitverantwortung. In vielen Gegenden bleibt die Volksfrömmigkeit ein wichtiger Zugang zum Glauben für junge Menschen, die körperlich und emotional in der Musik und im Gesang wichtige Ausdrucksmöglichkeiten  finden. Zusammen mit anderen nationalen, internationalen und weltweiten Begegnungen spielt der WJT eine bedeutende Rolle im Leben vieler Jugendlicher, bietet er doch, wie eine BK bestätigt, „eine lebendige Glaubens- und Gemeinschaftserfahrung, die ihnen hilft, sich mit den großen Herausforderungen des Lebens auseinanderzusetzen und eigenverantwortlich ihren Platz in der Gesellschaft und der kirchlichen Gemeinschaft einzunehmen“.

 

33.             Auffallend sind der Wunsch und die Fähigkeit der jungen Menschen, im Team zu arbeiten, was in vielen Situationen einen großen Vorteil darstellt. Manchmal gerät diese Hilfsbereitschaft in Konflikt mit einem übermäßigen Autoritätsanspruch seitens der Erwachsenen und der Beauftragten der Kirche: „Oft finden junge Menschen nur schwer einen Platz in der Kirche, an dem sie aktiv mitmachen und auch Führungsrollen übernehmen können. Ihrer Erfahrung zufolge hält sie die Kirche für zu jung und unerfahren und impliziert, dass sie nur Fehler begehen würden“ (VS 7). Dabei ist es ganz klar, dass der Stil der Kirche und ihr Dynamismus überall dort, wo es junge Menschen gibt und sie geschätzt werden, eine große Vitalität erlangen, die durchaus Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann.

 

Die Transversalität des digitalen Kontinents

 

34.             Nicht zu übersehen ist, in welch hohem Maße die Welt der Jugendlichen von der Präsenz der digitalen und sozialen Medien durchdrungen ist. Dies bestätigen die Jugendlichen der Vorsynode mit Nachdruck: „Der Einfluss sozialer Medien auf das Leben junger Menschen ist nicht zu unterschätzen. Sie sind ein wichtiger Teil ihrer Identität und ihrer Lebensweise. Die digitalen Räume haben ein nie da gewesenes Potenzial, Menschen über geografische Entfernungen hinweg zusammenzubringen. Die Möglichkeiten des Austauschs von Informationen, Idealen, Werten und gemeinsamen Interessen sind heute besser als gestern. Der Zugang zu Online-Lernmöglichkeiten hat die Bildungschancen junger Menschen in abgelegenen Gebieten verbessert und ihnen den Zugang zum Wissen mit einem Klick in Reichweite gebracht“ (VS 4).

 

35.             Das Netz ist aber auch ein Raum der Einsamkeit, der Manipulation, der Ausbeutung und Gewalt bis hin zum Extremfall, den das Darknet darstellt. Die Jugendlichen sind sich der Risiken bewusst: „Die Kehrseite der Technologie wird jedoch offensichtlich, wenn daraus bestimmte Laster entstehen. Diese Gefahr manifestiert sich durch Isolation, Faulheit, Trostlosigkeit und Langeweile. Es ist offensichtlich, dass junge Leute auf der ganzen Welt obsessiv multimediale Produkte konsumieren. Obwohl wir in einer umfassend vernetzten Welt leben, beschränkt sich die Kommunikation unter jungen Menschen auf Personen, die ihnen ähnlich sind. […] Das Aufkommen der sozialen Medien hat uns vor neue Probleme gestellt, darunter die Macht, die die Unternehmen dieses neuen Sektors auf das Leben der Jugendlichen ausüben“ (VS 4). Dies behindert den Reifeprozess hin zu einer gelassenen Auseinandersetzung und einem sachlichen Dialog mit dem Neuartigen, und im Hinblick auf die Jugendlichen stellt dies eine wahre erzieherische Herausforderung dar. Über diesen doppelten Aspekt sind sich auch die BK einig, auch wenn hier der Akzent auf den kritischen Bewertungen liegt. Auch aufgrund von Unwissenheit und mangelhafter Ausbildung sind die Hirten und ganz allgemein die Erwachsenen kaum in der Lage, diese neue Sprache zu verstehen, vor der sie eher Angst haben und die sie als einen „unsichtbaren und allmächtigen Feind“ empfinden, ja teilweise sogar dämonisieren.

 

Musik und andere künstlerische Ausdrucksformen

 

36.             Wie sehr viele BK bemerken, stellt die Musik für die Jugendlichen eine grundlegende Ausdrucksform dar; sie ist der immer präsente Soundtrack zu ihrem Leben und ein wichtiger Beitrag zur Identitätsbildung auf eine Weise, die die Kirche allerdings kaum jemals wirklich beachtet, obgleich das Bewusstsein für die Bedeutung von Musik fast durchgehend vorhanden ist. Durch Musik werden Emotionen erfahren, sie bezieht die physische Dimension mit ein, öffnet innere Räume und hilft, diese mitzuteilen. Gleichzeitig übermittelt sie Botschaften und ist das Vehikel für Lebensstile und Werte, die den von anderen Bildungseinrichtungen vermittelten entsprechen oder eben, als Alternative, widersprechen können. In manchen Jugendkulturen dient die Welt der Musik als exklusives Refugium, das für Erwachsene unzugänglich ist. Weil sie eine so große Macht darstellt, ist die Welt der Musik oft auch durch kommerzielle, wenn nicht sogar spekulative Interessen beeinflusst und manipuliert.

 

37.             Die Musik und die Tatsache, dass sie mit anderen geteilt wird, setzen Sozialisierungsprozesse in Gang. Auf Konzerten kommen Tausende Jugendlicher zusammen: hier tritt das Bedürfnis zutage, zusammen zu sein und die individuellen Unterschiede beiseite zu schieben. Die großen Musikevents können als eine alle Sinne erfassende Erfahrung wahrgenommen werden, als visuelles und akustisches Spektakel, wo Tanz, Bewegung, Nähe und körperlicher Kontakt zusammenkommen und bewirken, dass man aus sich herausgeht und sich im Einklang mit Unbekannten fühlt; gleichzeitig aber können sie auch Gelegenheit zum passiven Hören sein, wo die Wirkung der Musik, teils verstärkt durch Drogeneinfluss, eine entpersönlichende Rolle annimmt. Auch das Praktizieren von Musik hat persönlichen und sozialen Wert. Viele junge Komponisten und Musiker verspüren das Bedürfnis, die Lebenserfahrungen ihrer Generation zu interpretieren und wollen ihren Altersgenossen Botschaften zu sozial relevanten Themen vermitteln, von der Sexualität über zwischenmenschliche Beziehungen bis hin zur Wiederaufwertung traditioneller Kulturen.

 

38.             Wenn auch weniger allgegenwärtig als die Musik, so spielen andere Formen des künstlerischen Ausdrucks doch eine grundlegende Rolle bei der Herausbildung der persönlichen und sozialen Identität der Jugendlichen: Malerei, Bildhauerei, Kino, die darstellenden Künste, Tanz, Theater, Fotografie, Comic, Grafik, Web Art, Schriftstellerei, Poesie, Literatur etc. Ihre Ausübung fördert die Kreativität des Einzelnen und damit seine Teilhabe am kulturellen Schaffensprozess, insbesondere durch experimentelle Initiativen, bei denen immer häufiger die neuen Technologien zum Einsatz kommen. Von großem Interesse sind die künstlerischen Ausdrucksformen, die sich mit volkstümlichen und lokalen Traditionen, insbesondere denen der ethnischen Minderheiten, beschäftigen: Sie verbinden die Jugendlichen mit dem Erbe der Vergangenheit und bieten Gelegenheit, auch unabhängig von Bildungsniveau oder der Verfügbarkeit technischer bzw. technologischer Mittel Kultur zu praktizieren.

 

Die Welt des Sports

 

39.             Der Sport stellt für die Jugendlichen einen weiteren großen Bereich des Wachstums und der Auseinandersetzung  dar, und hier ist die Kirche in vielen Teilen der Welt aktiv beteiligt. Papst Franziskus siedelt den Sport im Rahmen einer informellen Erziehung an, der ein größeres Gewicht zukommen soll, vor allem angesichts der intellektualistischen Verarmung, die innerhalb der offiziellen Bildungswege zu beobachten ist (vgl. Ansprache vor den Teilnehmern des Weltkongresses der Kongregation für das katholische Bildungswesen, 21. November 2015). Fachleuten zufolge leben wir heute in „versportlichten Gesellschaften“, und dies gilt besonders für die Welt der Jugendlichen. Hinterfragt werden müssen jedoch die Werte und Modelle, die unsere Gesellschaft jenseits der Rhetorik durch die sportliche Praxis tatsächlich vermittelt; oft setzt diese nämlich auf Erfolg um jeden Preis, auch unter Einsatz betrügerischer Praktiken, und verleugnet damit die Mühe und den Einsatz derer, die keinen Sieg davontragen.

 

40.              Wie die großen Konzerte, so stellen auch sportliche Massenveranstaltungen Erfahrungen der kollektiven Identität  dar und haben ausgeprägt rituellen Charakter. Auch in der Welt des Sports  gibt es kommerzielle Manipulation und Spekulation; es gibt Praktiken, die der Würde des Menschen und den Werten des Fair Play  zuwiderlaufen (man denke nur an das Doping, das auch beim Jugend- und Amateursport zu beobachten ist, oder an die Korruption), und es gibt Gewalt und Gewaltbereitschaft, die Unzufriedenheit und sozialen Spannungen außerhalb des sportlichen Kontexts geschuldet sind. Außerdem stellt der Sport ein sehr gewichtiges Instrument zur Integration von Ausgegrenzten und Randgruppen dar, wie unter anderem die paraolympischen Spiele beweisen.

 

KAPITEL III

LEBEN IN DER WEGWERFKULTUR

 

41.             Die Wegwerfkultur ist einer der Züge der zeitgenössischen Mentalität, die Papst Franziskus nicht müde wird zu denunzieren. Die BK weisen darauf hin, dass die Jugendlichen, in unterschiedlichen Bereichen und auf unterschiedliche Weise, sehr oft Opfer dieser Wegwerfkultur sind. Gleichzeitig darf man nicht vergessen, dass auch die Jugendlichen selbst von ihr geprägt sein und Verhaltensweisen an den Tag legen können, die das „Wegwerfen“ anderer Menschen oder die Zerstörung der Umwelt als Folge verantwortungslosen Konsumverhaltens erst verursachen.  Und schließlich muss anerkannt werden, dass es auch Kirchenverantwortliche gibt, die derartige Denk- und Verhaltensweisen billigend in Kauf nehmen und damit zur Ausbreitung von Gleichgültigkeit und der Ausgrenzung anderer beitragen.

 

42.             Auch durch die kommende Synode ist die Kirche aufgerufen, den jungen Opfern von Ungerechtigkeit und Ausbeutung mit besonderer Aufmerksamkeit zu begegnen und ein grundsätzliches Werk zu ihrer Anerkennung auf den Weg zu bringen: Dabei stellt die Eröffnung von Räumen, in denen sie sich ausdrücken können, wo sie aber vor allem Gehör finden, eine Bestätigung ihrer persönlichen Würde dar und gibt denjenigen ein Gesicht und einen Namen, denen dies im Laufe der Geschichte nur allzu oft verweigert wurde. So kann ein Potenzial zur Blüte gebracht werden, dessen Träger auch die „weggeworfenen“ Jugendlichen sind; erst dann sind sie befähigt, in ihrer eigenen Entwicklung Subjekt statt Objekt zu sein, und dann ist ihr Standpunkt ein unersetzlicher Beitrag zum Aufbau des Gemeinwohls – in einer Dynamik der kontinuierlich wachsenden Hoffnung, ausgehend von der konkreten Erfahrung, dass die Steine, die die Bauleute verworfen haben, zu Ecksteinen werden können (vgl. Ps 118, 22; Lk 20, 17; Apg 4, 11; Pt 2, 4).

 

Das Problem der Arbeit

 

43.             Wie die BK betonen, gibt es zahlreiche Länder, in denen die Jugendarbeitslosigkeit einen Stand erreicht hat, der ohne Übertreibung als dramatisch bezeichnet werden  kann. Die schlimmste Konsequenz daraus ist nicht so sehr finanzieller Natur, da oftmals die Familien, die staatlichen Sicherungssysteme oder karitative Einrichtungen die materiellen Bedürfnisse arbeitsloser Menschen aufzufangen imstande sind. Das tatsächliche Problem ist, dass „ein Jugendlicher ohne Arbeit eine narkotisierte Utopie [hat] oder kurz davor [ist], sie zu verlieren“ (Papst Franziskus, Ansprache von Papst Franziskus an die Mitglieder der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika, 28. Februar 2014). Hierzu sagten die Jugendlichen der vorsynodalen Versammlung mit ungewöhnlicher Einstimmigkeit: „Manchmal verzichten wir schließlich ganz auf unsere Träume. Wir haben zu viel Angst, und einige von uns haben das Träumen aufgegeben. Dies hängt zusammen mit den vielfältigen sozioökonomischen Zwängen, die das Gefühl der Hoffnung unter jungen Leuten stark beeinträchtigen. Andere Male hatten wir nicht einmal die Gelegenheit, weiter zu träumen“ (VS 3).

 

44.             Eine ähnliche Wirkung lässt sich in allen Situationen beobachten, wo die Menschen, Jugendliche eingeschlossen, Arbeit annehmen müssen, die ihre Menschenwürde nicht achtet: z. B. im Falle von Schwarzarbeit (oft gleichbedeutend mit Ausbeutung), Menschenhandel, allen Formen von Zwangsarbeit oder Sklaverei, von denen Millionen Menschen in aller Welt betroffen sind. Wie viele Personen weltweit, haben auch die Jugendlichen der VS ihre Besorgnis einer technologischen Entwicklung gegenüber zum Ausdruck gebracht, die sich als Feindin der Arbeit und der Arbeiter zu entpuppen droht: „Das Aufkommen künstlicher Intelligenz und neuer Technologien wie Robotik und Automatisierung bedroht die Beschäftigungsmöglichkeiten ganzer Berufsstände. Technologie kann die Menschenwürde beeinträchtigen, wenn sie nicht mit Gewissenhaftigkeit und Vorsicht eingesetzt wird und wenn es nicht die Menschenwürde ist, die bei diesem Einsatz im Mittelpunkt steht“ (VS 4).

 

Die jungen Migranten

 

45.             Ein großer Teil der Migranten sind Jugendliche. Die Gründe für Migration sind vielfältig, wie die VS gezeigt hat: „ Junge Menschen träumen von einem besseren Leben, doch viele sind gezwungen auszuwandern, um bessere wirtschaftliche und Umweltbedingungen zu finden. Sie hoffen auf Frieden und sind besonders vom ‚Mythos des Westens‘ angezogen, wie er in den Medien dargestellt wird“ (VS 3); manche jedoch „sind besorgt, weil in vielen unserer Länder soziale, politische und wirtschaftliche Instabilität herrscht“ (VS 1), während  „ein gemeinsamer Traum über Kontinente und Ozeane hinweg das Verlangen nach einem Ort ist, an dem der junge Mensch sich zugehörig fühlen kann“ (VS 3).

 

46.             Besonders schwierige Situationen entstehen dann, wenn unbegleitete Jugendliche oder junge Menschen im fortgeschrittenen Schulalter in den Zielländern ankommen (vgl. Papst Franziskus, Botschaft zum Welttag des Migranten und Flüchtlings – Minderjährige Migranten, verletzlich und ohne Stimme, 8. September 2016). Viele laufen Gefahr, Opfer des Menschenhandels zu werden, und einige verschwinden buchstäblich im Nichts. Dann gibt es die Jugendlichen in zweiter Generation, die Schwierigkeiten haben, ihre Identität und ihren Weg zwischen den Kulturen zu finden, besonders dann, wenn zwischen Herkunfts- und Zielland große soziale und kulturelle Unterschiede bestehen.

 

47.             Wie viele BK betonen, bedeutet die Migration der Jugendlichen in den Herkunftsländern eine Verarmung an Humankapital mit Unternehmergeist und Mut und bedroht deren nachhaltige Entwicklung. Für die aufnehmenden Gesellschaften – und für die Kirchen – repräsentiert sie jedoch ein enormes Potenzial, eine Gelegenheit zur Veränderung, die jedoch durch adäquate und langfristige Programme begleitet werden muss. In diesem Zusammenhang äußern die Jugendlichen der Vorsynode jedoch eine Vorsicht, die uns zu denken geben sollte: „Auch gibt es noch keinen verbindlichen Konsens in der Frage der Aufnahme von Migranten und Geflüchteten oder dazu, wie  dieses Phänomen überhaupt erst verursacht wurde. Und dies, obwohl der universelle Aufruf, für die Würde eines jeden Menschen einzustehen, durchaus anerkannt wird.“ (VS 2).  Über denjenigen, die emigrieren, dürfen jedoch die vielen Jugendlichen nicht vergessen werden, die weiterhin unter Krieg und politischer Instabilität zu leiden haben. Die jungen Teilnehmer der Vorsynode wollten immerhin betonen, dass „die jungen Menschen trotz der zahlreichen Kriege und der wiederkehrenden Gewaltausbrüche weiterhin Hoffnung haben“ (VS 3).

 

Formen der Diskriminierung

 

48.             Aus internationalen Untersuchungen geht hervor, dass viele Jugendliche Diskriminierung erleben, und zwar wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder sozialen Schicht, wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihrer geografischen Herkunft, wegen ihrer Ethnie oder wegen einer Behinderung. Das ist ein Thema, für das junge Menschen sehr sensibel sind, und zu dem sich die Teilnehmer der Vorsynode sehr deutlich geäußert haben: „Rassismus betrifft junge Menschen auf verschiedenen Ebenen in unterschiedlichen Teilen der Welt“ (VS 2). Auch viele BK signalisieren das Phänomen. Besondere Aufmerksamkeit widmete die vorsynodale Versammlung den Formen der Diskriminierung, unter denen junge Frauen auch im kirchlichen Umfeld zu leiden haben: „Heute besteht das allgemein gesellschaftliche Problem, dass Frauen noch immer kein gleichwertiger Platz eingeräumt wird. Das gilt ebenso für die Kirche.“ (VS 5). Die Jugendlichen fragen sich, „in welchen Bereichen sich Frauen in der Kirche und der Gesellschaft entfalten können“ (VS 5), im Bewusstsein, dass „die Kirche diese Probleme in tatsächlicher Auseinandersetzung und mit Aufgeschlossenheit für unterschiedliche Ideen und Erfahrungen angehen kann“ (VS 5). Und schließlich weisen die Jugendlichen auf die andauernde Diskriminierung aufgrund von Religionszugehörigkeit hin, insbesondere gegenüber Christen. Dies gilt sowohl für Gegenden, wo die Christen eine Minderheit bilden  und der Gewalt und dem Druck der Mehrheit ausgesetzt sind, die ihre Konversion verlangt, als auch für stark säkularisierte Regionen (vgl. VS 2).

 

Krankheit, Leid und Ausgrenzung

 

49.             Viele BK und auch die Vorsynode verschweigen nicht, dass viele Jugendliche sich mit den Folgen traumatischer Ereignisse verschiedener Art, oder auch mit Krankheiten, Leid oder Behinderungen auseinandersetzen müssen. Sie zählen auch auf die Aufnahme und die Unterstützung durch die Kirche, die übrigens ihre Familien gleichermaßen benötigen. Vor allem Länder mit hohem Lebensstandard verzeichnen besonders unter den Jugendlichen immer häufiger Formen psychologischer Störungen wie Depression, Geisteskrankheit und Essstörungen im Zusammenhang mit Situationen tief empfundenen Unglücks oder mit der Unfähigkeit, einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Es gibt Länder, in denen Selbstmord die häufigste Todesursache in der Altersgruppe von 15 bis 44 Jahren ist.

 

50.             Viele BK aus unterschiedlichen Gegenden verzeichnen mit großer Besorgnis, dass unter den Jugendlichen Missbrauch und Abhängigkeiten verschiedener Art zunehmen (herkömmliche und synthetische Drogen, Alkohol, Spiel- und Internetsucht, Pornografie etc.), ebenso wie abweichendes Verhalten unterschiedlicher Art (Mobbing, Gewalt, sexueller Missbrauch etc.). Für Papst Franziskus ist klar, dass diese Formen der Abhängigkeit in vielen Fällen nicht die Folge eines Abgleitens ins Laster sind, sondern Auswirkungen der Ausgrenzung und ihrer Dynamiken: „Es gibt eine weltweite Aufrüstung der Droge, das diese Generation von Jugendlichen zerstört, die zum Wegwerfen bestimmt sind!“ (Ansprache an die Mitglieder der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika, 28. Februar 2014). In alldem tritt nicht nur die Schwäche derer zutage, die diese Handlungen begehen, sondern auch die der Opfer, der Familien und der Gesellschaft insgesamt. Missbrauch und Abhängigkeit, gewalttätige Reaktionen und Devianz angesichts der der Gesellschaft innewohnenden Widersprüche gehören zu den Gründen, die Jugendliche, auch Minderjährige, ins Gefängnis bringen. Aufgrund der Schwierigkeiten des Strafsystems bei der Bereitstellung von Gelegenheiten zur sozialen Wiedereingliederung ist die Gefahr sehr groß, dass für die Gesellschaft wenig gefährliche Jugendliche im Gefängnis in kriminelle Kreise geraten, aus denen sie kaum mehr herausfinden, wie der hohe Anteil an Rückfalltätern beweist. Ebenso ist bekannt, dass Mitglieder bestimmter ethnischer und sozialer Gruppierungen besonders häufig mit Haftstrafen belegt werden, was durchaus auch eine Folge von Vorurteilen und Diskriminierung ist.

KAPITEL IV

ANTHROPOLOGISCHE UND KULTURELLE HERAUSFORDERUNGEN

 

51.             Die Gesellschaften und Kulturen unserer Zeit sind, wenn auch in unterschiedlicher Form, gekennzeichnet von bestimmten Entwicklungen. Ihre kontinuierliche Wiederkehr führt dazu, dass wie sie als Signale epochaler Veränderungen erkennen, die wir auf anthropologischer und kultureller Ebene erleben werden. Die Jugendlichen, Wachposten und Seismografen jeder Epoche, empfinden sie mehr als andere als Quell neuer Möglichkeiten einer- und nie da gewesener Bedrohungen andererseits. Manche Analysten sprechen von einer „Metamorphose“ der menschlichen Befindlichkeit, die alle, insbesondere aber die Jugendlichen, auf dem Weg zu einer gefestigten Identität vor enorme Herausforderungen stellt.

 

Körper, Gefühlsleben und Sexualität

 

52.             Die erste dieser Entwicklungen betrifft die Körperlichkeit in ihren zahlreichen Ausprägungen. Von jeher bezeichnet und bewahrt der Körper, Schranke und Schnittstelle zwischen Natur und Kultur, das Gespür für die kreatürlichen Grenzen und ist ein Geschenk, das mit Freude und Dankbarkeit angenommen werden sollte. Die Fortschritte in der Forschung und in den biomedizinischen Wissenschaften bringen jedoch eine andere Konzeption des Körpers mit sich. Die Aussichten einer immer gewagter werdenden Zusammenführung von Körper und Maschine, von neuronalen und elektronischen Kreisläufen, deren Ikone der Cyborg ist, begünstigen eine Interpretation des Körpers unter technokratischen Gesichtspunkten, was bis hin zur Kontrolle der biologischen Abläufe geht. In diesem Zusammenhang sei auf die Tatsache verwiesen, dass Eizellspenderinnen und Leihmütter bevorzugt junge Frauen sind. Auch abgesehen von rein ethischen Überlegungen beeinflussen diese Neuheiten zwangsläufig die Sicht auf den Körper und seine Unverfügbarkeit. Einige weisen darauf hin, dass sich die jungen Generationen nur mit Mühe mit dieser Dimension der eigenen Kreatürlichkeit versöhnen. Manche BK melden auch eine immer größer werdende Faszination für Extremerfahrungen bis hin zum Todesrisiko; damit sollen soziale Anerkennung erlangt oder starke Emotionen erfahren werden. Daneben entstellen frühreife Sexualität und Promiskuität, digitale Pornografie, die Zurschaustellung des eigenen Körpers im Netz und der Sexualtourismus die Schönheit und Tiefe des emotionalen und sexuellen Lebens.

 

53.             Im kirchlichen Bereich ist man sich der Bedeutung bewusst, die Körper, Gefühlsleben und Sexualität innewohnt, aber oft gelingt es nicht, sie zum Angelpunkt des Bildungs- und Glaubensweges zu machen, was durch Anerkennung der sexuellen Unterschiede ebenso wie der je nach Geschlecht unterschiedlichen Berufungsdynamiken geschehen könnte. Soziologische Studien zeigen, dass viele katholische Jugendliche den Anweisungen der kirchlichen Sexualmoral nicht folgen. Keine BK bietet hierfür Lösungen oder Patentrezepte an, aber viele sind der Meinung, dass „die Frage der Sexualität mit mehr Offenheit und ohne Vorurteile diskutiert“ werden müsse. Die vorsynodale Versammlung hat gezeigt, dass die Lehren der Kirche zu kontroversen Fragen wie „Verhütung, Abtreibung, Homosexualität, Zusammenleben und Ehe“ (RP 5) unter den Jugendlichen durchaus diskutiert werden, und zwar innerhalb der Kirche ebenso wie in der Gesellschaft. Manche junge Katholiken empfinden die Lehren der Kirche als einen Quell der Freude und „wünschen sich, dass die Kirche [diesen Lehren] nicht nur weiterhin treu bleibt, obwohl sie unpopulär sind, sondern das sie sie auch mit mehr Tiefe verkündet“ (RP 5). Diejenigen, die besagte Lehren nicht teilen, haben den Wunsch, trotzdem weiterhin Teil der Kirche zu sein und fordern diesbezüglich mehr Klarheit. Folglich bittet die Vorsynode die Verantwortlichen der Kirche „ganz konkret über kontroverse Themen wie Homosexualität und Gender [zu] sprechen, über die Jugendliche längst frei und ohne Tabu diskutieren“ (RP 11).

 

Neue kognitive Paradigmen und die Suche nach Wahrheit

 

54.             Mit teils unterschiedlicher Intensität kämpfen viele Länder gegen das Phänomen der Fake News, d. h. gegen die unkontrollierbare Verbreitung falscher Nachrichten durch die (digitalen, aber auch die herkömmlichen) Medien und die zunehmende Schwierigkeit, sie von den wahren zu unterscheiden. In der öffentlichen Debatte scheinen Wahrheit und die Kraft der Argumentation immer weniger zu überzeugen; es wurde der Terminus des „Postfaktischen“  geprägt. Wie eine BK bemerkt, „gibt es in den sozialen Netzwerken und den digitalen Medien keine Hierarchie der Wahrheit“.

 

55.             Diesem Klima sind die Jugendlichen aufgrund ihrer Kommunikationsgewohnheiten besonders ausgesetzt, und sie brauchen Begleitung, damit sie sich nicht verirren. In der postfaktischen Welt nimmt der in der Vorsynode gebrauchte Satz „Christus ist die Wahrheit, die die Kirche von jeder anderen weltlichen Gruppe, mit der wir uns identifizieren könnten, unterscheidet“ (VS 11) unweigerlich eine andere Prägnanz an als in der Vergangenheit. Es geht nicht darum, auf das wertvollste Spezifikum des Christentums zu verzichten, um sich dem gerade herrschenden Zeitgeist anzupassen, und das verlangen die Jugendlichen auch gar nicht von uns – aber wir müssen eine Art finden, wie die christliche Verkündigung unter veränderten kulturellen Bedingungen vermittelt werden kann. Im Einklang mit der biblischen Tradition tun wir gut daran zu bedenken, dass die Wahrheit auf der Grundlage einer Beziehung fußt: Der Mensch entdeckt die Wahrheit in dem Moment, da er sie durch Gott erfährt, dem Einzigen, der wirklich vertrauenswürdig ist. Diese Wahrheit muss bezeugt und gelebt, nicht nur diskutiert und bewiesen werden, was auch den Jugendlichen der Vorsynode bewusst ist: „Die persönlichen Geschichten von Menschen der Kirche sind wirksame Wege der Evangelisierung, da persönliche Erfahrungen nicht in Frage gestellt werden können“ (VS 15).

 

56.             Heute müssen wir uns bewusst sein, dass manche Funktionsmechanismen der digitalen Medien und die Notwendigkeit zu entscheiden, welches unter den zahllosen Informationsangeboten wir nutzen wollen, dafür sorgen, dass wir immer häufiger nur noch mit solchen Menschen in Kontakt kommen, die denken wie wir. Auch kirchliche Gruppierungen, Institutionen und Vereinigungen laufen Gefahr, sich in geschlossenen Kreisläufen zu bewegen (vgl. GE 115).

 

Die anthropologischen Auswirkungen der digitalen Welt

 

57.             Unter anthropologischen Gesichtspunkten zeitigt der Einfall der digitalen Techniken allmählich tiefe Auswirkungen auf den Begriff, den wir von Raum und Zeit haben, auf  die Wahrnehmung unserer selbst, der anderen und der Welt, sowie auf unsere Art zu kommunizieren, zu lernen und uns zu informieren. Ein Realitätsansatz, der eher das Bild als das Zuhören und die Lektüre privilegiert, verändert die Art des Lernens und der Entwicklung von Kritikfähigkeit. Und er wird auch die Art der Glaubensvermittlung infrage stellen, eines Glaubens, der auf dem Hören des Wortes Gottes und auf dem Lesen der Heiligen Schrift basiert. Aus den Antworten der BK geht hervor, dass  sich nicht viele unter ihnen des gerade stattfindenden epochalen Wandels voll bewusst sind.

 

58.             Eine unreflektierte Nutzung der digitalen Medien birgt die Gefahr der – auch extremen – Isolation, die mit dem japanischen Terminus Hikikomori bezeichnet wird und von der immer mehr Jugendliche in vielen, besonders den asiatischen, Ländern betroffen sind: Es ist der Rückzug  in ein illusorisches, substanzloses Glück, in dem Formen der Abhängigkeit gedeihen. Die Jugendlichen der Vorsynode sind sich dessen bewusst: „Junge Menschen neigen oft dazu, ihr Verhalten in Online- und Offline-Bereiche zu unterteilen. Es ist notwendig, ihnen Informationsangebote unterbreiten, wie sie ihr digitales Leben führen sollten. Nur online geführte Beziehungen können unmenschlich werden. Digitale Räume machen uns blind für die Verletzlichkeit anderer Menschen und behindern die Selbstreflexion. Pornografie beispielsweise verzerrt die Wahrnehmung junger Menschen hinsichtlich der Sexualität. Eine solchermaßen genutzte Technologie erzeugt eine täuschende Parallelwelt, die die Menschenwürde ignoriert. Aber es gibt auch noch andere Gefahren: den Verlust der Identität, verbunden mit einer falschen Darstellung der Person, die virtuelle Konstruktion einer Persönlichkeit sowie den Verlust einer bodenständigen sozialen Präsenz. Zu den langfristigen Risiken gehören der Verlust von Erinnerung, von Kultur und Kreativität angesichts des allzeit sofort verfügbaren Zugangs zu Informationen, sowie ein Verlust der Konzentrationsfähigkeit durch starke Fragmentierung. Außerdem gibt es eine Kultur und Diktatur des äußeren Scheins.“ (VS 4).

 

 Enttäuschung den Institutionen gegenüber und die neuen Formen der Teilhabe

 

59.             Ein weiteres Kennzeichen, das sich durch viele zeitgenössische Gesellschaften zieht, ist die Schwäche der Institutionen und das mangelnde Vertrauen ihnen gegenüber, die Kirche eingeschlossen. Die Antworten im Online-Fragebogen zeigen, dass nur eine Minderheit von Jugendlichen (16,7%) glaubt, Einfluss auf das öffentliche Leben des eigenen Landes nehmen zu können: Sie wollen schon, aber sie haben dafür nur wenig Möglichkeiten und kaum Räume. Die Jugendlichen beklagen das Fehlen einer vertrauenswürdigen Führung, auf verschiedenen Ebenen und sowohl im bürgerlichen als auch im kirchlichen Bereich. Besonders auffällig ist die durch die zunehmende Korruption geschaffene Verwundbarkeit. Den Institutionen sollte das Gemeinwohl am Herzen liegen; wenn sie sich Einzelinteressen beugen, verlieren sie dramatisch an Glaubwürdigkeit. Daher ist Korruption ein Übel, das das Fundament vieler Gesellschaften erschüttert, und die Herausforderung, soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen, muss notwendigerweise beim Aufbau gerechter Institutionen ansetzen, die sich im umfassenden Sinn in den Dienst der Menschenwürde stellen.

 

60.             Die Enttäuschung den Institutionen gegenüber kann jedoch auch heilsam sein, nämlich dann, wenn sie zu Prozessen der Teilhabe und zur Übernahme von Verantwortung führt und sich dem Skeptizismus verweigert. Zahlreiche BK weisen darauf hin, dass sich die Jugendlichen angesichts von Unsicherheit und Zukunftsangst nicht mehr an Institutionen als solche binden wollen, sondern vielmehr an Menschen, die innerhalb dieser Institutionen durch ihre Lebensführung Werte vermitteln. Sowohl auf persönlicher als auch auf institutioneller Ebene stellen konsequentes Verhalten und Authentizität grundlegende Bedingungen für die Glaubwürdigkeit dar.

 

Entscheidungsunfähigkeit angesichts zu vieler Auswahlmöglichkeiten

 

61.             Unter den bisher angesprochenen Elementen können mehrere zur Erklärung herangezogen werden, warum wir in manchen Teilen der Welt eine „Kultur der Unentschlossenheit“ beobachten, in der es als unmöglich, ja sogar sinnlos gilt, eine Lebensentscheidung zu treffen. In einer Welt, in der Gelegenheiten und Vorschläge sich exponentiell vermehren, besteht die spontane Reaktion darin, reversible Entscheidungen zu treffen, auch wenn dies dazu führt, dass das Begehren niemals befriedigt wird.  Der Prozess der Berufungserkenntnis, der sich entlang der Achse „erkennen-interpretieren-wählen“ vollzieht, kommt oftmals gerade im Moment des Wählens bzw. seiner Umsetzung zum Stillstand. Manchmal wünscht man sich Sicherheiten von außen, die nicht mit der Mühe des Wandelns im Glauben verbunden sind, indem man sich dem Wort Gottes anvertraut; und manchmal überwiegt die Angst, seine Überzeugungen zu verraten, wenn man sich den Überraschungen Gottes öffnet.

 

62.             Auch die Unsicherheit der Arbeitsbedingungen und das soziale Prekariat blockieren alle mittel- und langfristigen Pläne. Einige BK, vor allem in der westlichen Welt, stellen fest, wie schwierig es für die Jugendlichen ist, etwa die Ehe einzugehen, ohne die finanzielle Unabhängigkeit aufs Spiel zu setzen. Und wie aus den Antworten des Online-Fragebogens hervorgeht, fragen sich viele junge Menschen, wie man eine endgültige Entscheidung in einer Welt treffen soll, in der nichts stabil ist, nicht einmal die Unterscheidung zwischen wahr und falsch. Eines der drängendsten Probleme unserer Zeit ist demnach das der Lebensentscheidung in verantwortungsvoller Akzeptanz der eigenen Existenz.

 

 Jenseits der Säkularisierung

 

63.              Entgegen der Voraussagen der letzten beiden Jahrhunderte scheint die Säkularisierung nicht das unabänderliche Schicksal der Menschheit zu sein. Mit unterschiedlichen Akzentsetzungen werden in der wissenschaftlichen Literatur derzeit Ausdrücke wie „Rückkehr des Heiligen“ o. ä. verwendet. Dieses Phänomen manifestiert sich zeitgleich mit dem Rückgang der priesterlichen und religiösen Berufungen und der Leere in den Kirchen, wie sie in manchen Teilen der Welt zu verzeichnen ist: Wir stehen also nicht vor einer Rückkehr in die Vergangenheit, sondern vor dem Aufkommen eines neuen Paradigmas von Religiosität, das als wenig institutionalisiert und immer „flüssiger“ werdend beschrieben wird, gekennzeichnet von einer radikalen Vielfalt an individuellen Glaubenswegen auch unter denen, die erklären, derselben Konfession anzugehören. So wurde auf dem ISJ festgestellt, dass „es in der Welt der Jugendlichen, die in sich sehr vielfältig ist, keinen Mangel an Zeichen der religiösen und spirituellen Vitalität gibt“. Die Unzufriedenheit mit einer rein immanenten, von Konsumdenken und einem szientistischen Reduktionismus getragenen Weltsicht bereitet das Feld für die Suche nach dem Sinn der eigenen Existenz mithilfe von spirituellen Wegen unterschiedlicher Natur. Eine BK stellt fest: „Viele Jugendliche erklären, auf der Suche nach dem Sinn des Lebens zu sein, Ideale zu verfolgen, eine persönliche Spiritualität und einen eigenen Glauben finden zu wollen, aber an die Kirche wenden sie sich dabei nur selten“. Die veränderte Haltung der Religion gegenüber muss genau untersucht werden, damit die Ursachen und eventuelle Anlaufstellen  erkannt und interpretiert werden können; auch müssen neue Gelegenheiten für die Verkündung des Evangeliums ebenso identifiziert werden wie die Gefahren und Ungewissheiten, die eine solche Haltung bergen mag. An vielen Orten ist sie tatsächlich durchdrungen von der Faszination, die Angebote integralistischer oder fundamentalistischer Prägung zumindest auf Teile des jugendlichen Umfelds ausüben können; die foreign fighters und die Radikalisierung auf verschiedenen Ebenen sind nur einige Beispiele. Bedeutungsvoll in ganz anderem Sinn ist auch, was einige BK Zentral- und Osteuropas hinsichtlich der allmählichen Verschiebung religiöser Praktiken aus dem Bereich der Vorschriften in den der Freizeitaktivitäten bemerken: Auch hier tritt der Aspekt der Auswahl, der Entscheidung des Einzelnen, zutage, es ist jedoch klar, dass diese Praktiken ganz offensichtlich in Konkurrenz zu vielen anderen Alternativen stehen.

 

KAPITEL V

DEN JUGENDLICHEN ZUHÖREN

64.             Die in der Vorsynode zum Ausdruck gebrachte Aufmerksamkeit und Fürsorge den jungen Menschen gegenüber fanden ihre Entsprechung auch in den  BK, deren Antworten auf die Frage „Was verlangen die Jugendlichen konkret von der Kirche in Ihrem Land?“ umfassend und vielfältig gegliedert waren. Im Online-Fragebogen drückten sich viele Jugendliche  ganz unverblümt aus, in dem Bestreben, ihre Gedanken ungefiltert mitzuteilen. In dieselbe Richtung wies auch die Interpretation der Vorsynode seitens der Jugendlichen. Die BK suchten auf vielerlei Art das Gespräch mit den Jugendlichen; mehr Aufmerksamkeit wurde im allgemeinen jedoch den jungen Leuten zuteil, die bereits der Kirche angehören und dort aktiv sind, sodass die Gefahr bestand, sie als repräsentativ für die gesamte jugendliche Welt zu betrachten. Wie vorauszusehen war, nahmen am Online-Fragebogen vermehrt Jugendliche aus dem kirchlichen Umfeld teil. Von vielen wurde betont, dass man jungen Menschen am besten zuhören kann, wenn man dorthin geht, wo sie sind und ihren Alltag teilt. Mit Enthusiasmus sagten die Teilnehmer an der vorsynodalen Versammlung: „Wir hoffen, dass die Kirche und andere Institutionen aus diesem vorsynodalen Treffen lernen und der Stimme junger Menschen zuhören werden“ (VS, Einführung). Auch viele, die den Online-Fragebogen beantwortet haben, gaben ihrer Dankbarkeit und Wertschätzung für diese Gelegenheit Ausdruck.

 Die Mühe des Zuhörens

65.             Wie ein Jugendlicher treffend zusammenfasst, ist „in der heutigen Zeit die dem Zuhören gewidmete Zeit niemals verlorene Zeit“ (FoL), und bei den Arbeiten der Vorsynode trat zutage, dass das Zuhören die Vorform jener wahren und kühnen Sprache ist, die die Jugendlichen mit Nachdruck von der Kirche einfordern. Erwähnt werden muss aber auch die Mühe, die die Kirche dabei hat, den Jugendlichen tatsächlich zuzuhören, allen Jugendlichen ohne Ausnahme. Viele bemerken, dass ihre Stimme in der Erwachsenenwelt nicht als interessant oder nützlich wahrgenommen wird; das betrifft den gesellschaftlichen wie den kirchlichen Bereich. Wie eine BK feststellt, haben die Jugendlichen den Eindruck, dass „die Kirche ihre Lebensumstände nicht aktiv wahrnimmt“, und dass „ihre Meinungen nicht ernst genommen werden“. Einer anderen BK zufolge „verlangen die Jugendlichen von der Kirche, dass sie sich ihnen mit dem Wunsch, sie anzuhören und aufzunehmen, nähere und ihnen Dialog und einen Raum anbiete“. Wie die Jugendlichen selbst sagen, „verlassen junge Menschen in manchen Weltgegenden in großer Zahl die Kirche. Die Gründe hierfür zu verstehen, ist unerlässlich, wenn es weitergehen soll“ (VS 7). Das Phänomen ist sicherlich der Gleichgültigkeit und fehlender Bereitschaft zum Zuhören geschuldet, außerdem aber der Tatsache, dass „die Kirche oftmals als zu streng erscheint und mit einem übermäßigen Moralismus in Zusammenhang gebracht wird“ (VS 1).  

Der Wunsch nach einer „authentischen Kirche“

66.             Eine große Anzahl Jugendlicher, vor allem aus sehr säkularisierten Regionen, verlangen gar nichts von der Kirche, weil sie sie nicht als einen für ihr Leben bedeutsamen Gesprächspartner wahrnehmen. Ganz im Gegenteil, manche wollen ausdrücklich in Ruhe gelassen werden, denn sie empfinden die Präsenz der Kirche als lästig, ja unangenehm. Eine solche Haltung geht kaum auf eine unkritische und impulsive Verachtung zurück, sondern wurzelt auch in ernsthaften und ernst zu nehmenden Gründen, als da sind: die Skandale sexueller und finanzieller Art, angesichts derer die Jugendlichen die Kirche nachdrücklich auffordern, „ihre Null-Toleranz-Haltung gegenüber ihren Institutionen zu verstärken“ (VS 11); die mangelnde Vorbereitung der Amtspriester, die kein angemessenes Gespür für das Leben und die Sensibilität der Jugendlichen entwickeln können; die passive Rolle, die Jugendlichen innerhalb der Christengemeinde zugewiesen wird, und die Schwierigkeiten, die die Kirche dabei hat, ihre Lehren und ethischen Standpunkte der heutigen Gesellschaft gegenüber zu verteidigen.

67.             Auch wenn sie ihr sehr kritisch gegenüberstehen, so verlangen die Jugendlichen doch, dass die Kirche eine Institution sei, die sich durch beispielhaftes Verhalten auszeichnet, durch Kompetenz, Mitverantwortlichkeit und kulturelle Solidität. Eine BK stellt fest, dass „die Jugendlichen eine Kirche sehen wollen, die ihre Lebenssituation im Lichte des Evangeliums teilt, anstatt nur zu predigen“! Zusammenfassend sagten die Jugendlichen folgendes: „Die Jugendlichen von heute wünschen sich eine authentische Kirche. Besonders zu den Vertretern der Hierarchie wollen wir sagen: Seid als Gemeinschaft transparent, offen, ehrlich, einladend, kommunikativ, zugänglich, freudig und interaktiv“ (VS 11).

Eine Kirche, die „mehr Wert auf Beziehungen legt“

68.             Viele Jugendliche halten eine Neuorientierung der Kirche für entscheidend, vor allem, was den relationalen Ansatz betrifft: Sehr viele BK unterstreichen, dass die Jugendlichen eine „Kirche wünschen, die weniger Institution und mehr den Beziehungen zugewandt ist“, fähig, „willkommen zu heißen, ohne vorher zu urteilen“, eine Kirche „der Freundschaft und der Nähe“, eine kirchliche Gemeinschaft, die sich als „Familie versteht, in der man sich willkommen, geborgen und integriert fühlt, und in der man Gehör findet“. Auch die vorsynodale Versammlung betonte, dass „wir eine einladende, barmherzige Kirche brauchen, die ihre Wurzeln und ihr Erbe achtet und die jeden liebt, auch diejenigen, die nicht den allgemein anerkannten Regeln folgen“ (VS 1),

69.             Die Jugendlichen, die verstärkt am kirchlichen Leben teilnehmen, haben einige spezifische Anliegen vorgebracht. Ein wiederkehrendes Thema sind die Liturgie, die lebendig und nah an den Gläubigen sein sollte, aber oft „keinerlei Gemeinschafts- oder Familiengefühl im Sinne des Leibes Christi aufkommen lässt“ (VS 7), und die Predigten, die viele für ungeeignet halten, sie bei der Bestimmung ihrer Situation im Lichte des Evangeliums zu begleiten. „Jugendliche werden von der Freude angezogen, die ein Kennzeichen unseres Glaubens sein sollte“ (VS 7), die die christlichen Gemeinden aber dem Anschein nach oftmals nicht vermitteln können.

70.             Ein weiteres Anliegen betrifft den Stil, in dem die Kirche ihren Dialog nach innen und nach außen führt: Hier sind die Jugendlichen der Meinung, dass bestimmte Fragen unserer Zeit dringend angesprochen werden müssten, darunter beispielsweise die Anerkennung der Rolle der Frau in Gesellschaft und Kirche. Manche Jugendliche ermutigen die Kirche zu einer Aufarbeitung des Glaubens unter kulturellem Gesichtspunkt, sodass ein fruchtbarer Dialog mit anderen religiösen Traditionen und Wissensbereichen stattfinden kann: „In einer globalisierten und interreligiösen Welt muss die Kirche nicht nur theologische Leitlinien für einen friedlichen und konstruktiven Dialog mit Menschen anderer Glaubensrichtungen und Traditionen entwerfen, sondern bereits bestehende weiterentwickeln“ (VS 2).

 Eine  Gemeinschaft, die „sich für den Frieden einsetzt“

71.              In manchen Teilen der Welt, die besonders von Armut gekennzeichnet sind, bitten die Jugendlichen um materielle Unterstützung oder um Begleitung im Leiden, das sie quält. Dort, wo die Kirche hingegen als eine Institution wahrgenommen wird, die sich aktiv für Bürgerrechte und soziale Gerechtigkeit einsetzt, hoffen sie, dass sie dieses Engagement mit Mut und Stärke weiter verfolgen möge, trotz des Klimas von Gewalt, Unterdrückung und Verfolgung, das das Leben nicht weniger Christengemeinden umgibt. Viele Jugendliche fordern von der Kirche mehr Konkretheit, was verschiedene Kernbereiche ihrer Arbeit anbelangt, z. B. wirklich an der Seite der Armen zu stehen, die ökologische Problematik tatsächlich zu der ihren zu machen, Nüchternheit und Transparenz auf sichtbare Weise zu fördern, authentisch und klar zu sein und Mut an den Tag zu legen, wenn es darum geht, Missstände nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch innerhalb der Kirche selbst radikal aufzuzeigen. „Die Kirche sollte Initiativen unterstützen, die Menschenhandel und erzwungene Migration ebenso bekämpfen wie den Drogenhandel, was besonders in Lateinamerika sehr wichtig ist“ (VS 14).

Das Wort der Seminaristen und der jungen Ordenspersonen

72.             Viele Seminaristen und junge Ordenspersonen in der Ausbildung haben sich in unterschiedlicher Weise zum Thema der Synode geäußert, das sie als einen Grund zu großer Freude empfinden. Ihre Hinweise und Provokationen führen uns in drei ganz bestimmte Richtungen.

Die erste betrifft das Thema der Brüderlichkeit: Aus stark von Wettbewerb und Individualismus gezeichneten Umgebungen kommend, fordern sie ein wahrhaft brüderliches Leben ein, in dessen Mittelpunkt Bindungen und geteilte Zuneigung stehen. Sie wünschen sich eine Kirche, die eine „Prophezeiung der Brüderlichkeit“ ist und ein Haus, das zu ihrer Familie werden kann.

Sodann gibt es das Verlangen nach Spiritualität, die Forderung nach einer Kirche, in deren Zentrum das Gebet und die Nähe zu Gott stehen. In manchen Teilen der Welt gibt es eine spontane Öffnung hin zur Transzendenz; in anderen Gegenden, wo ein „exklusiver Humanismus“ herrscht, möchte man eine der Mystik zugewandte Kirche, die den Schimmer der Transzendenz in das Leben der Männer und Frauen bringt. Daher sehen manche die Liturgie auch als Gelegenheit zur Prophezeiung.

Und schließlich gibt es eine nachdrückliche Forderung nach mehr Radikalität, auch wenn diese nicht immer auch von persönlicher Konsequenz getragen ist: Abgesehen von einigen Regionen, wo die 71. für das geweihte Leben dem Bedürfnis nach sozialer und finanzieller Sicherheit geschuldet ist, handelt es sich bei den meisten jungen Menschen, die sich anschicken, diesen Weg zu gehen, um eine bewusste, radikal evangelische Entscheidung. Und hier ist eine besondere, persönliche Begleitung gefragt, die nach und nach dorthin führt, wo dieses großzügige Geschenk an Gott und den Nächsten Form annehmen kann.  

TEIL II

INTERPRETIEREN:

GLAUBE UND BERUFUNGSERKENNTNIS

 

73.             In diesem zweiten Teil wollen wir einige Elemente und Dynamiken vertiefen, die uns dabei helfen, die in Teil I geschilderten Situationen angemessen zu interpretieren. Der Aufruf Christi zu einem Leben in Seinem Geiste ist dabei unser Bezugshorizont und bleibt zugleich der Quell einer gesunden Unrast und einer heilsamen Krise: „Ein Glaube, der uns nicht in eine Krise führt, ist ein Glaube in der Krise; ein Glaube, der uns nicht wachsen lässt, ist ein Glaube, der wachsen muss; ein Glaube, der nicht Fragen aufwirft, ist ein Glaube, über den wir uns Fragen stellen müssen; ein Glaube, der uns nicht belebt, ist ein Glaube, der belebt werden muss; ein Glaube, der uns nicht erschüttert, ist ein Glaube, der erschüttert werden muss.“ (Papst Franziskus, Ansprache an die mische Kurie anlässlich des Weihnachtsempfangs, 21. Dezember 2017).

KAPITEL I

DER SEGEN DER JUGEND

 

74.             Um die Jugend in Wahrheit zu verstehen, die nicht nur eine heutige Befindlichkeit ist, sondern ein spezifisches Lebensalter, das Teil des Menschseins als solches ist, muss sich der Blick auf die Anthropologie ebenso wie auf die Bibel richten, denn das Wort Gottes bietet uns Elemente zur Interpretation dieses entscheidenden Moments im Leben. Wenn also die Kirche „die wahre Jugend der Welt“ ist, so bedeutet eine Untersuchung der universellen Kennzeichen der Jugend auch den Erwerb wertvoller Elemente, mit deren Hilfe sie „ihr Gesicht erneuern“ kann (II. Vatikanisches Konzil, Botschaft an die Jugendlichen), denn die Synode ist „auch ein Appell an die Kirche, eine erneuerte jugendliche Dynamik wiederzuentdecken (Papst Franziskus, Ansprache an die vorsynodale Versammlung, 2).

 

Christus, ein „Jugendlicher unter Jugendlichen“

 

75.             Die Jugend ist ein einzigartiger, hinreißender Lebensabschnitt, den auch Christus durchlaufen und mit seiner Präsenz geheiligt hat. Irenäus von Lyon hilft uns, diese Tatsache besser zu erkennen, wenn er sagt, dass „ [Jesus die] die menschliche Natur weder verschmähte, noch überholte, noch in sich das Gesetz des menschlichen Geschlechtes aufhob, sondern jedes Alter durch die Ähnlichkeit mit ihm heiligte. Ist er doch gekommen, um alle zu retten, alle, die durch ihn für Gott wiedergeboren werden, die Säuglinge und die Kleinen, die Kinder, die Jünglinge und die Greise. So durchlebte er jedes Lebensalter, wurde den Säuglingen zuliebe ein Säugling und heiligte die Säuglinge; wurde den Kindern zuliebe ein Kind und heiligte die, welche in diesem Alter stehen, indem er ihnen das Vorbild der Frömmigkeit, der Gerechtigkeit und des Gehorsames gab; wurde den Jünglingen zuliebe ein Jüngling, wurde ihnen ein Vorbild und heiligte sie für den Herrn“ (Gegen die Häresien II, 22, 4). Jesus will demnach als „Jugendlicher unter Jugendlichen“ treffen und mit uns gehen, so wie er mit den Jüngern aus Emmaus ging (vgl. Lk 24, 13-35). Noch heute will er sich selbst anbieten, damit eine jede und ein jeder von ihnen Leben im Überfluss habe (vgl. Joh 10,10).

 

Der universelle Aufruf zur Freude der Liebe

 

76.              Im Online-Fragebogen versichert ein Jugendlicher: „An Gott zu glauben bringt Liebe und Freude, nicht Traurigkeit!“. Ein wiederkehrendes Motiv in der Jugendzeit ist das der Freude: „Freue dich, Jüngling, in deiner Jugend, und dein Herz mache dich fröhlich in den Tagen deiner Jugendzeit!“ (Koh 11, 9; vgl. Weish 2, 6). Der Imperativ der Freude wohnt der Jugend ganz natürlich inne; er dreht sich um die physische Schönheit, die zu Aufmerksamkeit und Anziehungskraft für den anderen wird. Der Körper in der Fülle seiner Strahlkraft wird zum Raum der Liebe, wahrgenommen als das Mysterium selbst des Menschenwesens, bestimmt für die Ewigkeit, da gewebt aus Liebe. Um dieser Liebe willen, die „alles hofft“ (1 Kor 13, 7), ist jeder Jugendliche aufgerufen, ein Verkünder der Auferstehung zu werden (vgl. Mk 16, 6). Das gesamte Hohelied feiert die Liebe zwischen zwei jungen Menschen, die sich suchen und begehren als das greifbare Symbol der konkreten Liebe zwischen Gott und seinem Volk. Und es zeigt, dass die Berufung zur Freude durch die Liebe universell und nicht zu unterdrücken ist. Viele sind sich bewusst, dass die Kirche ihre Berufung erneuern muss, zur Freude der Jugendlichen beizutragen, ohne etwas dafür zu fordern (vgl. 2 Kor 1, 24).

 

Körperliche Kraft, Seelenstärke und Mut zum Risiko

 

77.             „Der Stolz der Jungen ist ihre Kraft“ (Spr 20, 29). Die Jugendzeit ist gekennzeichnet durch eine natürlich konstruktive Haltung dem Leben gegenüber: Gipfelpunkt der körperlichen Energie, stellt sie sich mit einzigartiger Stärke den Herausforderungen des Lebens und den neuen Wegen, die sich ihr eröffnen. In der biblischen Figur des Josua, dem Diener Moses’ von Kindheit an, werden diese Merkmale in dem Moment deutlich, da er aufgerufen wird, das Volk ins Gelobte Land zu führen. Diese Aufforderung wird ihm verschiedentlich wiederholt: „Sei stark und sei mutig!“, sowohl durch Moses (Dt 31, 7.23), als auch durch Gott selbst (Jos 1, 6.7.9). Diese Worte möchte nun auch die Kirche an alle Jugendlichen richten, die sich anschicken, den Herausforderungen und Gefahren des Lebens gegenüberzutreten, in Befolgung der Anweisung des Apostels Johannes „Ihr Jugendlichen, ich erinnere euch daran, dass ihr stark seid und das Wort Gottes in euch lebt und in euch bleibt und ihr den Bösen überwunden habt.“ (1 Joh 2, 14). Die Situationsanalyse des ersten Teils hat uns gezeigt, wie leicht die Jugendlichen von heute die Stärke und den Mut, die für ihr Alter typisch sind, verlieren und sich Angst und Mutlosigkeit hingeben können. Auch die Kirche selbst läuft Gefahr, die Begeisterung zu verlieren, die ihr aus ihrer Berufung zum Risiko des Glaubens erwachsen sollte, und sich in falschen weltlichen Sicherheiten zu wiegen. Wir müssen diese Dynamiken wieder zu den unsrigen machen.

 

Unsicherheit, Angst und Hoffnung

 

78.             Besonders in der heutigen Zeit erfahren die Jugendlichen die existenzielle Zufälligkeit und die Fragmentierung des Lebens. Das Fehlen von Sicherheiten schafft Unsicherheit, die Vielzahl von Auswahlmöglichkeiten Verwirrung, und Hass und Gewalt erfüllen die neuen Generationen mit Angst und mindern das Vertrauen in die eigenen Ressourcen. Wie kann ein junger Mensch Prophet der Hoffnung sein in einer Welt, in der Korruption und Ungerechtigkeit regieren? In dieser Situation befindet sich auch Jeremias, der aufgerufen ist, der Prophet der Völker zu sein und der Gott bittet, seine Jugend zu bedenken: „Ach mein Herr, Jahwe! Ich kann doch nicht reden, ich bin ja noch so jung!“ (Jer 1, 6). Er braucht Gott in seiner Nähe, der durch Seine Gnade eine standhafte Hoffnung in sein fragiles Leben bringt.

 

Andererseits ist die Jugend eine Zeit der Unerfahrenheit und daher auch einer berechtigten Furcht und einer immanenten Unsicherheit den großen Aufgaben des Lebens gegenüber. Jeder junge Mensch braucht Gesellschaft, Unterstützung, Nachbarschaft und Nähe. Jeremias beruhigt sich erst, als Gott folgendes zu ihm spricht: „Hab keine Angst vor den Menschen, denn ich bin mit dir und beschütze dich“ (Jer 1, 8). Viele Jugendliche fordern daher eine Kirche, die Mutter ist und sie niemals vergisst (vgl. Jes 49, 15-16).

 

Sündenfall, Reue und Aufnahme

 

79.             Die Vervollkommnung der Fähigkeit zu lieben ist und bleibt das Wunderbare und auch das Gefährliche der Jugendzeit, denn wenn die Liebe auf ungeordnete Weise gesucht und gelebt wird, kann sie zu einer regellosen Leidenschaft, zu einem destruktiven Trieb werden und in die Schwermut führen. Das Böse und die Sünde wohnen auch im Leben der Jugendlichen, und ihre Bitte um Aufnahme und Vergebung ist ein Hilfeschrei, den wir hören müssen. Eines der bekanntesten Gleichnisse des Evangeliums, die die Geschichte zweier Söhne und Brüder erzählt, ist das vom „barmherzigen Vater“, das auch die Parabel vom „Vater, der zweimal hinaus tritt“ heißen könnte (vgl. Lk 15, 11-32): Einmal, um den jüngeren Sohn nach dessen Zeit der Gedankenlosigkeit und Ausschweifung zu begrüßen, und ein zweites Mal, um den älteren Sohn, dessen Herz verhärtet und erloschen ist, hereinzubitten, um zu feiern und die Freude über die Rückkehr des Bruders zu teilen. In dieser Parabel ist der Vater der „Erwachsene“, den viele Jugendliche in ihrem Leben suchen und nicht finden. Das Gleichnis erzählt von einem mutigen Vater, der seinen Söhnen erlaubt, das Risiko der Freiheit auszuprobieren, ohne ihnen ein Joch aufzuzwingen, das ihre Entscheidungen beeinflussen würde. Gleichzeitig ist er auch ein Vater, dessen Herz groß genug ist, niemanden auszuschließen und alle in seinem Haus aufzunehmen. Die Kirche ist aufgerufen, allen Jugendlichen, die ihren Weg kreuzen, mit einer solchen Haltung zu begegnen: der des Vaters und der der Mutter.

 

Die Bereitschaft zum Zuhören und die Notwendigkeit der Begleitung

 

80.             Im Vorbereitungsdokument traten Johannes und Maria hervor als ein wirksames Bild für die Bereitschaft zum Zuhören und den Willen, den Weg zur Erkenntnis der Berufung einzuschlagen, einer Erkenntnis, die nicht an einem bestimmten Punkt eintritt, sondern einen existenziellen Weg darstellt, in ständiger Begleitung durch Jesus, der zum Lehrer, zum Rollenmodell und zum Freund aller Jugendlichen wird.

 

81.             Eine Bibelstelle erzählt  ganz konkret von einem jungen Menschen, nämlich Samuel (vgl. 1 Sam 3, 1-21) und führt eindrücklich vor Augen, dass die Jugend eine Zeit des Zuhörens ist, gleichzeitig aber auch eine Zeit, in der das Wort des Lebens und das Wort Gottes ohne Führung nicht verstanden werden können. Im Vergleich zu dem Erwachsenen fehlt es dem Jugendlichen an Erfahrung: Die Erwachsenen sind diejenigen, „die durch ständigen Gebrauch geschärfte Sinne haben, um zwischen Gut und Böse zu unterscheiden“ (Hebr 5, 14). Sie sollten sich demnach durch das aufrichtige Gewissen auszeichnen, das durch die kontinuierlich ausgeübte Entscheidung für das Gute und gegen das Böse entsteht. Die Begleitung der jungen Generationen ist keine Zusatzoption zur Aufgabe ihrer Erziehung und Evangelisierung, sondern eine Pflicht der Kirche und ein Recht eines jeden jungen Menschen. Nur dank Elis zurückhaltender und weiser Präsenz ist Samuel in der Lage, das an ihn gerichtete Wort Gottes richtig zu interpretieren. In diesem Sinne finden die Träume der Alten und die Prophezeiungen der Jungen immer zeitgleich statt (vgl. Joel 3, 1), eine Bestätigung der Beständigkeit des Bundes zwischen den Generationen.

 

Die Reifung des Glaubens und der Unterscheidung

 

82.             Der Glaube stellt vor allem ein Geschenk dar, das es anzunehmen gilt, und sein Reifen einen Weg, der durchlaufen werden muss. Sicherlich ist es so, dass „am Anfang des Christseins nicht ein ethischer Entschluß oder eine große Idee [steht], sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt“ (DC 1; EG 7). Aus dieser Begegnung entsteht dann eine Erfahrung, die die gesamte Existenz verändert und sie hin zum Dialog und zur Verantwortlichkeit orientiert. In der Zeit seines Aufwachsens wird allen jungen Menschen bewusst, dass das Leben größer als er oder sie selbst ist und dass sie nicht alles in ihrem Leben kontrollieren können; auch wird ihnen bewusst, dass sie das, was sie sind, dank der Pflege sind, die andere, in erster Linie die Eltern, ihnen angedeihen ließen; und schließlich merken sie, dass zu einem guten Leben auch Verantwortung für andere gehört, dieselbe Pflege und Sorgfalt dem Nächsten gegenüber, die man ihnen geschenkt hat. Insbesondere sollten sie um das Geschenk der Erkenntnis bitten, die niemand allein aufbauen kann, sondern die vor allem eine Gabe ist, die empfangen wird und die sodann mit Vorsicht und Gewissenhaftigkeit anzuwenden ist, damit sie sich weiterentwickeln kann. Und ein junger Mensch, der die Gabe der Erkenntnis erhalten hat und fruchtbringend einzusetzen weiß, ist ein Segen für andere Jugendliche und für das ganze Volk.

 

83.             Als der junge König Salomon aufgefordert wird, Gott um das zu bitten, was er angesichts der auf ihn zukommenden Rolle wünscht, sagt er: „ein Herz, das auf dich hört“ (1 Kön 3, 11-12). Und Gottes Beifall lässt nicht auf sich warten: „Weil du gerade um diese Sache gebeten hast […] um Verstand zum Hören auf das Recht, darum werde ich deinen Wunsch erfüllen“ (1 Kön 3, 11-12).

 

Tatsächlich ist jeder Jugendliche in gewisser Weise „König“ seines Lebens, aber er braucht Hilfe, damit er um Urteilsfähigkeit und Begleitung bitten kann, sodass er in der Hingabe seiner selbst zur Fülle gelangen möge. Hilfreich in diesem Zusammenhang ist auch die Geschichte der jungen Königin Ester, die, begleitet und gestützt von den Gebeten ihres Volkes (vgl. Est 4, 16) auf ihre Privilegien verzichtet und mutig ihr Leben für die Rettung ihres Volkes aufs Spiel setzt: Ein Beweis dafür, bis wohin die Kühnheit der Jugend und die Hingabe der Frau reichen können.

 

Lebensplan und Berufungsdynamik

 

84.             In der Jugendzeit wird die Identität aufgebaut und nimmt Gestalt an. In dieser durch Komplexität, Fragmentierung und Unsicherheit die Zukunft betreffend  gekennzeichneten Phase ist die Planung des Lebens mühsam, wenn nicht gar unmöglich; daher geht es der Kirche in dieser Zeit der Krise oftmals darum, diese Planung so gut wie möglich zu unterstützen. Im Idealfall und dort, wo die Jugendlichen Bereitschaft zeigen, hilft ihnen diese Art der Pastoral bei der Entdeckung ihrer Berufung, ein Wort, das doch im Grunde nur wenigen Auserwählten vorbehalten ist und den Gipfelpunkt eines Konzepts bezeichnet. Aber riskiert man mit dieser Art des Vorgehens nicht, die volle Wahrheit des Wortes „Berufung“ zu unterminieren?

In diesem Zusammenhang sollten wir uns nochmals die Begegnung zwischen Jesus und dem jungen Reichen vor Augen zu führen (vgl. Mt 19,16-22; Mk 10,17-22; Lk 10,25-28). Hier sehen wir, dass der Lehrer aus Nazareth den Lebensplan des jungen Mannes nicht unterstützt und auch keinen krönenden Abschluss dafür vorschlägt; er rät nicht zu mehr Engagement und will im Grunde auch nicht die Leere des jungen Mannes füllen, obwohl dieser gefragt hatte: „Was fehlt mir noch?“ Jesus füllt keine Leere, sondern fordert den jungen Mann auf, leer zu werden, Raum zu schaffen für eine neue Perspektive, ausgerichtet auf die Hingabe seiner selbst durch eine Neugestaltung seines Lebens infolge der Begegnung mit Ihm, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14, 6) ist. Indem er ihm also die Orientierung entzieht, verlangt Jesus von dem jungen Mann eine Neuausrichtung seines Lebens. Es ist eine Aufforderung zum Risiko, zum Verlust des bereits Angehäuften, zum Vertrauen. Es ist die Provokation, mit der Mentalität des Planens zu brechen, die in ihrer übersteigerten Form in den Narzissmus und zur Abkapselung in sich selbst führt. Jesus fordert den jungen Mann auf, sich in eine Logik des Glaubens zu begeben und das eigene Leben in Zweifel zu ziehen, allerdings nicht ohne ihn mit einem intensiven Blick der Liebe zu bedenken: „Jesus sah ihn voller Liebe an. "Eins fehlt dir", sagte er, "geh und verkaufe alles, was du hast, und gib den Erlös den Armen - du wirst dann einen Schatz im Himmel haben -  und komm, folge mir nach!"“ (Mk 10, 21).

 

KAPITEL II

DIE BERUFUNG ZUM LICHT DES GLAUBENS

 

85.             Im Abschlussdokument der Vorsynodenversammlung versichern die Jugendlichen: „Wir suchen eine Kirche, die uns hilft, unsere Berufung zu finden – in allen Bedeutungen, die das Wort ‚Berufung‘ hat.“ (VS 3). Dazu muss erst einmal geklärt werde, was „Berufung“ eigentlich bedeutet. Da uns alle Jugendlichen ohne Ausnahme am Herzen liegen, wurde die Synode aufgefordert, den die Berufungen des Menschen umspannenden Horizont überzeugend darzustellen. Die Jugendlichen selbst baten die Kirche darum, ihnen zu helfen, „eine einfache und klare Erklärung für das Wort ‚Berufung‘ zu finden“ (vgl. VS 8). Aus den Antworten der BK und aus vielen Sätzen der Jugendlichen selbst geht hervor, dass der Terminus „Berufung“ im allgemeinen mit der Berufung zum Amtspriestertum oder zum geweihten Leben in Verbindung gebracht wird. Eine BK stellt fest, dass „eine Schwäche der Pastoral die Erkenntnis der Berufung seitens der Jugendlichen betreffend in der Tatsache begründet liegt, dass sie das Verständnis von Berufung auf die Entscheidung für das Priesteramt oder das Ordensleben beschränkt“.

 

86.             Wenn wir diese „beschränkte“ Sichtweise auch nur im Lichte der letzten beiden Synoden betrachten, auf denen die Ehe als eine Berufung bezeichnet und gesagt wurde, dass „die Entscheidung zu heiraten und eine Familie zu gründen, das Ergebnis der Erkenntnis dieser Berufung“ sein müsse, so wird verständlich, dass ein solchermaßen begrenztes Verständnis des Wortes „Berufung“ bei den Jugendlichen ein starkes Vorurteil auslöst, die dann in der Berufungspastoral auch nur ein Instrument zur „Rekrutierung“ von Priestern und Ordenspersonen sehen. Ausgehend von dieser kirchlichen Vorstellungswelt sehen wir also die Notwendigkeit, den Grundstein zu einer breit gefächerten „Jugendpastoral der Berufung“ zu legen, in der sich alle Jugendlichen wiederfinden können.

 

Das menschliche Leben innerhalb des Berufungshorizonts

 

87.             Das II. Vatikanische Konzil hat den Berufungshorizont der Menschheit klar umrissen, indem es diese Terminologie benutzte, um sowohl die Berufung aller Menschen zur Einheit mit Christus (vgl. LG 3,13; GS 19,32) als auch den universellen Aufruf zur Heiligkeit (vgl. LG 39-42) zu bezeichnen, und indem es dann das Verständnis der einzelnen Berufungen in diesen Interpretationshorizont einfügte: Dazu gehören also die Berufung zum Priesteramt und zum geweihten Leben ebenso wie die zum Laiendienst (vgl. LG 31), besonders in Form des Ehe- und Familienlebens (vgl. LG 35; GS 48,49,52). Diesen Vorgaben folgte späterhin die Kirchenlehre, die auch den analogen Charakter des Wortes „Berufung“ anerkennt, ebenso wie die vielen Dimensionen der durch diesen Terminus bezeichneten Realität im Hinblick auf die persönliche Aufgabe eines jeden und auf die Gemeinschaft aller.

 

Aufgerufen in Christus

 

88.             Wenn sie sagt, dass alle Dinge durch Christus und für Ihn geschaffen wurden (vgl. Kol 1, 16), verweist die Bibel auf das Mysterium der Berufung und fordert uns auf, es als eine Realität zu interpretieren, die die Schöpfung Gottes kennzeichnet und damit auf geheimnisvolle Weise das Leben jeden Mannes und jeder Frau erleuchtet. Bereits der selige Paul VI. hatte behauptet, dass „ein jedes Leben Berufung“ sei (PP 15), und Benedikt XVI. bestand darauf, dass der Mensch von Gott als ein dialogisches Wesen geschaffen wurde: das Schöpfungswort ruft jeden „Menschen ganz persönlich, und  offenbart damit, daß das Leben selbst Berufung ist in bezug auf Gott“ (VD 77). In diesem Sinne erscheint nur eine auf die Berufung gerichtete Anthropologie als adäquat zum Verständnis des Menschen in seiner ganzen Wahrheit und Fülle. Bemerkenswert ist, dass einige nicht gläubige oder aus anderen Religionen stammende Jugendliche während der Vorsynode den Wunsch geäußert haben, ihre Berufung in der Welt und der Geschichte zu erkennen (vgl. VS 8).

 

Aus sich herausgehen

 

89.             Vom Leben als Berufung zu sprechen, ermöglicht es, Elemente herauszustellen, die für das Wachstum eines jungen Menschen sehr wichtig sind, und es bedeutet auszuschließen, dass dieses Leben vom Schicksal vorbestimmt oder Ergebnis des Zufalls ist und auch, dass es ein privates Gut ist, über das nach Gutdünken verfügt werden kann. Wenn in ersterem Fall keine Berufung vorhanden ist, so deshalb, weil die eines Lebens würdige Richtung nicht erkannt wird und im zweiten Fall, weil ein Mensch „ohne Bindungen“ auch „ohne Berufung“ ist. Unter diesem Aspekt nimmt die Erkenntnis der Berufung die Züge eines Weges der Versöhnung mit dem eigenen Körper und dem eigenen Ich, mit den anderen und mit der Welt an.

 

Hin zur Fülle der Freude und der Liebe

 

90.             Mit der Auslegung des Lebens als Berufung ist der Mensch aufgefordert, auf die Lüge der Selbstgründung ebenso zu verzichten wie auf die Illusion der narzisstischen Selbstverwirklichung und sich vielmehr durch die Geschichte hindurch auf den Plan Gottes einzulassen, dem zufolge die einen zum Wohl der anderen bestimmt sind. Es geht also darum, eine erneuerte Kultur der Berufung ins Leben zu rufen, die stets an die Freude der Liebesgemeinschaft geknüpft ist, welche Leben und Hoffnung erzeugt. Die ganze Fülle der Freude kann nur in dem Augenblick erfahren werden, in dem man entdeckt, dass man geliebt wird und daher auch aufgefordert ist, selbst zu lieben, innerhalb der den konkreten Lebensumstände eines jeden (Familie, Arbeit, soziales und ziviles Engagement).

 

Die Berufung, Jesus zu folgen

91.             Das christologische Ereignis vervollkommnet die Schöpfung, denn es ist das Mysterium, das sie von Anfang an bewegt: „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf. […] Christus, der neue Adam, tut eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe den Menschen sich selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung“ (GS 22). In Jesus entdecken wir uns aufgerufen, aus uns herauszugehen; Sein Wort fordert uns auf, „auf den See hinaus zu fahren“ (vgl. Lk 5, 4) und uns Horizonte zu eröffnen, die wir uns aus eigener Kraft nicht einmal vorstellen können.

Die Berufung in der Taufe

 

92.             Im Neuen Testament jedoch beinhaltet der Aufruf auch die Aufforderung an einige Menschen, Ihm ganz aus der Nähe zu folgen. Die im Vorbereitungsdokument nachzulesende Geschichte, die das Evangelium von der Begegnung Jesu mit den ersten Jüngern erzählt (vgl. Joh 1, 36-39), ist und bleibt paradigmatisch für diesen Aufruf. Die Richtung, in die Jesu Aufruf geht, wird erst im Laufe der Geschichte deutlich, die Dialog und Beziehung mit dem Lehrer ist. Am Anfang kann sie uns noch nicht klar vor Augen stehen, genau wie der Ausgang eines Projekts, dessen Akteure wir sind und dessen Schlüssel wir in Händen halten. Sie bietet sich dem Blick des Glaubens dar, der, wie Papst Franziskus schreibt, „in dem Maße ‚sieht‘, in dem er vorangeht und in den Raum eintritt, den das Wort Gottes aufgetan hat“ (LF 9).

 

93.             Auch darf nicht übersehen werden, dass jeder Berufungsweg seine Wurzeln in der Erfahrung der göttlichen Abstammung hat, die in der Taufe bestätigt wird (vgl. Röm 6, 4-5; 8, 14-16); es ist ein österlicher Weg, der impliziert, sich selbst zu verleugnen und das Leben zu verlieren, um es neu zu erhalten. Der Christus, der uns auffordert, Ihm zu folgen, ist derselbe, von dem es heißt: „Weil er wusste, welche Freude auf ihn wartete, hat er das Kreuz und die Schande dieses Todes auf sich genommen“ (Heb 12, 2). Auch wenn er erfährt, dass die Nachfolge Christi Verzicht und eine Treue im Leiden mit sich bringt, verliert der Gläubige nicht den Mut und folgt weiter dem Herrn, der uns zur Rechten des Vaters vorausgegangen ist und uns in Seinem Geiste begleitet.

 

Der an die Apostel ergangene Ruf

 

94.             Unter denen, die Ihm folgen, wählt Jesus einige für ein besonderes Amt aus. Dies wird in der Berufung der Apostel deutlich gesagt: und er wählte zwölf von ihnen aus, die er ständig um sich haben und später aussenden wollte, damit sie predigten und in seiner Vollmacht Dämonen austrieben (vgl. Mk 3, 14-15; Lk 6, 12-16); und er fordert sie auf, sich um seine Herde zu kümmern (vgl. Joh 21, 15-19), ebenso wie Paulus „ein Sklave von Jesus Christus [ist], zum Apostel berufen und dazu bestimmt, Gottes gute Botschaft bekannt zu machen“ (Röm 1, 1; vgl. 1 Kor 1, 1). In den Texten, die auf eine besondere Berufung für die Mission Bezug nehmen, wird nachdrücklich die freie Wahl Gottes vom Mutterschoß an betont, ebenso wie die an ihn gerichtete Offenbarung des Mysteriums Christi und Seine heilsbringende historische Beauftragung. Manchmal geht diese Berufung einher mit der Zuteilung eines neuen Namens an den Berufenen.

 

95.             Es ist wichtig zu betonen, dass diese besonderen „Aufrufe“ nur innerhalb des gesamtkirchlichen Berufungshorizonts verständlich werden. Schon im Namen ecclesia ist das Element der Berufung angelegt, das die Gemeinschaft der Jünger auszeichnet, nämlich ihre Identität als Versammlung von Berufenen (vgl. Kor 1, 26; PdV 34). Hier dient die Berufung zu einer besonderen Aufgabe nicht dem Zweck, ein Privileg einzuführen, sondern vielmehr dazu, durch die Übertragung einer besonderen Aufgabe die Gnade Gottes zu veranschaulichen, die alle zum Heil ruft:  Wenn also Jesus zu dem Zolleinnehmer Levi sagt: „Folge mir!“ und ihn zu einem Apostel der Kirche macht (vgl. Mk 2, 4), so verkündet er allen: „Ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder“ (Mk 2, 14).

 

Die Berufung der Kirche und die Berufung in die Kirche

 

96.             Die Berufung der Kirche findet ihre Vorläuferin und ihre vollkommene Erfüllung in der Person Marias, der jungen Frau, die mit ihrem „Ja“ die Menschwerdung des Gottessohnes ermöglicht und damit die Bedingungen für jede weitere kirchliche Berufung geschaffen hat. Das „marianische Prinzip“ steht jedem anderen ministerialen, charismatischen und rechtlichen Grundsatz der Kirche voran, geht über diese hinaus und unterstützt und begleitet sie alle.

 

97.             Die Bedeutung der Berufung in der Taufe kann nicht zur Gänze verstanden werden, wenn nicht berücksichtigt wird, dass sie untrennbar mit dem Missionsauftrag der Kirche verknüpft ist, dessen letztendlicher Zweck die Gemeinschaft mit Gott und die Gemeinschaft aller Menschen untereinander ist. Tatsächlich sind die verschiedenen kirchlichen Berufungen der vielgestaltige Ausdruck der Berufung der Kirche selbst, konkretes Zeichen des in brüderlicher Gemeinschaft aufgenommenen Evangeliums zu sein. Die vielfältigen Formen der Nachfolge Christi verdeutlichen, jede auf ihre Weise, den Auftrag, die Ankunft Christi zu verkünden, in der jeder Mann und  jede Frau das Heil finden.

 

98.             Der heilige Paulus spricht dieses Thema wiederholt in seinen Briefen an und verweist auf das Bild der Kirche als einen Leib, der aus vielen Gliedern besteht, wobei jedes Glied für das Ganze gleichzeitig notwendig und relativ ist, denn nur die harmonische Einheit aller Glieder schafft einen lebendigen, ebenmäßigen Körper. Den Ursprung dieser Gemeinschaft verortet der Apostel im Geheimnis der Dreifaltigkeit. Hierzu schreibt Paulus an die Korinther: „Es gibt nun zwar verschiedene Gnadengaben, doch nur ein und denselben Geist, es gibt verschiedene Dienste, doch nur ein und denselben Herrn, es gibt verschiedene Kräfte, doch nur ein und denselben Gott, der alles in allen wirkt“ (1 Kor 12, 4-6).

 

99.             Die verschiedenen Formen des christlichen Lebens können also nicht getrennt gesehen werden, sondern nur in der Wechselwirkung, die sie aufeinander ausüben und in dem Austausch der Gaben, den sie beinhalten (vgl. CL 55; VC 31). Nur so kann die Kirche zum umfassenden Abbild des Gesichts Christi in der Menschheitsgeschichte werden. Unter Bezugnahme auf das Verhältnis zwischen hierarchischen und charismatischen Gaben für das Leben und den Auftrag der Kirche bietet Iuvenescit Ecclesia wertvolle Anweisungen für eine korrekte Theologie der Charismata, sodass die Gnadengaben des Heiligen Geistes mit Dankbarkeit angenommen und mit Weisheit zur Geltung gebracht werden können, die Er ständig in der Kirche hervortreten lässt, um sie zu verjüngen.

 

Die verschiedenen Wege der Berufung

 

100.         Die Erarbeitung eines breit gefächerten Blicks auf die Frage der Berufung fordert uns auf, der Erkenntnis der Berufung mehr Aufmerksamkeit zu schenken, wobei niemand ausgeschlossen werden soll, denn, wie Papst Franziskus sagt: „Indem wir über Berufungspastoral sprechen, bestätigen wir, dass jede pastorale Handlung der Kirche ihrer Natur gemäß auf die Erkenntnis der Berufung abzielt […] Der Dienst der Berufung muss als die Seele der gesamten Evangelisierung und der gesamten Pastoral der Kirche gesehen werden“ (Botschaft an die Teilnehmer der internationalen Tagung zum Thema: Berufungspastoral und geweihtes Leben. Horizonte und Hoffnungen, 25. November 2017).

 

Die Familie

 

101.         Die beiden letzten Synoden zum Thema Familie und das Apostolische Schreiben Amoris Laetitia befassten sich ausführlich mit der Berufung der Familie innerhalb der Kirche und mit dem unersetzlichen Beitrag, den die Familien bei der Verkündung des Evangeliums zu leisten aufgerufen sind: durch gegenseitige Liebe der Eheleute und durch Zeugung und Erziehung der Kinder. Es ist wichtig, diese Botschaft unter dem Gesichtspunkt der Berufung wieder aufzunehmen und für die Jugend innerhalb ihrer Herkunftskultur verständlich zu machen. Ein Nachdenken über die Wege der Ehevorbereitung und die Begleitung junger Paare erscheinen als die beiden strategischen Punkte, in die pastorale Energie einfließen sollte.

 

Das Amtspriestertum

 

102.         Seit jeher erkennt die Kirche die Berufungen zum Amtspriestertum als entscheidend für das christliche Leben und das Heil aller Menschen an. Mit besonderer Aufmerksamkeit widmete sie sich daher immer dem Beistand, der Ausbildung und Begleitung der Anwärter auf diesen Lebenszustand. Unleugbar ist auch die Sorge, mit der viele Kirchen den Rückgang der Anzahl dieser Anwärter betrachten, angesichts dessen eine erneute Reflexion die Berufung zum ordinierten Amt ebenso notwendig wird wie Überlegungen zu einer Berufungspastoral, die die Faszination zu vermitteln weiß, die mit der Aufforderung Jesu, Hirten seiner Herde zu werden, verbunden ist.

 

Das geweihte Leben

 

103.         Auch das durch ein geweihtes Leben abgelegte prophetische Zeugnis muss wiederentdeckt und den Jugendlichen in seinem ursprünglichen Zauber vorgestellt werden, als Gegenmittel zur „lähmenden Normalität“ und als Öffnung für die Gnade, die die Welt verwirrt und ihre Logik umstößt. Eine solche Wiederentdeckung der evangelischen Radikalität und ihrer Anziehungskraft seitens der jungen Generationen – und damit die Entdeckung der Prophezeiung von Keuschheit, Armut und Gehorsam als Vorwegnahme des Himmelreichs und volle Verwirklichung des eigenen Lebens – ist ein Aspekt, der in einer Zeit, da die Logik des Konsumverhaltens herrscht und der Mensch zur Ware wird, nicht vernachlässigt werden darf.

 

Beruf und Berufung

 

104.         Zur Heiligkeit aufgerufen und vom Geiste gesalbt, lernt der Christ, alle Entscheidungen des Lebens im Lichte der Berufung zu betrachten, vor allem die seinen Stand im Leben, aber auch die seinen Beruf betreffend. Aus diesem Grunde wünschen sich einige BK, dass die Synode Wege finden möge, allen Christen bei der Wiederentdeckung der Verbindung zwischen Beruf und Berufung zu helfen und ihnen vor Augen zu führen, wie fruchtbar diese Verbindung für das Leben jedes einzelnen und besonders für die berufliche Orientierung der Jugendlichen hin zur Berufung sein kann.

 

Die Lebensform des „Single“

 

105.         Und schließlich fragen sich nicht wenige BK, wo die Berufung von Menschen anzusiedeln ist, die sich für ein Leben als „Single“ entscheiden, ohne irgendeinen Verweis auf eine besondere Weihe oder auf die Ehe. Da ihre Anzahl sowohl innerhalb der Kirche als auch in der Welt kontinuierlich zunimmt, ist die Synode zum Nachdenken über diese Frage aufgefordert.

 

KAPITEL III

DIE DYNAMIK DER ERKENNTNIS EINER BERUFUNG

Die Bitte um Unterscheidungsvermögen

 

106.         Auf der vorsynodalen Versammlung hat ein Jugendlicher die Bedeutung, die Erkenntnis für das Leben hat, gut ausgedrückt: „Wie Tausende anderer junger Menschen, gläubig oder nicht, muss ich Entscheidungen treffen, vor allem im Hinblick auf meine berufliche Orientierung. Ich bin aber unentschlossen, verwirrt und besorgt. […] Ich fühle mich wie an die Wand gedrängt, jetzt, da ich meinem Leben einen tieferen Sinn geben muss. Ich glaube, ich brauche Unterscheidungsvermögen angesichts dieser Leere“. Die Arbeit dieser Tage hat seine Frage mehrfach wieder aufgenommen und vertieft; ebenso wurden die Schwierigkeiten benannt, denen die Jugendlichen gegenüberstehen: „Viele Jugendliche wissen nicht, was sie antworten sollen, wenn man sie fragt, was der Sinn ihres Lebens sei. Nicht immer sehen sie eine Verbindung zwischen Leben und Transzendenz“ (VS 5). Tatsächlich bewegen sich die Jugendlichen oft zwischen ebenso extremen wie naiven Ansätzen: Sie glauben, Spielball eines bereits vorgezeichneten und unausweichlichen Schicksals zu sein, sie fühlen sich überfordert von einem abstrakten Ideal der Vorzüglichkeit im Rahmen eines ungebremsten, ja gewalttätigen Wettbewerbs. In dieser Situation kann sich eine Gelegenheit für die Kirche bieten, auch wenn die Jugendlichen kaum erkennen, dass sie in der Lage sein könnte zu helfen: „Viele junge Menschen wissen nicht, wie sie den Prozess zur Erkenntnis ihrer Berufung angehen sollen. Genau dies ist eine Gelegenheit für die Kirche, sie dabei zu begleiten.“ (VS 9). Dies hat auch Papst Franziskus erkannt: „Zu diesem Punkt müssen wir sagen, dass viele kirchliche Gemeinschaften das nicht können, oder dass es ihnen an Unterscheidungsvermögen fehlt. Das ist eines der Probleme, die wir haben, aber ihr müsst keine Angst haben“ (Vorsynodale Versammlung, Antwort auf Frage Nr. 2).

 

Die Unterscheidung in der Alltagssprache und in der christlichen Tradition

 

107.         Die Jugendlichen der Vorsynode weisen auch auf die Schwierigkeiten hin, die sie beim Verständnis des Wortes „Unterscheidung“ (Anm. d. Ü.: da es keine eindeutige Entsprechung des italienischen Terminus discernimento ins Deutsche gibt, wurde er in diesem Text je nach Kontext wiedergegeben durch „Unterscheidung“, aber auch „Erkenntnis“ [der Berufung] und „Urteils-/Unterscheidungsvermögen“)  haben, das nicht zu ihrer Sprache gehört, auch wenn das Bedürfnis, das es bezeichnet, durchaus wahrgenommen wird: „Die eigene Berufung zu erkennen, kann eine Herausforderung sein, besonders durch die Missverständnisse, die dieses Wort umgeben. Doch die Jugendlichen können sich dieser Herausforderung stellen. Die eigene Berufung zu erkennen, kann ein Abenteuer sein, das uns auf unserem Lebensweg begleitet“ (VS 9).

 

108.         In der Tat hat der Terminus „Unterscheidung“ (discernimento, Anm. d. Ü.) eine Vielzahl von Bedeutungen, die einander zwar nicht widersprechen, aber auch nicht identisch sind. Im weiteren Sinne bezeichnet „Unterscheidung“ (discernimento, Anm. d. Ü.) den Prozess, an dessen Ende wichtige Entscheidungen stehen, während eine andere Bedeutung eher der christlichen Tradition verpflichtet ist und sich auf die spirituelle Dynamik bezieht, durch die ein Mensch, eine Gruppe oder eine Gemeinschaft den Willen Gottes in ihrer konkreten Situation zu erkennen und anzunehmen suchen. Außerdem wird das Wort, wie im Vorbereitungsdokument dargestellt, auf eine Vielzahl verschiedener Situationen und Praktiken angewendet: „So gibt es die Unterscheidung der Zeichen der Zeit, die darauf ausgerichtet ist, die Gegenwart und das Wirken des Geistes in der Geschichte zu erkennen; es gibt die moralische Unterscheidung, welche Gut und Böse unterscheidet; und es gibt die geistliche Unterscheidung, der es darum geht, die Versuchung zu erkennen, um sie zurückweisen und auf dem Weg zur Fülle des Lebens weitergehen zu können. Die Zusammenhänge zwischen diesen verschiedenen Ausdrucksformen sind klar und können nie völlig aufgelöst werden“ (V.Dok, 2).

 

Das Angebot der Berufungserkenntnis

 

109.         Eine Vielzahl von Abstufungen gibt es auch bei der Erkenntnis der Berufung. Wie Papst Franziskus in seiner Ansprache auf der Vorsynoden-Versammlung deutlich machte, gibt es eine Ebene, die alle Männer und Frauen vereint: „Wir alle brauchen Erkenntnis. Daher findet sich dieses Wort auch im Titel der Synode, nicht wahr? Und wenn da diese Leere, diese Unruhe ist, dann muss man unterscheiden können“ (Vorsynodale Versammlung, Antwort von Papst Franziskus auf Frage Nr. 2). In diesem Sinne will sich die Synode von Anfang an mit „allen Jugendlichen ohne Ausnahme“ (VS 2) beschäftigen und ihre Bereitschaft anbieten, sie während des Prozesses zu begleiten, der dazu führt, dass sie die Wahrheit über sich selbst erkennen, das Geschenk des Lebens annehmen und herausfinden, welchen Beitrag sie in der Gesellschaft und in der Welt zu leisten aufgerufen sind. Außerdem hat der Heilige Vater unterstrichen, dass die Kirche ihren an alle gerichteten Vorschlag zur Erkenntnis der Berufung auf die Überzeugung des Glaubens stützt: „Gott liebt jeden Menschen, und an jeden richtet er persönlich einen Ruf. Es ist ein Geschenk, das uns, wenn wir es entdecken, mit Freude erfüllt (vgl. Mt 13,44-46). Seid gewiss: Gott hat Vertrauen in euch, er liebt euch, und er beruft euch. Und seinerseits wird das nicht verschwinden, denn er ist treu und glaubt wirklich an euch“ (Papst Franziskus, Ansprache vor der Vorsynodalen Versammlung, 2).

 

110.         Für die jungen Gläubigen nimmt die Berufungserkenntnis eine besondere Bedeutung an, bewegt sie sich doch innerhalb einer Dynamik der persönlichen Beziehung zu Gott dem Herrn: Sie zielt ausdrücklich auf die Entdeckung neuer Wege ab, mit deren Hilfe die Liebe Gottes beantwortet werden kann, indem sie sich als Mitglieder der Kirche an  dem Auftrag beteiligen, die Frohe Botschaft zu verkünden und zu bezeugen. Die Perspektive ist also viel weiter gefasst und viel grundlegender als diejenige, die in den Antworten zahlreicher BK aufscheint, nämlich eine reduzierte Sichtweise, aufgrund derer viele Verantwortliche der Kirche ebenso wie viele Gläubige die Erkenntnis der Berufung mit der Entscheidung für einen bestimmten Lebensweg (Ehe, Priesteramt, geweihtes Leben) gleichsetzen. Die Erkenntnis der Berufung hingegen kann sich auch auf eine Entscheidung für das soziale, politische oder auch berufliche Engagement beziehen.

 

111.         Vor allem aber endet die Erkenntnis der Berufung nicht mit einer Entscheidung zwischen mehreren Wahlmöglichkeiten, sondern entwickelt sich über einen langen Zeitraum hinweg, in dem sie nach und nach die konkreten Schritte begleitet, die zu ihrer Umsetzung führen. In diesem Sinne ist Unterscheidung auch ein Lebensstil: „Der Unterscheidung bedarf es nicht nur bei außergewöhnlichen Ereignissen, wenn es schwierige Probleme zu lösen gilt oder wenn eine wichtige Entscheidung getroffen werden soll. Sie ist ein Mittel im Kampf, um dem Herrn besser zu folgen. Wir brauchen sie immer, um fähig zu sein, die Zeiten Gottes und seiner Gnade zu erkennen, um die Inspirationen des Herrn nicht zu verpassen, um seine Einladung zum Wachstum nicht vorbeigehen zu lassen. Oftmals entscheidet sich dies im Kleinen, in dem, was irrelevant erscheint, weil sich die Hochherzigkeit im Einfachen und Alltäglichen zeigt“ (GE 169).

 

Erkennen, interpretieren, wählen

 

112.         Wie wir gesehen haben, basiert die Möglichkeit zur Unterscheidung für die Kirche auf einer Glaubensüberzeugung: Der Geist Gottes handelt im tiefsten Inneren – „im Herzen“, wie die Bibel sagt; im „Gewissen“ der theologischen Tradition zufolge – jedes Menschen, unabhängig davon, ob er oder sie sich ausdrücklich zum christlichen Glauben bekennt. Dies geschieht durch Gefühle und Wünsche, die sich aus den Lebensumständen ergeben und in Ideen, Bilder und Projekte münden. Aus der sorgfältigen Beachtung dieser inneren Abläufe entstehen dann die drei „Schritte“ der Unterscheidung, die Papst Franziskus in EG 51 anspricht und die die Vorsynode wieder aufnimmt: Erkennen, interpretieren, wählen.

 

113.         Erkennen bedeutet, der großen Menge an Emotionen, Wünschen und Gefühlen, die einem jeden von uns innewohnen, einen Namen zu geben. Sie spielen eine grundlegende Rolle und dürfen nicht verborgen oder unterdrückt werden. Der Papst sagt: „Es ist wichtig, sich ganz zu öffnen, die Gefühle nicht zu manipulieren, sie nicht zu tarnen. Die Gedanken, die aufkommen, [sollen] in den Unterscheidungsprozess einfließen“ (Vorsynodale Versammlung, Antwort auf Frage Nr. 2). Der Weg zur Erkenntnis der Berufung verlangt also, darauf zu achten, was hervortritt aus den verschiedenen Erfahrungen (Familie, Studium, Arbeit, Freundschaften und Paarbeziehungen, ehrenamtliche Tätigkeit und anderweitiges Engagement etc.), die ein Mensch auf seinem heute oft nicht mehr linear verlaufenden Lebensweg macht, mit allen Erfolgen und Misserfolgen, die ihn unweigerlich säumen werden: Wo fühlt sich ein junger Mensch zu Hause? Wo verspürt er einen intensiveren „Geschmack“? Dies ist jedoch nicht genug, denn die Erfahrungen eines Lebens sind niemals eindeutig und können auf verschiedene Weise interpretiert werden: Woher kommt dieser Wunsch? Führt er wirklich zur „Freude der Liebe“? Auf der Grundlage dieser Interpretationen wird schließlich eine Entscheidung möglich, die nicht das Ergebnis von Trieben oder sozialem Druck ist, sondern eine Übung in Freiheit und Verantwortlichkeit.

 

114.         Als ein Akt der menschlichen Freiheit birgt die Unterscheidung auch die Gefahr des Irrtums. Wie die Vorsynode festgestellt hat: „Das menschliche Herz [ist] durch die eigene Schwäche und durch die Sünde normalerweise geteilt, denn es fühlt sich von verschiedenen, manchmal entgegengesetzten Anrufen angezogen“ (V.dok, 4). Es ist also unerlässlich, dass der Mensch, der die Unterscheidung vornimmt, seine Gefühlswelt, seinen Intellekt und seinen Stil kontinuierlich weiter ausbildet.

 

115.         Die christliche Weisheit bietet dem, der sie annimmt und sich von ihr leiten lässt, wertvolle Instrumente, darunter die Schule des Wortes und die Unterweisung und spirituelle Begleitung durch die Kirche: Hilfen bei der Auseinandersetzung mit der lebendigen Regel, die Jesus ist, um ihn ganz kennen zu lernen und dahin zu kommen, „sein Herz zu haben“. Ein wirklicher Weg der Unterscheidung und der Erkenntnis erfordert also eine Haltung des Zuhörens und des Gebets, Folgsamkeit dem Lehrer gegenüber und die Bereitschaft, auch eine Entscheidung zu treffen, die mit Kosten verbunden ist. Das sprechen auch die Jugendlichen der Vorsynode an: „Zeit, die der Stille, der Introspektion und dem Gebet gewidmet ist, stellt ebenso wie die Lektüre der Heiligen Schrift und die Vertiefung ihrer Kenntnis Möglichkeiten dar, die nur sehr wenige junge Menschen nutzen. Daher braucht es eine bessere Hinführung zu diesen Bereichen. Auch die Teilnahme an religiösen Gruppen, Bewegungen und Gemeinschaften christlichen Denkens kann jungen Menschen bei der Erkenntnis ihrer Berufung behilflich sein.“ (VS 9).  Dabei ist eine Übung grundlegend, die traditionell als „Gewissenserforschung“ bezeichnet wird und darauf abzielt, den Menschen empfänglich für die Zeichen der Anwesenheit Gottes zu machen und ihn zu befähigen, Seine Stimme auch im konkreten Alltagsleben zu vernehmen. Daher legt Papst Franziskus diese Übung allen Christen ans Herz, und besonders den Jugendlichen, die ihren Weg noch suchen: „Deshalb bitte ich alle Christen, es nicht zu unterlassen, jeden Tag im Gespräch mit dem uns liebenden Herrn eine ehrliche Gewissenserforschung zu machen“ (GE 169). In einem solchen Zwiegespräch mit Christus, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, kann das geschehen, was sich ein DV für alle jungen Menschen wünscht, nämlich „eine Ausbildung ihres Gefühlslebens, die ihnen hilft, sich eher an das Gute und an die Wahrheit zu binden als an die eigenen Interessen“.

 

Die Rolle des Gewissens

 

116.         Bei der Unterscheidung spielt also das Gewissen eine zentrale Rolle. Wie ein DV feststellt: „Wenn es Bildung geben muss (und es muss sie geben!), dann kann sie sich nur als Erziehung zur Freiheit und zum Gewissen darstellen“. Während Papst Franziskus betont, dass „das Gewissen der Menschen besser in den Umgang der Kirche […] einbezogen werden muss“ (AL 303), zeigen die Antworten der BK, dass eben diesem Gewissen oftmals kein oder nur wenig Platz eingeräumt wird. Seine Rolle reduziert sich jedoch nicht nur auf die Anerkennung eigener Fehler oder Sünden, sondern angesichts der persönlichen Grenzen, in der jeweiligen Situation und bei allen Schwierigkeiten der Orientierung hilft uns das Gewissen, zu erkennen, welche Gabe wir anbieten und welchen Beitrag wir leisten können, auch wenn wir dabei vielleicht nicht immer allen Idealen entsprechen.

 

117.         Wie das II. Vatikanische Konzil sagt, ist das Gewissen „die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist“ (GS 16). Abgesehen von dieser Glaubensperspektive wird deutlich, dass die Gewissenserforschung einen universellen anthropologischen Wert darstellt; sie ist eine Aufforderung an jeden Mann und jede Frau, nicht nur an die Gläubigen, und alle sind gehalten, ihr zu folgen. Jeder Mensch, der die Erfahrung macht, in seiner Einzigartigkeit von den Personen und dem Netz an sozialen Beziehungen, die sein Leben stützen, geliebt zu werden, entdeckt und erhält seinerseits den Ruf zu lieben, der sich seinem Bewusstsein als zwingende Notwendigkeit mitteilt und zur Lebensnorm wird. Diese Würdigung des Gewissens wurzelt in der Betrachtung der Handlungsweise Gottes: Das Gewissen ist der Ort, wo Jesus, in innerstem Dialog mit dem Vater, die Entscheidungen trifft, auch die schwersten und erschütterndsten wie die im Garten Gethsemane. Er ist das wahre Gesetz allen christlichen Handelns und jeden besonderen Berufung.

 

Die Auseinandersetzung mit der Realität

 

118.         Die jungen Menschen erfahren die Grenzen ihrer Freiheit und daher auch der Erkenntnis: „Viele Faktoren beeinflussen die Fähigkeit junger Menschen, ihre Berufung zu erkennen: etwa die Kirche, kulturelle Unterschiede, die Anforderungen bei der Arbeit, die digitale Welt, familiäre Erwartungen, psychische Gesundheit und Gemütszustände, Lärm, Gruppenzwang, politische Situationen, Gesellschaft, Technologie usw. “ (VS 9). Aber eben diese konkrete Realität, die als das uns durchdringende Andere vor allem ein Geschenk ist und sich mit den Beschränkungen, die sie uns auferlegt, als das Instrument erweist, mit dessen Hilfe uns bestätigt wird, was wir in der Tiefe unseres Herzens bereits erahnt haben: Auch für die Erkenntnis gilt der Grundsatz, dass die Realität dem Gedanken überlegen ist. Unter theologischem Gesichtspunkt heißt das: Jeder, auch der erhabenste, Wunsch muss sich schließlich in einer konkreten, logischen Entscheidung manifestieren und jener Askese Platz einräumen, ohne die es keinen Weg zur Heiligkeit und Fülle des Lebens geben kann.

 

119.         Die Auseinandersetzung mit dem Alltag kann auch ein Stimulus sein, besonders dann, wenn die Umstände eine Unterbrechung oder Verlangsamung der Wanderung unseren Zielen entgegen erzwingen. Das erfahren heute die Jugendlichen vieler Länder, teils aus Mangel an tatsächlichen Gelegenheiten, ihre Talente und ihr Können fruchtbringend einzusetzen, teils weil es eben Zeit erfordert, bis die Karriere wirklich Fahrt aufnimmt. Diese Umstände können sich als sehr fruchtbar erweisen, zwingen sie doch die Betroffenen zur Durchquerung einer Etappe der heilsamen „Entzauberung“ und zur Erkenntnis, dass kein beruflicher Erfolg und kein erreichtes Ziel den Durst nach Leben, nach Fülle und Ewigkeit löschen kann, den er oder sie im Herzen trägt. Daraus entsteht der Impuls zu einer vertieften Erforschung der eigenen Authentizität und Berufung. Eines der Probleme unserer Zeit besteht darin, dass die Umstände oft dazu führen, dass diese Phase hinausgezögert wird, aufgeschoben bis zu dem Moment, da der Betroffene schon bindende Entscheidungen, beispielsweise sein Gefühlsleben betreffend, getroffen oder seinen Lebensstil bereits definiert hat und Verpflichtungen, auch finanzieller Art, eingegangen ist, von denen er nicht mehr oder nicht mehr leicht zurücktreten kann.

 

KAPITEL IV

DIE KUNST DER BEGLEITUNG

 

120.          Die gesamte Tradition der Spiritualität betont immer wieder die grundlegende Bedeutung der Begleitung, insbesondere während des Prozesses der Entscheidungsfindung, der mit der Erkenntnis der Berufung endet. Die jungen Menschen der Vorsynode haben mehrfach das gleiche Bedürfnis ausgedrückt und dabei betont, wie wichtig in diesem Zusammenhang das Zeugnis und die Menschlichkeit der Begleiter sind. Auch viele BK weisen darauf hin, dass die Jugendlichen diese Funktion von den Verantwortlichen der Kirche einfordern, die ihrerseits jedoch oftmals Schwierigkeiten haben, dieser Forderung adäquat nachzukommen.

 

„Begleitung“ kann viel bedeuten

 

121.         „Alle Jugendlichen, ohne Ausnahme, haben das Recht, auf ihrem Weg begleitet zu werden“ (V.dok III, 2). Die Berufungsbegleitung ist ein Prozess, der die Freiheit, die Bereitschaft zum Schenken und die Fähigkeit zur Integration der verschiedenen Lebensbereiche in einen Sinnhorizont freisetzen kann. Daher wird eine echte Begleitung sich bemühen, die Berufung nicht als ein vorherbestimmtes Schicksal, als eine zu bewältigende Aufgabe oder als schon geschriebene Regieanweisungen darzustellen, die man befolgen muss, um zu entdecken, wie gut man sie ausführen kann. Gott nimmt die Freiheit ernst, die er den Menschen geschenkt hat, und auf Seinen Ruf zu antworten bedeutet Arbeit, Fantasie, Kühnheit und die Bereitschaft, ggf. mehrere Versuche zu unternehmen.

 

122.         Die eingegangenen Antworten zeigen, dass manche BK die Begleitung in einem „erweiterten“ Sinne auffassen (d. h. darunter auch gelegentliche Begegnungen, gute Ratschläge und Momente der Diskussion über verschiedene Themen verstehen), während sie für andere ein sehr spezifisches „christliches Coaching“ bedeutet. Die Begleitenden können Männer oder Frauen sein, Ordenspersonen,  Laien oder Paare, und auch die Gemeinschaft spielt eine entscheidende Rolle. Die Begleitung der Jugendlichen durch die Kirche nimmt also eine Vielzahl von direkten und indirekten Formen an, schneidet  eine Vielzahl von Dimensionen und nutzt eine Vielzahl von Instrumenten, je nach Kontext und je nach dem Grad des Glaubens und der kirchlichen Einbindung des oder der Begleiteten.

 

Spirituelle Begleitung

 

123.         Viele BK sehen die persönliche spirituelle Begleitung als einen privilegierten, wenn nicht gar einzigartigen Ort innerhalb der Berufungsfindung. Und sie ist in der Tat die Gelegenheit, um in einem Umfeld des Glaubens erkennen, interpretieren und wählen zu lernen und auf das zu hören, was der Heilige Geist uns auch im Alltagsleben rät (vgl. EG 169-174). Innerhalb der persönlichen Beziehung, die die Begleitung mit sich bringt, ist es wichtig, dass sich sowohl die Begleiter als auch die Begleiteten des Unterschiedes zwischen dem männlichen und dem weiblichen Ansatz bewusst sind. Hierin bewahrt und vertieft sich der Reichtum der Tradition, die von spiritueller Vater- und Mutterschaft spricht.

 

124.         Die spirituelle Begleitung hat charakteristische Züge, die sie von anderen Formen der persönlichen Begleitung wie counseling, coaching, mentoring, tutoring etc. unterscheiden; es gibt aber auch Querverbindungen zu diesen. Damit die Einheit zwischen der Person und dem Begleitungsverhältnis  unversehrt bleibt, muss jedoch vielmehr die Komplementarität zwischen spiritueller Begleitung im engeren Sinne und anderen Formen der Nähe untersucht werden, in denen ebenfalls Menschen hervortreten können, die bei der Unterscheidung und bei der Ausbildung des Gewissens und der Freiheit im Alltagsleben helfen können.

 

Psychologische Begleitung

 

125.         Papst Franziskus lehrt uns: „In der Tat schließt die geistliche Unterscheidung die Hilfe der menschlichen, existentiellen, psychologischen, soziologischen oder moralischen Weisheit nicht aus. Sie transzendiert sie jedoch“ (GE 170). Nun muss darauf hingewiesen werden, was die spirituelle von der psychologischen oder therapeutischen Begleitung unterscheidet, die sich, wenn offen für Transzendenz, ebenfalls als grundlegend auf dem Weg zu Integration und Wachstum erweisen kann. Diese letztere Art der Begleitung fokussiert auf die Ressourcen und Grenzen sowie die Entwicklung des Menschen bei der Umsetzung seiner Wünsche. Die spirituelle Begleitung hingegen setzt darauf, mithilfe des Gebets und ausgehend vom Evangelium und der gesamten Heiligen Schrift, einen inneren Dialog zwischen dem Menschen und Gott in die Wege zu leiten, damit der Ruf Gottes jeweils auf ganz persönliche Weis beantwortet werden kann. Eine mit Sorgfalt angewandte Pädagogik wird auch die psychologische Dimension in die spirituelle Begleitung mit einfließen lassen: Nicht nur Zuhören und Empathie, sondern auch Unterscheidung  in der Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes; nicht nur Vertrauen, sondern auch Überwindung angesichts der Erkenntnis, dass die Freude des Evangeliums den Wunsch größer werden lässt; nicht nur Kultivierung von Träumen, sondern konkrete Schritte in den Engpässen des Lebens.

 

Begleitung und das Sakrament der Versöhnung

 

126.         Die Gnadengabe der spirituellen Begleitung ist nicht notwendigerweise mit dem Priesteramt verbunden. Der alten Tradition zufolge waren die spirituellen Mütter und Väter Laien, oft Nonnen und Mönche, aber keine Kleriker. Die Praxis, die die Begleitung in den Aufgabenbereich des Priestertums verweist, läuft Gefahr, sie auf einen Dialog zu beschränken, der oft das Sakrament der Versöhnung übertönt. Auch wenn sie sich ähnlich sind, so haben der die Versöhnung zelebrierende Priester und der spirituelle Begleiter doch unterschiedliche Zielsetzungen, Handlungsmodalitäten und Ausdrucksweisen. Die Berufungsbegleitung im engeren Sinne ist kein spezifisches „Fach“ innerhalb des Sakraments der Versöhnung, das der Vergebung der Sünden gilt; die Begegnung mit Gottes Barmherzigkeit im Sakrament ist jedoch unerlässlich, um den Weg weiterzugehen. Auch muss anerkannt werden, dass die vielfältigen spirituellen Traditionen unterschiedliche Sensibilitäten herausgebildet haben, was das Verhältnis zwischen Begleitung und Sakrament anbelangt.

 

Begleitung in Familie, Ausbildung und Gesellschaft

 

127.         Die Bereiche des Alltagslebens bieten zahlreiche Gelegenheiten für Nähe, die zur Begleitung auf dem Weg zum Wachstum wird, und zwar in spezifisch spirituellem oder, weiter gefasst, menschlichem Sinne. In manchen Situationen gehört eine solche Begleitung zu den institutionellen Aufgaben der begleitenden Person, in anderen gründet sie auf der Hilfsbereitschaft, den Fähigkeiten und dem Engagement der jeweils involvierten Personen.

Diverse BK weisen auf die unentbehrliche Rolle hin, die die Familie bei der Erkenntnis der Berufung spielt, besonders dann, wenn die Eltern ein Rollenmodell für Glauben und Hingabe darstellen, das auch Quell der Inspiration ist: Die Eltern sind immer die ersten Zeugen, und sie sind es umso mehr in Gegenden, wo ordinierte Amtsträger selten sind. Jedoch gibt es auch den gegenteiligen Fall; wenn die Familie allzu viel Wert auf finanziellen oder beruflichen Erfolg legt, wird ein ernsthafter Weg zur Erkenntnis der Berufung darunter leiden. Manchmal bringen familiäre Fehlschläge Jugendliche soweit, dass sie kaum mehr Hoffnung in eine langfristige Zukunftsplanung setzen.

Auch wenn sie nicht als solche bezeichnet wird, bildet die Begleitung doch das Herzstück vieler Ausbildungssysteme, sowohl im schulischen als auch im universitären Umfeld. Sie ist nicht so sehr eine an spezifische Figuren gebundene Aufgabe als vielmehr eine pädagogische Grundhaltung  und eine Mentalität, die die gesamte Lehrgemeinschaft durchzieht. Auch das auf die Vorbereitung auf den Arbeitsplatz gerichtete Tutorensystem ist bei der beruflichen Ausbildung sehr vorteilhaft. Wie diverse BK anmerken, bilden diese Arten der Begleitung „den wichtigsten Kanal, über den Schulen, Universitäten und andere Bildungseinrichtungen dazu beitragen, dass Jugendliche ihre Berufung erkennen“; außerdem sind sie eine ausgezeichnete Gelegenheit, einen kritischen Realitätsansatz aus einer christlichen Perspektive heraus ebenso zu fördern wie das Hören auf die Stimme Gottes.

Aber daneben gibt es noch zahlreiche andere Bereiche, Rollen und Berufe, in denen die Erwachsenen, die mit Jugendlichen zu tun haben, vielleicht auch ausgehend von ganz bestimmten Problemen, eine begleitende Funktion ausüben können, die die Reifung junger Menschen begünstigt oder zur Lösung von Problemen beiträgt: Man denke beispielsweise an die Rolle der Trainer beim Sport, an Menschen mit erzieherischen Aufgaben oder Arbeitsbereichen in bestimmten Institutionen (Haftanstalten, Aufnahme- und Beratungseinrichtungen verschiedener Art), oder an bestimmte Berufsgruppen (Ärzte, Psychologen, Lehrer etc.). Auch wenn diese Formen der Begleitung mit spezifischen, auch beruflichen, Profilen verbunden sind, so muss doch anerkannt werden, dass auch sie einen spirituellen Wert haben und eine Rolle innerhalb des Erkenntnisprozesses hin zur Berufung spielen können.

 

Begleitung bei der Interpretation der Zeichen der Zeit

 

128.         Die Jugendlichen werden von der sozialen Realität angesprochen, in der sie sich bewegen und die in ihnen oft starke Reaktionen auslöst, bei deren Interpretation sie Begleitung brauchen. Diese Begleitung kann zu einem Instrument werden, mit dessen Hilfe sich die Zeichen der Zeit identifizieren lassen, die der Heilige Geist den Jugendlichen und der Kirche zeigt. Die Wut junger Menschen angesichts von Korruption und zunehmender struktureller Ungleichheit, von Nichtachtung der Menschenwürde, Menschenrechtsverletzungen, Diskriminierung von Frauen und Minderheiten, organisierter Gewalt und Ungerechtigkeit scheint in den Antworten der BK nicht genügend berücksichtigt. In den christlichen Gemeinschaften scheint es an Räumen zu fehlen, in denen diese Probleme diskutiert werden könnten. In vielen Teilen der Welt sind die Jugendlichen von Gewalt umgeben, sei es als Täter oder als Opfer, und sind eine leichte Beute der Manipulation durch Erwachsene. Skrupellose Verantwortliche aus dem religiösen und politischen Umfeld wissen, wie sie die idealistischen Bestrebungen junger Menschen für ihre Zweck ausnutzen können. In anderen Gegenden lassen religiöse Verfolgung und Fanatismus sowie politische Gewalt die Hoffnung der Jugendlichen auf eine Zukunft in Wohlstand und Frieden schwinden. Auch dies sind Grenzen, an denen sich die prophetische Fähigkeit der Kirche zur Begleitung messen muss.

 

Begleitung im Alltag und der kirchlichen Gemeinschaft

 

129.         Und schließlich gibt es noch die Begleitung im täglichen Leben, die oft still vonstatten geht, deshalb aber nicht weniger wichtig ist; sie wird getragen von all denen, die mit ihrem Zeugnis das Leben auf ganz und gar menschliche Weise interpretieren. Ebenso grundlegend, auch was die Erkenntnis der Berufung anbelangt, ist die Begleitung durch die kirchliche Gemeinde insgesamt, die dank des Geflechts an Beziehungen, das sie erzeugt, einen bestimmten Lebensstil propagiert und sich denen zur Seite stellt, die sich auf den Weg zu ihrer eigenen Form der Heiligkeit machen. Ein DV schreibt hierzu: „Der individuelle Aspekt der Begleitung bei der Unterscheidung kann nur dann fruchtbar werden, wenn er in eine theologische Erfahrung christlicher Prägung eingebettet ist, die brüderlich und ihrerseits fruchtbar ist. Aus der Gemeinschaft entsteht das Geschenk seiner selbst, Voraussetzung zu einer richtigen Erkenntnis der Arten, wie es gelebt werden kann“.

 

Die Eigenschaften der Begleiter

 

130.         Wer begleitet, ist aufgerufen, das Geheimnis zu respektieren, das jeder Mensch in sich trägt, und darauf zu vertrauen, dass der Herr bereits in dem Betreffenden wirkt. Der Begleiter muss sich dessen bewusst sein, dass er ein Beispiel ist und Einfluss ausübt, mehr noch durch das, was er ist als durch das, was er tut und rät. Die tiefe emotionale Interaktion, die sich bei der spirituellen Begleitung ergibt – nicht zufällig spricht die Tradition von spiritueller Vater- und Mutterschaft, also von einer sehr tiefen, generativen Beziehung – erfordert von der begleitenden Person eine solide Ausbildung ebenso wie die Bereitschaft, vor allem an sich selbst zu arbeiten, sowohl unter spirituellem als bis zu einem gewissen Grad auch unter psychologischem Gesichtspunkt. Nur so kann der Begleiter wirklich von Nutzen sein, sowohl was das Zuhören, als auch was die Unterscheidung anbelangt, und die häufigsten Risiken vermeiden, die mit seiner Rolle verbunden sind, nämlich an die Stelle des Begleiteten zu treten, wenn es um dessen Selbsterforschung und Entscheidungen geht, die sexuelle Problematik zu leugnen oder zu verdrängen und schließlich, Grenzen zu überschreiten beim Aufbau einer unangemessenen und destruktiven Beziehung zu dem Menschen, den er auf seinem spirituellen Weg begleiten soll, bis hin zu tatsächlichem Missbrauch und der Schaffung von Abhängigkeiten. Wenn dies geschieht, so erzeugt es nicht nur Traumata bei den Beteiligten, sondern auch ein Klima von Misstrauen und Angst, in dem die Praxis der Begleitung nicht mehr ermutigt wird.

 

131.         Manche der BK sind sich bewusst, dass die Begleitung große Anforderungen an die persönlichen Qualitäten des oder der Begleitenden stellt: „Die Jugendlichen fordern […] wirkungsvolle, vertrauenswürdige und gläubige Begleiter, Nachahmer Christi, die ein wahrhaft glückliches Leben innerhalb ihrer Beziehung zu Gott und der Kirche führen”. Papst Franziskus erinnerte daran, dass der Begleiter Vertrauen erwecken und weise sein muss, ein Mensch, „der vor nichts Angst hat, der zuhören kann und die Gabe Gottes besitzt, das richtige Wort im richtigen Moment zu finden“ (Vorsynodale Versammlung, Antwort auf Frage Nr. 2).

 

132.         Die Jugendlichen der Vorsynode zeichnen ein präzises Profil des Begleiters: „[Er sollte] ein gläubiger Christ sein, der sich in der Kirche und in der Welt engagiert; ein Mensch auf der beständigen Suche nach Heiligkeit; ein Vertrauter, der nicht urteilt, sondern  aktiv die  Bedürfnisse junger Menschen anhört und ihnen in gleicher Weise antwortet; auch sollte er tiefe Liebe besitzen und sich seiner selbst bewusst sein, er sollte die Grenzen junger Menschen akzeptieren sowie die Freuden und Kümmernisse des spirituellen Weges kennen“ (VS 10). Besonders wichtig ist in ihren Augen, dass der Begleiter sich seiner eigenen Menschlichkeit und damit Fehlbarkeit bewusst ist: „Manchmal werden die Begleiter auf ein Podest gestellt, und wenn sie dann herunterfallen, kann der Schock dazu führen, dass sich junge Menschen nicht mehr in der Kirche engagieren wollen“ (VS 10). Und weiter: „Die Begleiter sollten junge Menschen nicht als ihre passiven Anhänger leiten, sondern neben ihnen gehen und ihnen erlauben, aktive Teilnehmer dieser Reise zu sein. Sie sollten die Freiheit respektieren, die für junge Menschen zum Prozess der Unterscheidung gehört und sollten sie mit den Werkzeugen ausstatten, die sie dazu befähigen, es gut zu machen.. Ein Begleiter sollte von ganzem Herzen glauben, dass junge Menschen am Leben der Kirche teilhaben können, und er sollte  den Samen des Glaubens in jungen Menschen nähren, ohne zu erwarten, sofort die Früchte des Wirkens des Heiligen Geistes zu sehen. Diese Rolle ist nicht und darf nicht auf Priester und Ordenspersonen  beschränkt sein. Auch Laien sollten befähigt werden, eine solche Rolle zu übernehmen. Alle Begleiter sollten gut ausgebildet sein und sich  kontinuierlich fortbilden“ (VS 10).

 

Die Begleitung von Seminaristen und jungen Ordenspersonen

 

133.         „Die persönliche Begleitung ist ein unentbehrliches Instrument  der Ausbildung“ (RFIS 44) der Seminaristen, aber das gleiche lässt sich auch in Bezug auf  die in Ausbildung befindlichen Ordensschwestern und -brüder sagen. Denn es handelt sich in erster Linie um einen Prozess der Erkenntnis der eigenen Berufung und um den Nachweis der Gnadengeschenke: Sowohl der Einzelne als auch die Kirche müssen sich der Überprüfung der getroffenen Entscheidungen unterziehen. Dazu ist es unerlässlich, dass die begleitende Person sich einen inneren Freiraum bewahrt: Jemandem vertrauen bedeutet, auf undurchsichtige Formen der Kontrolle zu verzichten, während die Entdeckung von Gelegenheiten zur Unterbrechung des Ausbildungsweges und die Hilfe bei der Suche nach  einer anderen Positionierung nicht a priori ausgeschlossen und auch nicht als Niederlage angesehen werden dürfen, auch nicht in Zeiten des Mangels an ordinierten Amtsträgern und an Ordenspersonen. Gleichzeitig stellt die Begleitung einen Dienst dar, der auf die menschliche und christliche Reifung der Auszubildenden  ausgerichtet ist, ebenso wie eine wahre Investition in diese Ausbildung, die darauf abzielt, Frauen und Männer mit den entsprechenden Qualitäten heranzuziehen, damit sie ihrerseits andere bei der Entdeckung und Befolgung ihrer Berufung begleiten.  Begleitung lernt man vor allem, indem man akzeptiert, begleitet zu werden.

 

134.         Die Erfahrung der Ausbilder zeigt, dass die Kandidaten für das Priesteramt und das geweihte Leben junge Menschen unserer Zeit sind, die mit ihren Altersgenossen die charakteristischen Züge ihre Kultur und ihrer Weltsicht teilen, angefangen bei der Allgegenwart der sozialen Medien und der digitalen Kommunikation. Die Begleitung muss auf eine Vertiefung des persönlichen  spirituellen Lebens und der apostolischen Energie abzielen und deutlich machen, dass auch Mühe, Enttäuschungen und Momente der Kälte mit einbezogen werden müssen. Dort, wo Schwierigkeiten auf psychologischer Ebene auftauchen, wird eine entsprechende Beratung Hand in Hand mit der spirituellen Begleitung sehr hilfreich sein. Gleichzeitig wird die geistliche Begleitung bemüht sein,  Verzettelung zu vermeiden und dem oder der Begleiteten zu helfen, in ihrem derzeitigen, wenngleich provisorischen, Lebensbereich Wurzeln zu schlagen und nicht in der ständigen Erwartung der Zeit zu leben, in der die Ausbildung beendet sein wird.  Die Begegnung mit dem Herrn spielt sich im Heute ab, auch für diejenigen, die in einer Ausbildungseinrichtung leben.

 

135.         Eine Herausforderung, vor die uns unsere Zeit in immer stärkerem Maße stellt, betrifft die Integration von Unterschieden. Besonders in den Bereichen der Ausbildung, wo Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen zusammenkommen, müssen die Jugendlichen bei der interkulturellen Auseinandersetzung an die Hand genommen werden, sodass sie sich darauf vorbereiten können, was das soziale Umfeld nach der Ausbildung von ihnen verlangen  wird. Einerseits sind junge Menschen zwar gern bereit zur Begegnung mit anderen Kulturen, haben andererseits aber auch tatsächliche Schwierigkeiten, sich mit dem Anderssein zu messen, kommen sie doch aus einer Gesellschaft, die starke Instrumente zur Immunisierung gegen die Diversität einsetzt und sie entweder leugnet oder sie zu uniformieren bzw. zu entwerten sucht

 

136.         Begleitung ist auch von grundlegender Bedeutung, wenn es darum geht,  die bisher zurückgelegten Wege und Hintergründe angemessen zu berücksichtigen, die sich heute immer differenzierter darstellen, was Eintrittsalter, Bildungsgrad, Ausbildungsgänge, frühere berufliche und emotionale Erfahrungen, sowie den kirchlichen Hintergrund (Pfarrgemeinde, Verbände, Bewegungen etc.) anbelangt. Die Begleitung ist ein Schlüsselinstrument zu einer wirklichen Personalisierung des Ausbildungsweges, das die Jugendlichen durchaus zu schätzen scheinen, während sie standardisierte Angebote vehement ablehnen. Dies kann auch für die spezifisch didaktische Begleitung während des Studiengangs zutreffen.

TEIL III

WÄHLEN:

WEGE DER PASTORALEN UND MISSIONARISCHEN VERÄNDERUNG

 

137.          Auf der Grundlage der in Teil II hervorgetretenen Interpretationselemente wollen wir uns nunmehr auf die Bestimmung der Perspektive, des Stils, der Vorgehensweise sowie der am besten geeigneten Instrumente konzentrieren, mit deren Hilfe die Kirche ihrer Aufgabe den Jugendlichen gegenüber am besten nachkommen kann, die darin besteht, dem Herrn zu begegnen, sich von Ihm geliebt zu fühlen und auf Seinen Ruf zur Freude der Liebe zu antworten. In dieser Dynamik der Unterscheidung und während sie sich anschickt, alle Jugendlichen zu begleiten, wird auch die Kirche selbst eine freudevolle Erneuerung ihrer apostolischen Energie erfahren – durch einen Weg der grundlegenden pastoralen und missionarischen Veränderung.

 

 

KAPITEL I

EINE GANZHEITLICHE PERSPEKTIVE

 

Die Unterscheidung als Stil einer Kirche im Aufbruch

 

138.       Bei seiner Begegnung mit den Jugendlichen zu Beginn der Vorsynoden-Versammlung, erklärte Papst Franziskus: „Die bevorstehende Synode wird auch ein Appell an die Kirche sein, eine erneuerte jugendliche Dynamik wiederzuentdecken. […] Auch in der Kirche müssen wir neue Formen der Anwesenheit und der Nähe erlernen“ (Ansprache an die vorsynodale Versammlung, 3). Eine BK hat es mit großer Deutlichkeit ausgedrückt: „Die jungen Menschen fordern von der Kirche eine grundlegende Änderung ihres Verhaltens, ihrer Ausrichtung und ihrer Praxis“. Und im Zuge der Beschreibung der Neuerungen, die sie gerade in ihrem Einzugsgebiet realisiert, schreibt eine andere: „Die wirkliche Frage hinter all diesen Versuchen betrifft ganz allgemein die Form der Kirche, die wir suchen und vorschlagen möchten: Die Formel „Kirche im Aufbruch“ bringt das allgemeine Problem gut auf den Punkt, aber wir sind noch auf der Suche nach Anweisungen für ihre konkrete Umsetzung“. Dies verlangt einen „entschiedenen Prozess der Unterscheidung, der Läuterung und der Reform “ (EG 30), und auch, dass den Jugendlichen ehrlich und sehr aufmerksam zugehört wird, denn sie sind mit Fug und Recht Teil des sensus fidei fildelium.

 

139.        Innerhalb dieser Perspektive bedeutet „wählen“ nicht, ein für allemal Antworten auf die aufgetretenen Probleme zu geben, sondern vor allem, konkrete Schritte zu unternehmen, damit wir als kirchliche Gemeinschaft immer effektivere Prozesse zur Erkenntnis unserer Mission in Gang setzen können. Im übrigen werden die Jugendlichen unser Angebot zur Begleitung bei der Erkenntnis, der Unterscheidung also, ihrer Berufung kaum für glaubhaft halten, wenn wir nicht beweisen, dass wir eine solche Unterscheidung auch im normalen Alltagsleben der Kirche praktizieren, sie zur anerkannten Vorgehensweise der Gemeinschaft machen und dann erst als Arbeitsinstrument einsetzen. Genau wie die Jugendlichen haben viele BK auf die Schwierigkeiten hingewiesen, sich in einer komplexen Welt zu orientieren, von der sie keine Landkarte besitzen. Vor diesem Hintergrund ist die Synode eine Übung darin, wie wir die Fähigkeit zur Erkenntnis, zur Unterscheidung, stärken können, die mit das Thema der Synode ist.

 

Volk Gottes in einer fragmentierten Welt

 

140.        Als ein „gemeinsam beschrittener Weg“ beinhaltet die Synode eine dringende Aufforderung, den Reichtum wiederzuentdecken, der die Identität der Kirche als „Volk Gottes“ auszeichnet, welche das prophetische Zeichen der Gemeinschaft in einer oft durch Zwietracht und Spaltung zerrissenen Welt ist. Diesem Volk „eignet die Würde und die Freiheit der Kinder Gottes, in deren Herzen der Heilige Geist wie in einem Tempel wohnt. Sein Gesetz ist das neue Gebot (vgl. Joh 13,34), zu lieben, wie Christus uns geliebt hat. Seine Bestimmung endlich ist das Reich Gottes“ (LG 9). Unter historischem Aspekt ist das Volk Gottes ein Volk mit vielen Gesichtern, denn es „nimmt in den Völkern der Erde Gestalt an, und jedes dieser Völker besitzt seine eigene Kultur“ (EG 115).  In diesem Volk ist der Heilige Geist „derjenige, der einen vielfältigen und verschiedenartigen Reichtum der Gaben hervorruft und zugleich eine Einheit aufbaut, die niemals Einförmigkeit ist, sondern vielgestaltige Harmonie, die anzieht“ (EG 117).  Diese dynamische Identität schiebt die Kirche in Richtung der Welt und macht sie zu einer missionarischen Kirche im Aufbruch, die nicht darum bemüht ist, „der Mittelpunkt“ (EG 49)  zu sein, sondern darum, in aller Demut ein Ferment auch jenseits der eigenen „Grenzen“ darzustellen, in dem Bewusstsein, dass sie nach den Gesetzen des Austauschs von Gaben etwas zu geben und etwas anzunehmen hat.

Innerhalb dieser Bewegung wird die Kirche den Dialog als Stil und Methode annehmen  und das Bewusstsein dafür fördern müssen, dass es in einer zwar komplexen, aber nicht fragmentierten Realität Bindungen und Verbindungen gibt; außerdem muss sie nach einer Einheit streben, die, ohne sich in Einförmigkeit zu verwandeln, den Zusammenfluss aller Teileinheiten ermöglicht und dabei doch die Originalität jeder einzelnen von ihnen ebenso bewahrt wie den Reichtum, den sie für das Ganze bedeutet. Keine Berufung, insbesondere keine innerhalb der Kirche angesiedelte, kann sich außerhalb dieser Dynamik von Aufbruch und Dialog stellen, und keine ersthafte Bemühung um Begleitung bei der Berufungserkenntnis kann darauf verzichten, sich an diesem Horizont zu messen, wobei den Ärmsten und Verwundbarsten besondere Aufmerksamkeit zuteil werden muss.

 

Eine generative Kirche

 

141.        Diese Dynamik des Aufbruchs, des Heraustretens aus sich selbst, um Leben zu geben und sich im Dienste der Möglichkeit zu verausgaben, dass alle, einzeln oder gemeinsam, die Freude der Liebe kennen lernen, kennzeichnet auch die Art, wie die Kirche die ihr übertragene Autorität ausübt, sodass sie tatsächlich generativ und damit Schöpferin von Einheit sein kann. Einigen Analysen zufolge ist Autorität, im etymologischen Sinn verstanden, die Fähigkeit, jede Kreatur „wachsen zu lassen“ (aus dem Lateinischen augeo, und von dort  auctor und auctoritas), und zwar in der Originalität, die der Schöpfer für sie gewollt und vorgesehen hat. Autorität auszuüben bedeutet also Verantwortung im Dienst der Freiheit zu übernehmen, nicht eine Kontrolle zu bewerkstelligen, die den Menschen die Flügel stutzt und sie in Ketten hält.

 

142.        Demzufolge kann Kirche nur gemeinsam mit den Jugendlichen „gemacht“ werden, nämlich indem wir ihnen wirklich die Hauptrolle zugestehen und ihnen nicht mit einer „Das war schon immer so“-Haltung begegnen. Eine solche Perspektive, die den pastoralen Stil und auch die Art, Organisation und Institution zu sein, bestimmt, steht im vollkommenen Einklang mit der Forderung nach Authentizität, die die Jugendlichen der Kirche gegenüber stellen. Sie erwarten Begleitung; nicht durch einen unbeugsamen Richter und auch nicht durch ängstliche Eltern, deren übermäßiger Beschützerinstinkt nur Abhängigkeit schafft, sondern durch jemanden, der keine Angst vor der eigenen Schwäche hat und der den Schatz zum Leuchten bringt, den er, ein „zerbrechliches Tongefäß“ (vgl. 2 Kor 4, 7) in sich trägt. Sonst wenden sie sich woanders hin, vor allem in einer Zeit, in der es an Alternativen nicht mangelt (vgl. VS 1.7.10).

 

143.        Um wirklich generativ zu sein, kann die Begleitung bei der Berufungserkenntnis nur eine ganzheitliche Perspektive annehmen. In der Tat ist Berufung niemals eine beginnende Entfremdung, sondern vielmehr der Kern, in dem alle Dimensionen der jeweiligen Person zusammenfließen, welche durch ihn erst fruchtbar gemacht werden: Ihre natürlichen Talente und ihr Charakter mit seinen Möglichkeiten und Grenzen, ihre tiefsten Leidenschaften und ihre durch Lernen erlangten Kompetenzen, die in jeder persönlichen Geschichte präsenten Erfolge und Misserfolge, und ihre Fähigkeit, eine Beziehung einzugehen, zu lieben und schließlich ihren Platz in einem Volk und einer Gesellschaft verantwortungsvoll einzunehmen. Daher misst sich der Dienst der Begleitung an einer Reihe von Elementen, die  nur scheinbar ungleichartig oder wenig spirituell anmuten, und er kann dabei nicht auf das Bündnis mit den Bildungseinrichtungen verzichten.

KAPITEL II

EINGEBUNDEN IN DEN ALLTAG

 

144.        Der Aufruf zur Freude und zum Leben in all seiner Fülle verortet sich immer innerhalb eines kulturellen Kontexts und in einem Umfeld von sozialen Beziehungen. Die Begleitung und Ausbildung, die die Jugendlichen wünschen, gilt den Umständen des täglichen Lebens, und sie wollen dabei die Protagonisten sein. Daher ist die Kirche aufgerufen, „hinauszugehen, zu sehen, zu rufen“ (VS III, 1, 3), d. h. Zeit zu investieren, um die Grenzen und Möglichkeiten der diversen kulturellen und sozialen Zusammenhänge auszuloten und sich an ihnen zu messen, um dort den Ruf zur Freude der Liebe in verständlicher Weise erklingen zu lassen. Gleichzeitig lassen die sozialen und zwischenmenschlichen Beziehungen des täglichen Lebens (Freundschaften, das Gefühlsleben, das Verhältnis zur Zeit und zum Geld etc.) Wünsche, Ideen und Emotionen hervortreten, die durch die Begleitung erkennbar und interpretierbar gemacht werden. Eine ganzheitliche Perspektive muss die Zusammenhänge, in denen sich das Leben der Jugendlichen abspielt, ebenso  mit einbeziehen wie die Notwendigkeit einer Veränderung der pastoralen Praktiken und den Ausbildungsbedarf der Begleiter.

 

145.        Die Erfahrungen bzw. die Begegnungen mit den menschlichen Schwächen, sei es den eigenen oder denen der anderen, einer Gruppe oder Gemeinschaft, einer Gesellschaft oder einer Kultur sind ebenso anstrengend wie wertvoll. Für die Jugendlichen kann dies die Gelegenheit sein, verborgene Ressourcen zu entdecken und sich Fragen auch im Hinblick auf die Berufung zu stellen, sodass sie nicht mehr ständig nach den kleinen Sicherheiten im Leben suchen müssen. Bei ihrer Begleitung wird auch die Kirche neue Grenzen und Ressourcen entdecken, mit deren Hilfe sie ihre Aufgabe erfüllen kann.  

 

Die Begleitung in Schule und Universität

 

146.        Fast alle BK betonen die Bedeutung, die Schule, Universität und andere Bildungseinrichtungen für die Begleitung der Jugendlichen bei ihrer Suche nach ihrem persönlichen Lebensprojekt und für die gesellschaftliche Entwicklung im allgemeinen haben. In vielen Gegenden sind sie der hauptsächliche, wenn nicht gar einzige erklärtermaßen nicht mit der Kirche verbundene Ort, an dem die Jugendlichen in Kontakt mit der Kirche treten. In manchen Fällen bilden sie sogar die Alternative zu den Pfarrgemeinden, die viele junge Menschen weder kennen noch besuchen. Auch die Jugendlichen der Vorsynode unterstreichen, wie wichtig das Engagement der Kirche in diesen Bereichen ist: „Die hier eingesetzten Ressourcen sind keinesfalls vergeudet, da sehr viele junge Menschen an diesen Orten den Großteil ihrer Zeit verbringen und oft mit Menschen unterschiedlicher sozialer und wirtschaftlicher Herkunft in Kontakt treten.“ (VS13). Insbesondere wird Aufmerksamkeit gefordert für die zahlreichen Jugendlichen, die die Schule abbrechen oder sie gar nicht erst besuchen können.

 

Wir brauchen einen ganzheitlichen Blick und eine ebensolche Ausbildung

 

147.        In vielen, auch katholischen, Schulen und Universitäten dienen Bildung und Ausbildung einem übertrieben utilitaristischen Ziel, sind viel eher auf den praktischen Nutzen der erworbenen Kenntnisse in der Arbeitswelt fokussiert als  auf das Wachstum der jungen Menschen. Technische und wirtschaftliche Kompetenzen müssen hingegen wieder als Teil einer ganzheitlichen Perspektive gesehen werden, deren Bezugsrahmen die „ökologische Kultur“ ist (vgl. LS 111) ist. Außerdem ist es notwendig, Intellekt und Verlangen, Vernunft und Gefühlsleben zusammenzubringen; wir müssen verantwortungsvolle Bürger ausbilden, die sich mit der Komplexität der heutigen Welt auseinandersetzen können und zum Dialog mit der Diversität fähig sind; wir müssen den Jugendlichen helfen, die spirituelle Dimension in ihre Studien und ihr kulturelles Engagement zu integrieren und sie befähigen, nicht nur persönliche Wege, sondern auch Richtlinien zugunsten des Allgemeinwohls und der Gesellschaft, deren Teil sie sind, zu erkennen.

 

148.        Eine solche ganzheitliche Konzeption der erzieherischen Aufgabe erfordert eine systemische Veränderung unter Einbeziehung aller Mitglieder der zu erziehenden Gemeinschaften sowie der materiellen, wirtschaftlichen und institutionellen Strukturen, deren diese sich bedienen. Lehrer, Professoren, Tutoren und alle am Erziehungsprozess Beteiligten, besonders aber diejenigen, die an den sozialen Brennpunkten im Einsatz sind, leisten einen wertvollen Dienst, für den die Kirche dankbar ist. Notwendig ist nun eine erneuerte Investition in ihre ganzheitliche Ausbildung, um die Wiederentdeckung bzw. die Wiederaneignung dessen zu fördern, was nicht weniger als eine echte Berufung ist: Sie sind nicht nur zur Vermittlung von Inhalten aufgerufen, sondern dazu, Zeugen der menschlichen Reife zu sein, indem sie generative Dynamiken spiritueller Vater- oder Mutterschaft ins Werk setzen, die die Jugendlichen befähigen, Subjekte und Protagonisten  ihres Abenteuers zu werden.

 

Spezifizität und Reichtum der katholischen Schulen und Universitäten

 

149.         Zahlreiche BK aus der ganzen Welt verleihen ihrer Anerkennung für die katholischen Schulen und Universitäten Ausdruck. Wie Papst Franziskus sagte, ist deren Ziel nicht Proselytenmacherei, sondern „die Jugendlichen, die Kinder in allen Bereichen des Lebens  voranzubringen, und einer dieser Bereiche ist die Transzendenz“ (Ansprache vor den Teilnehmern am Weltkongress der Kongregation für das katholische Bildungswesen, 21. November 2015). Damit sind sie zur Zusammenarbeit mit den anderen Bildungseinrichtungen in ihrem Einzugsgebiet aufgefordert; gleichzeitig wird aus dieser Perspektive deutlich, dass freie und offene Gesellschaften, in denen unterschiedliche Identitäten zum Dialog gebracht werden müssen, keinen Platz mehr für ideologische Abschottung haben.

 

150.         Ihrer Aufgabe treu zu bleiben, heißt für diese Institutionen, nicht nur für die Vermittlung der genannten Werte an die Schüler und Schülerinnen zu sorgen, sondern auch eine Kultur der  kontinuierlichen Bewertung und Selbstbewertung zu fördern. Jenseits aller abstrakten Erklärungen müssen wir uns fragen, wie sehr unsere Schulen die Jugendlichen darauf vorbereiten, ihre Schulbildung als eine Verantwortung für die Probleme der Welt, für die Bedürfnisse der Ärmsten und für den Schutz der Umwelt zu begreifen. Wie Papst Franziskus vor der Katholischen Universität von Portugal sagte, reicht es nicht, dass Universitäten die Wirklichkeit analysieren und beschreiben, sondern es ist notwendig, „Räume wahrer Forschung zu schaffen, Debatten, die Alternativen für die heutigen Probleme aufzeigen“ und „die moralische, geistliche und religiöse Dimension in ihre Forschung einzubinden.“ (Ansprache an die Gemeinschaft der Katholischen Universität Portugals, 26. Oktober 2017). Katholische Schulen und Universitäten sind aufgefordert, praktisch unter Beweis zu stellen, worin eine inklusive und integrale Pädagogik besteht (Anm. d. Ü: Entgegen dem italienischen Originaltext, der diesen letzten Satz als Teil der erwähnten Ansprache von Papst Franziskus wiedergibt, ist dieser dort nicht vorhanden und wurde daher auch nicht als Zitat gekennzeichnet, sondern gesondert von mir übersetzt).

 

151.        Vor allem für Universitäten, Fakultäten und kirchliche Bildungsinstitute – aber analog dazu auch für alle katholischen Schulen und Universitäten – ist es wichtig, sich an einige Kriterien der Inspiration zu halten, als da sind: die geistliche, intellektuelle und existenzielle Kontemplation des Kerygma; der Dialog auf allen Gebieten; eine gekonnt und kreativ eingesetzte Interdisziplinarität und die dringende Notwendigkeit, „sich zu vernetzen“ (vgl. VG 4).

 

Wirtschaft, Arbeit und die Pflege des gemeinsamen Hauses

 

Auf der Suche nach neuen Entwicklungsmodellen

 

152.        Die Begleitung zur vollen menschlichen Reife beinhaltet auch die Pflege des gemeinsamen Hauses. Dies verlangt auch von der Kirche und ihren Institutionen, sich eine Perspektive der Nachhaltigkeit zu eigen zu machen und entsprechende Lebensweisen zu propagieren. Dazu gehört auch, die heute vorherrschenden Reduktionismen (das technokratische Paradigma, die Anbetung des Profits etc.) zu bekämpfen: In Laudato Si’ werden wir aufgefordert, darauf zu vertrauen, dass ökologische Veränderung möglich ist. Damit eine Dynamik der dauerhaften Veränderung zustande kommt, muss dies nicht nur die individuellen Entscheidungen einschließen, sondern auch die der Gemeinschaften und der Gesellschaft, und es muss ein bestimmter Druck auf die politischen Verantwortlichen ausgeübt werden. Dazu ist der Beitrag der Jugendlichen unerlässlich, wie eine afrikanische BK schreibt: „Viele Kirchenverantwortliche erkennen den Dynamismus der Jugendlichen unseres Landes, ebenso wie ihr verantwortungsvolles Engagement in der Kirche und der Sozialpolitik“. Förderung der Nachhaltigkeit bedeutet eine Aufforderung an die Jugend, ihre intellektuellen Ressourcen, ihre beim Studium verschiedener Fachgebieten erworbenen Kenntnisse in dieser Richtung einzusetzen und ihre Berufswahl an dieser Zielvorgabe auszurichten.

 

153.        Entscheidend ist dabei der Beitrag, den die Kirche bei der Erarbeitung einer Spiritualität leisten kann, die den Wert der kleinen Gesten zu schätzen weiß und sicherstellen kann, dass Entscheidungen nicht mehr nach dem Diktat der Wegwerfkultur getroffen werden. Papst Franziskus sagt: „Alle christlichen Gemeinschaften bei dieser Erziehung haben eine wichtige Rolle zu erfüllen. Ich hoffe auch, dass in unseren Seminaren und den Ausbildungsstätten der Orden zu einer verantwortlichen Genügsamkeit, zur dankerfüllten Betrachtung der Welt und zur Achtsamkeit gegenüber der Schwäche der Armen und der Umwelt erzogen wird“ (LS 214).

 

Die Arbeit angesichts der technologischen Innovationen

 

154.        Die Innovationsprozesse der digitalen und Informationswissenschaften und ihre Durchdringung aller Produktionsbereiche erzeugen das als „Industrie 4.0“ bekannte Phänomen, das auch die Arbeitswelt stark beeinflusst. Die christlichen Gemeinden sind aufgerufen, sich innerhalb ihrer Aufgabe der Erziehung und Begleitung Jugendlicher  verstärkt diesen Fragen zuzuwenden. In einem Szenario, das durch kontinuierlichen Wandel ebenso gekennzeichnet ist wie durch die Unmöglichkeit, heute ein Profil der Kenntnisse zu erstellen, die morgen gebraucht werden, und durch das Risiko, dass diejenigen, die sich nicht anpassen, außen vor bleiben werden, treten Ausbildung und Begleitung als mit besonders großer Verantwortung besetzte Bereiche hervor: Wir müssen darauf hinarbeiten, dass die Begabungen aller jungen Menschen ihren Ausdruck finden können, und dass niemand zurückgelassen oder als nutzlos angesehen wird. Ziel ist, dass die Entwicklung der beruflichen Kompetenzen sowie der Fähigkeit, der eigenen Arbeit einen Sinn zu geben und das Recht aller auf eine würdige Arbeit zu verteidigen, mit der technologischen Erneuerung Schritt halten können. Die jungen Generationen können mit ihrem Realitätsansatz einen wichtigen Beitrag zur Schaffung einer menschlicheren Arbeitswelt leisten: eine Kultur der Zusammenarbeit und des Respekts vor den Unterschieden und ihrer Inklusion, Teamfähigkeit, Harmonisierung von Beruf und anderen Lebensbereichen.

 

Mitarbeit an der Schaffung der Beschäftigung für alle

 

155.          Zur Förderung eines neuen Wirtschaftsmodells müssen Alternativen begünstigt werden, die spontan in den Vorstädten entstehen und durch Gruppen bewerkstelligt werden, die unter den Folgen der Wegwerfkultur leiden, jedoch solidarische Werte und Praktiken bewahrt haben, die anderswo verloren gegangen sind. Will man diese Erfahrungen und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen besonders für die Jugendlichen und besonders in Gegenden mit hoher Jugendarbeitslosigkeit unterstützen, so müssen vor allem Ressourcen geschaffen werden. Wie aus mehreren der eingegangenen Beobachtungen hervorgeht, fordert man in manchen Ländern die Erarbeitung von Vorgehensweisen, mit deren Hilfe die Kirche sich an derartigen Vorhaben durch den Einsatz ihrer Vermögenswerte (Grund- und Immobilienbesitz, Kunst) beteiligen kann: Im Verein mit unternehmerischen Maßnahmen und Projekten für die Jugendlichen würden diese neuen Wert gewinnen und tatsächlich, über den einfachen wirtschaftlichen Nutzen hinaus, „generativ“ im sozialen Sinne werden.

 

Im Herzen der Jugendkulturen

 

Ausbildung zum aktiven Bürger und Hinführung zur Politik

 

156.          Manche BK weisen auf die Empfänglichkeit der Jugendlichen gegenüber sozialethischen Themen hin (Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden, Umweltschutz, Politik), die begleitet, unterstützt und ermutigt werden muss. Das Gebot der Liebe enthält eine intrinsisch soziale Indikation, die Solidarität mit den Armen und Engagement für den Aufbau einer weniger korrupten und gerechteren Gesellschaft mit einschließt. Soziales und politisches Engagement sind, zumindest für einige, eine echte Berufung, deren Reifung auch unter geistlichem Gesichtspunkt begleitet werden muss. In jedem Fall darf sich der Prozess der Berufungserkenntnis nicht nur auf die Suche nach dem jeweils eigenen Platz in der Welt konzentrieren, sondern muss auch auf kreative Weise den spezifischen Beitrag thematisieren, den jede und jeder zum Gemeinwohl zu leisten aufgerufen ist.

 

157.         Das soziale Engagement bringt für viele Jugendliche die (Wieder)Entdeckung ihres Interesses am christlichen Glauben mit sich. Daneben ist der Einsatz für Gerechtigkeit und für wirtschaftlich Schwache eine Gelegenheit zur Begegnung und zum Dialog auch mit Menschen, die nicht gläubig sind oder einen anderen Glauben praktizieren. Viele BK nutzen oder suchen neue Arten, wie junge Menschen zum sozialen und poltischen Engagement hingeführt werden können, was vor allem durch die zu fördernde Partizipation und die Übernahme von Verantwortung seitens der Jugendlichen und durch ihre Auseinandersetzung mit der Peer Group bewerkstelligt werden kann. Verschiedene Elemente erweisen sich hier als besonders bedeutungsvoll: Anerkennung der beruflichen Kompetenzen und Studiengänge der Jugendlichen, indem wir ihnen Gelegenheiten zum Protagonismus schaffen; das Angebot, konkrete Erfahrungen zu sammeln, nämlich durch den Dienst an den Benachteiligten und den Kontakt mit Realitäten außerhalb des eigenen sozialen Umfelds; Ermutigung zu internationalen Erfahrungen und zum Engagement beim Umwelt- und Naturschutz; die Bereitstellung von Parametern zur Interpretation und Bewertung von Zusammenhängen, ausgehend von einem besseren Verständnis der kirchlichen Soziallehre – deren Wert auch die VS unterstreicht (vgl. VS 3) – und der ganzheitlichen Ökologie; Förderung einer Spiritualität der Gerechtigkeit durch Aufwertung der Bibel als Instrument zur Interpretation der sozialen Dynamiken; Unterstützung bei der Änderung des Lebensstils, indem wir den Gesten des Alltags mehr Geltung verschaffen, ohne die strukturelle und institutionelle Dimension aus den Augen zu verlieren.

 

158.        Darüber hinaus sind die Jugendlichen im allgemeinen äußerst empfänglich für den Kampf gegen Korruption und das Problem der Diskriminierung. In diesem Zusammenhang weist die Vorsynode nachdrücklich darauf hin, dass „die Kirche eine entscheidende Rolle dabei spielen kann, sicherzustellen, dass diese jungen Menschen nicht ausgegrenzt werden, sondern sich akzeptiert fühlen“ (VS 5) und nennt als erstes die Unterstützung der Würde der Frau. Gesellschaften mit immer mehr multikulturellen Zügen, gekennzeichnet von Migration und der Anwesenheit ethnischer, kultureller oder religiöser Minderheiten, erfordern die Bereitstellung von Verfahrensweisen, die bei der Bekämpfung von Vorurteilen und bei der Überwindung der verschiedenen Formen von Diskriminierung aufgrund von Rassen- oder Klassenzugehörigkeit helfen.   

 

159.        Im Hinblick auf das soziale und bürgerliche Engagement hat die Vorsynode noch andere Bereiche genannt, denen es Aufmerksamkeit zu schenken gilt. Der erste unter ihnen betrifft die Jugendlichen, die bei den Streitkräften oder der Polizei Dienst tun: Sie müssen Hilfe erhalten bei der Aneignung bestimmter Werte und bei der Erkenntnis, dass ihre Funktion im Dienst an der Bevölkerung besteht, was unter manchen Umständen besonders deutlich wird (Friedensmissionen, Umweltkatastrophen etc.). Ein zweites Aufgabenfeld betrifft die Jugendlichen, die Erfahrungen im Vollzeit-Dienst machen, der weltweit unterschiedliche Bezeichnungen hat (Zivildienst, gap year, Soziales Jahr etc.): Wie die Vorsynode betont, ist diese Zeit oft auch zielführend bei der Erkenntnis der Berufung (vgl. VS 15). Die solchermaßen engagierten Jugendlichen als billige Arbeitskräfte anzusehen und ihnen Aufgaben zu übertragen, die sonst niemand erledigen kann oder will, ist eine Gefahr, die es unbedingt zu vermeiden gilt.

 

Lernen, in der digitalen Welt zu leben

 

160.        Sowohl viele BK als auch die vorsynodale Versammlung sind sich bewusst, dass die Frage der Begleitung hin zu einem bewussten Umgang mit den digitalen Technologien mit Entschiedenheit angegangen werden muss. Die Vorsynode hat einen Weg vorgeschlagen: „Erstens sollte die Kirche, die sich um einen Dialog mit jungen Menschen bemüht, ihr eigenes Verständnis von Technologie erweitern, um uns bei ihrer maßvollen Nutzung begleiten zu können. Darüber hinaus sollte Kirche die Technologie – insbesondere das Internet – als fruchtbares Terrain für die Neuevangelisierung ansehen.  […] Zweitens sollte die Kirche das weit verbreitete Problem der Pornographie ansprechen, ebenso wie den Online-Kindesmissbrauch und das Cyber-Mobbing und den Schaden, den sie uns unter menschlichem Gesichtspunkt zufügen“ (VS 4).

 

161.        Viele BK erkennen die Möglichkeiten des Internet als Instrument zur Kontaktaufnahme, sowohl für die Pastoral als auch für die Berufungserkenntnis, besonders dort, wo die Kirche aus verschiedenen Gründen Mühe hat, die Jugendlichen mit anderen Mitteln zu erreichen. In diesem Sinne sollten die Kenntnisse der digital natives auch innerhalb der Kirche zur Anwendung kommen. Noch kaum anerkannt ist hingegen die Tatsache, dass  die sozialen Medien und das digitale Universum überhaupt nicht nur Instrumente sind, die in der Seelsorge eingesetzt werden können und auch nicht nur eine virtuelle Welt repräsentieren, die neben und mit der realen existiert, sondern dass sie einen Ort des Lebens mit einer eigenen Kultur darstellen, den es zu evangelisieren gilt. Denken wir nur an die Videogames, ein Ambiente, das in einigen Ländern eine ungeheure Herausforderung für die Gesellschaft wie für die Kirche darstellt, da sie in den Jugendlichen eine bedenkliche Vorstellung vom Menschen und der Welt entstehen lässt, in der die zwischenmenschlichen Beziehungen ganz eindeutig durch Gewalt gekennzeichnet sind.

 

Die Musik zwischen Innerlichkeit und Behauptung der Identität

 

162.        Von allen künstlerischen Ausdrucksformen ist die Musik ganz besonders mit der Dimension des Zuhörens und der Innerlichkeit verbunden. Ihr Einfluss auf den emotiven Bereich kann auf dem Weg zur Berufungserkenntnis dienlich sein. Außerdem ist die Art der Musik, die die Jugendlichen hören, ein Element zur Definition ihrer Identität, vor allem im sozialen Bereich. Hier wäre Raum für eine Musikproduktion, die bei der Entwicklung der Spiritualität hilft. Daneben besteht die Notwendigkeit, Gesang und Musik auch im Leben der Gemeinschaft und auf ihrem Glaubensweg zu pflegen, wie es in manchen Regionen auch bereits getan wird. Einige Jugendliche fühlen sich von der Musik der verschiedenen christlichen Traditionen angezogen (wie etwa dem Gregorianischen Gesang, der Gesangstradition des orthodoxen Mönchstums oder dem Gospel). Andererseits fördern Stücke, die der kommerzielleren zeitgenössischen Musikproduktion  nachempfunden sind, kaum die innere Sammlung und das innere Zuhören. Manche BK weisen darauf hin, dass andere Konfessionen und Religionen auch für katholische Jugendliche attraktiv sein können, und zwar dank der einfacheren und direkteren Sprache einer „lebhaften Musik von hoher Qualität“.

 

163.        Mit besonderer Aufmerksamkeit sollten wir auch auf die großen Musikevents schauen und Gelegenheiten zur Wiederentdeckung des wahrhaft festlichen und gesellschaftlichen Werts der Musik fördern, angefangen bei Produktionen, die die Jugendlichen selbst als qualitativ hochwertig ansehen. Die Weltjugendtage und die großen nationalen und internationalen Veranstaltungen könnten auch die Gelegenheit sein für ein alternatives Verständnis solcher großen Events, wenn nämlich die Musik in ein kirchliches Programm der Begegnung für Jugendliche eingebunden wird.

 

Sport und Wettbewerb

 

164.        Angesichts des Einflusses, den Sport ausübt, empfinden viele BK die Notwendigkeit, ihn unter erzieherischen und pastoralen Gesichtspunkten zur Geltung zu bringen. Die Pflege und Disziplinierung des Körpers, die Mannschaftsdynamik, die ganz im Zeichen der Zusammenarbeit steht, der Wert des Fairplay und der Beachtung von Regeln, die Bedeutung von Opfergeist, Großzügigkeit, Zugehörigkeitsgefühl, Leidenschaft und Kreativität machen den Sport zu einer viel versprechenden erzieherischen Gelegenheit, den Weg zu einer einheitlichen Persönlichkeit zu finden. Erfolg und Misserfolg setzen emotionale Dynamiken frei, die zur Arena werden können, wo Unterscheidung und Erkenntnis trainiert werden. Damit dies geschieht, müssen den Jugendlichen Angebote zum gesunden Wettbewerb gemacht werden, abseits des Verlangens nach Erfolg um jeden Preis, wo sich die Anstrengung des Trainings in eine Gelegenheit zur inneren Reifung verwandelt. Wir brauchen daher Sportvereine – und besonders solche, die sich an der Kirche orientieren –, die wirklich erzieherische Gemeinschaften im umfassenden Sinn sein wollen und nicht nur Zentren, wo Dienstleistungen angeboten werden. Daher ist eine Förderung des Bewusstseins der Trainer, Techniker und Leiter für ihre  erzieherische Rolle von grundlegender Wichtigkeit, und wir müssen ihre kontinuierliche Weiterbildung sicherstellen. Des weiteren wäre es opportun, auch abgesehen von der rein sportlichen Seite über eine Neugestaltung der Orte mit Erziehungsauftrag  nachzudenken, sodass gegenseitige Anerkennung ebenso gefestigt wird wie das soziale Gewebe und die innergemeinschaftlichen Bindungen, vor allem im interkulturellen Bereich.

 

Freundschaft und Begleitung in der Peer Group

 

165.         Es ist wichtig, dass wir die Gruppe der Gleichaltrigen anerkennen als ein Instrument zur Emanzipation von der Familie, zur Konsolidierung der Identität und der Entwicklung zwischenmenschlicher Kompetenzen. Von großer Bedeutung ist die Freundschaft als Katalysator des Wachstums, ebenso wie gemeinsam erlebte Freizeit oder Ferien und die Gelegenheiten, bei denen die Jugendlichen ihrerseits zu Begleitern ihrer Altersgenossen oder auch jüngerer Kinder werden: So entdecken sie die Schönheit der Verantwortung und finden Geschmack am Dienst. Das Band der Gemeinschaft, die gemeinsamen Bezugspunkte, das leichte Sich-Wiedererkennen im anderen und die problemlose Kommunikation sind die Elemente, auf denen der Erfolg der Maßnahmen im Zeichen der Peer Education und der durch diese zustande kommenden „Lerngemeinschaften“ beruht. Sie sind besonders nützlich, wenn sie Fragen betreffen, bei denen das Wort der Erwachsenen als weit entfernt und wenig glaubhaft wahrgenommen wird (Sexualität, Prävention von Abhängigkeiten etc.) und daher weniger geeignet sind, eine Änderung der Verhaltensweisen hervorzurufen.

 

Nähe und Unterstützung in Entbehrung und Ausgrenzung

 

Behinderung und Krankheit

 

166.         Im Leben vieler Jugendlicher zeichnet der Schmerz Körper und Seele in unvorhersehbarer und unverständlicher Weise. Krankheiten und psychische Leiden, eingeschränkte sensorische und physische Fähigkeiten können die Hoffnung zum Erlöschen bringen und das Gefühls- und Sexualleben in einen Quell des Leidens verwandeln. Wie ein Jugendlicher mit Behinderung auf der vorsynodalen Versammlung sagte: „Man ist niemals wirklich auf ein Leben mit Behinderung vorbereitet; das bringt einen dazu, sein Leben infrage zu stellen, sich über seine Endlichkeit Gedanken zu machen“. Aber auch die Jugendlichen, die sich in solchen Situationen wiederfinden, sind aufgefordert herauszufinden, was der Ruf zur Freude und zur Mission für sie bedeutet – „Wie kann man die Freude des Evangeliums überbringen, wenn das Leiden an der Tagesordnung ist?“ – und ihre inneren Kräfte zu entdecken: „Ich mag ein Recht zu weinen haben, aber ich habe die Pflicht, zu kämpfen und zu lieben“. Diese jungen Menschen zählen auf die Hilfe ihrer Altersgenossen, aber sie zeigen ihnen auch, wie man sich an Grenzen misst und helfen ihnen dabei, an Menschlichkeit zu gewinnen. Besonders hilfreich sind Bewegungen und Gemeinschaften, die Jugendliche mit Krankheiten oder Behinderungen integrieren, ihre Familien unterstützen und damit dem positiven Beitrag Sichtbarkeit verleihen, den diese jungen Menschen für andere Jugendlichen und für alle zu leisten imstande sind. Eine von der Freude des Evangeliums beseelte Gemeinschaft hat unzählige kreative Möglichkeiten, zu einer echten Alternative zur Entbehrung zu werden. In manchen Regionen, vor allem in Afrika, werden schon neue Wege der Jugendpastoral zur Integration von HIV-infizierten oder bereits an AIDS erkrankten Jugendlichen beschritten.

 

Abhängigkeiten und anderweitige Verwundbarkeit

 

167.          Der Konsum von Drogen, Alkohol und anderen bewusstseinsverändernden Substanzen, ebenso wie sonstige alte und neue Abhängigkeiten, machen viele Jugendliche zu Sklaven und bedrohen ihr Leben. Manche von ihnen können jedoch durchaus die Gelegenheit für einen Neustart finden, auch dank entsprechender Einrichtungen wie Betreute Wohngemeinschaften, Fachkliniken und therapeutische Gemeinschaften. Diese Jugendlichen müssen dabei begleitet werden, ihre Irrtümer zu erkennen und zu unterscheiden, wie sie ihre Schritte in eine andere Richtung lenken können; auch müssen sie Unterstützung bei der Wiedereingliederung in eine Gesellschaft erhalten, die oftmals dazu tendiert, sie zu stigmatisieren und auszugrenzen. Hier ist das Engagement mancher kirchlichen Einrichtungen wirklich bemerkenswert und verdient die Unterstützung aller christlichen Gemeinden, die der Versuchung zur Abschottung widerstehen müssen. Sehr wichtig ist hierbei die Ausbildung – auch unter spirituellem Gesichtspunkt – der Mitarbeiter und Freiwilligen, die in diesen Einrichtungen arbeiten. Deren Einsatz muss jedoch Hand in Hand mit einer Kultur der Vorsorge gehen, und als Kirche müssen wir Stellung beziehen im Kampf gegen Drogenhändler und alle, die auf die Mechanismen der Abhängigkeit spekulieren.

 

Mit den jugendlichen Häftlingen

 

168.       Die Resozialisierung jugendlicher Häftlinge erfordert ihre Einbindung in personalisierte Projekte, wo mithilfe von erzieherischen Maßnahmen eine Neubewertung ihrer Erfahrungen ebenso ins Werk gesetzt werden kann wie die Anerkennung begangener Fehler, die Versöhnung mit erlittenen Traumata und der Erwerb sozialer und beruflicher Kompetenzen in Erwartung der Wiedereingliederung. Die spirituelle und religiöse Dimension kann dabei eine große Rolle spielen, und die Kirche dankt allen, die sich darum bemühen, sie in den Haftanstalten gegenwärtig zu halten (Gefängnisgeistliche, Ehrenamtliche etc.) und den Gefangenen gegenüber die Rolle des Begleiters annehmen. Sie bitten im übrigen darum, einen Weg zu finden, dass die Synode auch die jugendlichen Häftlinge mit einbeziehen und ihnen Hoffnung geben möge. Nicht zu unterschätzen ist auch hier die Bedeutung der – menschlichen und beruflichen – Ausbildung und der Begleitung derer, die in Haftanstalten arbeiten (Wachpersonal, Psychologen, Erzieher etc.) und sich oftmals mit extrem komplexen und schwierige Situationen konfrontiert sehen.

 

In Situationen von Krieg und Gewalt

 

169.        Viele Jugendliche auf der Welt leben im Zeichen von Krieg und kriegerischen Auseinandersetzungen verschiedener Intensität. Manche werden zwangsrekrutiert oder durch Manipulation in paramilitärische Gruppierungen oder bewaffnete Banden gezwungen, während zahlreiche junge Frauen Vergewaltigung und Missbrauch erleben müssen. Diejenigen, die überleben, leiden an den Folgeschäden auch psychologischer und sozialer Art. Im allgemeinen behindert das Aufwachsen im Umfeld großer Gewalt den persönlichen Reifeprozess, der erzieherische Anstrengung und eine spezifische Begleitung erfordert, vor allem, was den Wiederaufbau von Beziehungsfähigkeit und die Überwindung der erlittenen seelischen Erschütterungen anbelangt. Diesen Elementen müssen wir Rechnung tragen auch im Hinblick auf die Erkenntnis der Berufung und die Wege, die zu ihr führen, denn der Aufruf zur Freude richtet sich auch an diese jungen Menschen. Ebenso wichtig sind die Wege hin zur Versöhnung auf lokaler und nationaler Ebene, denn sie bieten einen Kontext, in dem die Jugendlichen, die solch brutale Gewalt erlebt haben, neue und wertvolle Energien finden und weitergeben können, mit deren Hilfe sich Gräben, Groll und Rachegefühle überwinden lassen.

 

Junge Migranten und Willkommenskultur

 

170.        Die kontinuierlich ansteigende Zahl von Migranten und Flüchtlingen, und insbesondere der Zustand der Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung, machen die Definition rechtlicher Leitlinien zum Schutz ihrer Würde und Handlungsfähigkeit notwendig; gleichzeitig müssen Wege zu ihrer Integration in die aufnehmende Gesellschaft gefunden werden. In diesem Zusammenhang sind die von vielen kirchlichen Organen eingeleiteten Initiativen und die Einbeziehung der gesamten Christengemeinde sehr wichtig. Die Begleitung junger Migranten erster und zweiter Generation mit dem Ziel, dass sie ihren Weg zur Freude ebenso finden wie Möglichkeiten, zur gesellschaftlichen Entwicklung beizutragen, stellt hinsichtlich der Berufungserkenntnis eine besondere Herausforderung dar, denn hier muss der interkulturellen Dimension Rechnung getragen werden. Große Sensibilität und besondere Aufmerksamkeit sollten der Begleitung von Paaren zugrunde liegen, wo die Partner aus verschiedenen Kulturen bzw. Religionszugehörigkeiten stammen; das gleiche gilt für Migranten, die sich zum Priesteramt oder zum Ordensleben berufen fühlen. Dort, wo verschiedene Kulturen innerhalb der christlichen Gemeinschaft zusammenkommen, ist die gesamte Pastoral, also auch die Jugendpastoral aufgefordert, jegliche Form der Ausgrenzung zu vermeiden und wirkliche Gelegenheiten zur Begegnung zu schaffen.

 

Im Angesicht des Todes

 

171.       Nicht selten haben wir es leider mit der Todeserfahrung von Jugendlichen zu tun, auch mit jungen Menschen, die gemordet haben. In diesem Bereich sind die Mütterlichkeit der Kirche und ihre Fähigkeit zum Zuhören und zur Begleitung von entscheidender Bedeutung. Der Tod ist manchmal der Schlusspunkt des Scheiterns einer Welt, einer Gesellschaft oder einer Kultur, die junge Menschen falsche Hoffnungen macht, sei ausbeutet und schließlich wegwirft; in anderen Fällen ist er die traumatische Begegnung mit dem Lebensende, hervorgebracht durch Krankheit und das Mysterium des Leidens. Und dann gibt es die verstörende Erfahrung des Selbstmords junger Menschen, der in vielen Menschen Verletzungen hervorruft, die nur schwer heilen werden; in wieder anderen Situationen erleben wir, dass junge Menschen wegen ihres Glaubens sterben müssen – ein wahres Martyrium und ein prophetisches, fruchtbares Zeugnis der Heiligkeit. Doch der Tod, besonders aber der von Jugendlichen, ist in allen Fällen eine Instanz, vor der wir alle uns Fragen über die Letzten Dinge stellen. Da diese Erfahrung für die Kirche immer wieder Anstoß zur erneuten Auseinandersetzung mit dem Tode und der Auferstehung Christi ist, fragen sich viele BK, wie der Tod junger Menschen zum Anlass für die Verkündung des Evangeliums und eine Aufforderung an alle zur Konversion werden kann.

 

Begleitung und Verkündigung

 

172.       Jeder, der in einem der vielen Bereiche (Sozialarbeit, Erziehung, Seelsorge) arbeitet, in denen Begleitung stattfindet, kann bezeugen, dass jeder junge Mensch das Bild des Schöpfers unauslöschlich in sich trägt und dass der Geist im Herzen eines jeden von ihnen spricht, auch wenn sie Ihn nicht hören können oder wollen. Die Kirche ist aufgerufen, am Werk Gottes mitzuarbeiten und Wege anzubieten, die den Jugendlichen dabei helfen, das Leben als Geschenk anzunehmen und gegen die Wegwerf- und Todeskultur zu kämpfen. Dies ist integraler Bestandteil des Verkündigungsauftrags der Kirche: „Aber er sagte zu ihnen: „Das Angebot ist das Reich Gottes (vgl. Lk 4,43); es geht darum, Gott zu lieben, der in der Welt herrscht. In dem Maß, in dem Er unter uns herrschen kann, wird das Gesellschaftsleben für alle ein Raum der Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit, des Friedens und der Würde sein“ (EG 180). Eben deshalb kann die Kirche nicht nur eine NGO oder eine wohltätige Einrichtung sein; ihre Mitglieder dürfen das Bezeugen von Jesu Namen nicht verweigern (vgl. EN 22), da ihr Werk eine beredtes Zeichen Seiner Liebe sein soll, die teilt, begleitet und verzeiht.

 

173.           Der Aufruf zur Freude kann im Zuge jeder Begleitung verbreitet werden; sie kann also auch den Boden bereiten für die Verkündung der Osterbotschaft und die Begegnung mit dem gestorbenen und wieder auferstandenen Christus: Ein Kerygma, das „die erlösende Liebe Gottes zum Ausdruck bringen [muss], die jeder moralischen und religiösen Pflicht vorausgeht, sie darf die Wahrheit nicht aufzwingen und muss an die Freiheit appellieren, sie muss freudig, anspornend und lebendig sein und eine harmonische Gesamtsicht bieten“ (EG 165). Gleichzeitig ist jede Begleitung auch eine Gelegenheit des Wachstums im Glauben, für den Gläubigen ebenso wie für die Gemeinschaft, der er angehört. Daher ist die wichtigste Anforderung an den guten Begleiter, dass er selbst schon die „Freude der Liebe“ erfahren habe, die Falschheit und weltliche Befriedigungen demaskiert und das Herz mit dem Wunsch erfüllt, diese Freude auch anderen mitzuteilen.

 

174.       Diese evangelische Unrast bringt uns von der Versuchung ab, in den Jugendlichen Schuldgefühle für ihre Entfernung von der Kirche zu wecken oder uns darüber zu beklagen; vielmehr sollten wir, wie es mehrere BK bereits tun, von einer „Entfernung der Kirche von den Jugendlichen“ sprechen: Die Kirche muss Veränderung möglich machen, ohne ihren eigenen fehlenden Schwung bei der Anleitung  und ihre apostolische Zögerlichkeit anderen zur Last zu legen. In vieler Hinsicht bleibt die Überwindung des „Jona-Syndroms“ (vgl. GE 134) ein Ziel, das noch zu verwirklichen ist. Gesandt, um den Bewohnern Ninives die Barmherzigkeit Gottes zu verkünden, flieht der Prophet Jona, weil sein Herz nicht die Absicht teilt, die das Herz Gottes bewegt. Die wirkliche Frage hinter des Geschichte des Jona ist, wer die mit der Evangelisierung Beauftragten evangelisiert und wie christlich die Gemeinschaft der Gläubigen tatsächlich ist, denn nur eine evangelisierte Gemeinde kann auch selbst evangelisieren.

KAPITEL III

EINE EVANGELISIERTE UND EVANGELISIERENDE GEMEINSCHAFT

Die christliche Gemeinschaft als evangelische Vorstellung

 

175.           Im Verlauf des ISJ wurde deutlich, dass die Jugendlichen die Gemeinschaftserfahrung nach wie vor als wesentlich ansehen: Einerseits sind sie zwar „allergisch gegen die Institutionen“, andererseits aber suchen sie nach bedeutungsvollen Beziehungen in „authentischen Gemeinschaften“ und wünschen sich persönlichen Kontakt mit „strahlenden, authentischen Zeugen“ (vgl. VS 1.5.10). Viele BK gaben ihrem Wunsch Ausdruck, die Synode möge den offenen und inklusiven Charakter der Kirche stärker betonen, die ja aufgerufen ist, bei der Begleitung der Jugendlichen nicht nur auf die Wahrung und Vollständigkeit der Verkündigung zu achten, sondern auch darauf, sie in gradueller Form zu verbreiten, die den Rhythmus des Reifeprozesses junger Menschen berücksichtigt, eines Prozesses, der sich historisch konkret in ihrem Alltag verortet. Das Beispiel Christi vor Augen, des „allerersten und größten Künders des Evangeliums“ (EN 9; EG 12), ist auch die Gemeinschaft der Gläubigen aufgefordert, hinauszugehen und die Jugendlichen an ihren eigenen Orten zu treffen, um ihre Herzen neu zu entzünden und mit ihnen zu gehen (vgl. Lk 24, 13-35).

 

176.         Die Versuchung, sich in einer elitären Gemeinschaft abzuschotten und sich dort als Richter aufzuspielen, war bereits im Kreis der Jünger Jesu groß. Daher lobt der Herr die Frau aus Kanaan, die zwar nicht zum auserwählten Volk gehört, deren Glauben aber trotzdem sehr groß ist (vgl. Mt 15, 22-28); heftigen Tadel hat er für die Jünger, die Feuer auf die Samariter regnen lassen wollen, weil diese Jesus die Aufnahme verweigerten (vgl. Lk 9, 51-55); er erklärt, dass die Zugehörigkeit zum auserwählten Volk und die Befolgung der Regeln nicht automatisch Zugang zum Heil garantieren  (vgl. Lk 18,10-14); er zeigt, dass die Entfernung vom Glauben auch eine Voraussetzung für eine erneuerte Gemeinschaft und das Leben im Hause des Vaters hingegen ein Hindernis für die Liebe sein kann (vgl. Lk 15, 11, 32). Während also Petrus den Herrn dreimal verleugnet und Judas Ihn verrät, ist der römische Hauptmann der erste, der Ihn als Sohn Gottes erkennt (vgl. Mk 15, 39). Die christliche Gemeinschaft ist aufgerufen, die Anmaßung abzulegen, mit eigenen Augen „sehen“ (vgl. Joh. 9, 41) und anhand anderer Kriterien als den von Gott vorgegebenen urteilen zu wollen.

 

177.         Wie die Vorsynode deutlich machte, müssen wir uns „im Vergleich zur Vergangenheit an eine Annäherung an den Glauben gewöhnen, die weniger standardisierte und mehr auf die persönlichen Kennzeichen des Einzelnen abgestimmte Mittel einsetzt“ (V.dok III, 4). Die christliche Gemeinschaft lebt demnach von verschiedenen Ebenen der Zugehörigkeit; sie erkennt die kleinen Schritte jedes Menschen mit Dankbarkeit an und sucht in jedem von ihnen das Samenkorn der Gnade, allen aber bietet sie Achtung, Freundschaft und Begleitung an, denn „ein kleiner Schritt inmitten großer menschlicher Begrenzungen kann Gott wohlgefälliger sein als das äußerlich korrekte Leben dessen, der seine Tage verbringt, ohne auf nennenswerte Schwierigkeiten zu stoßen“ (EG 44; AL 305). Es sind also die Jugendlichen selbst, die mit ihren oftmals zersplitterten Lebenserfahrungen und ihren von Zweifel gesäumten Glaubenswegen der Kirche helfen, in ihrer natürlichen Form, nämlich der des Polyeders, aufzutreten und zu handeln (vgl. EG 236).

 

Die Kirche: Eine familiäre Erfahrung

 

178.         Eine der fruchtbarsten Erkenntnisse aus der erneuerten Familienpastoral der letzten Jahre war die Wiederentdeckung der familiären Natur der Kirche. Der Satz, Kirche und Pfarreien bildeten „eine Familie von Familien“ (vgl. AL 87.202) weist eindeutig und mit Nachdruck auf die Gestalt der Kirche hin. Was er  meint, ist ein Beziehungsgeflecht, in dem die Kirche selbst das Grundmuster der Erfahrung von Kirche ist: Hierbei bezieht er sich auf Bildungsmodelle spiritueller Natur, die Gefühle mit einschließen, Bindungen schaffen und das Herz bekehren. Der genannte Satz impliziert auch ein Konzept der Erziehung, die uns in Anspruch nimmt, uns fordert bei der ebenso schwierigen wie faszinierenden Kunst der Begleitung der jungen Generationen und der Familien selbst; und schließlich  kennzeichnet er die Feierlichkeiten der heiligen Messe, denn in der Liturgie manifestiert sich der Stil einer Kirche, die von Gott berufen wurde, Seine Familie zu sein. Vielen BK liegt der Aufbau bedeutungsvoller Beziehungen in der Christengemeinde am Herzen, und sie bitten die Synode um konkrete Vorschläge diesbezüglich. Eine BK schreibt: „Viele Jugendliche möchten, dass die Kirche ihnen eine spirituelle Heimstatt im Lärm und Chaos ihres Lebens biete“. Heute ist es entscheidend, dass wir den jungen Menschen dabei helfen, ihr ständig von Unsicherheit, Zersplitterung und Zerbrechlichkeit bedrohtes Leben zu einer Einheit zusammenzuführen. Für viele Jugendliche aus sozial schwachen Familien ist es wichtig, die Kirche als eine echte Familie wahrzunehmen, fähig, sie als ihre eigenen Kinder zu „adoptieren“.

 

Die Pastoral der jungen Generationen

 

179.         Viele BK nehmen deutlich die enge Verbindung zwischen Evangelisierung und Erziehung wahr, die in vielen Ordensinstituten für Männer und Frauen gut entwickelt ist; diese Einrichtungen setzen seit Jahrhunderten auf diese Kombination und bieten der gesamten Kirche ihre reiche Erfahrung innerhalb der Jugendpastoral ebenso an wie die entsprechenden erzieherischen Maßnahmen, die sie mit großer Sorgfalt ins Werk setzen. Zahlreiche BK weisen in ihren Antworten darauf hin, dass in verschiedenen Christengemeinden und auch bei vielen Hirten wenig erzieherische Sensibilität zu finden ist. Eine schreibt, dass „die Jugendlichen den Bischöfen, Priestern und Ordensleuten oftmals nicht sehr am Herzen liegen“. Wenn sich hingegen eine Gemeinschaft von Gläubigen ihrer erzieherischen Aufgabe bewusst ist und sich ihrer mit Leidenschaft widmet, so können spirituelle und materielle Kräfte freigesetzt werden, in denen sich wahre „erzieherische Barmherzigkeit“ in unerwarteten Energien und Begeisterung für die jungen Generationen konkretisiert.

 

180.         Besondere Erwähnung verdienen die Jugendzentren der Pfarreien und ähnliche Einrichtungen, wo die Kirche eine Erfahrung anbietet, die, wie eine BK schreibt, in manchen Gegenden „die spezifische Pflege und den Beistand darstellt, die eine christliche Gemeinschaft den jungen Generationen entgegenbringt. Ihre Instrumente sind sehr unterschiedlich, bauen jedoch alle auf die Kreativität der Gemeinschaft, die weiß, wie sie sich in den Dienst der Erziehung stellen und die Realität in die richtige Perspektive rücken kann, und die sich dem Heiligen Geist anvertraut, wenn es um prophetisches Handeln geht“.  In diesen Einrichtungen sind die Jugendlichen nicht vergessen, sondern spielen eine zentrale und aktive Rolle innerhalb der christlichen Gemeinde. Mehrere BK erwarten von der Synode, dass sie Vorschläge zur Intensivierung solcher Erfahrungen unterbreitet.

 

Die Familie als bevorzugtes Subjekt der Erziehung

 

181.         Was die Verbindung zwischen Jugendpastoral und Familie anbelangt, so sollten wir bei der Synode Amoris Laetitia, Kapitel VII über die Kindererziehung nochmals vertiefen, ein Thema, das eine gründlichere Neubewertung unter pastoralem Gesichtspunkt verdient: „Die Familie ist die erste Schule der menschlichen Werte, wo man den rechten Gebrauch der Freiheit lernt“ (AL 274). Auf der Vorsynoden-Versammlung wiesen die Jugendlichen selbst mit großem Nachdruck darauf hin, dass die Familie unter all den Instanzen, die bei der Persönlichkeitsentwicklung eine Rolle spielen, den ersten Platz einnimmt (vgl. VS 1). Verschiedene BK haben gemerkt, dass Energien und Kräfte, die in die Bildung guter Familienstrukturen investiert werden, nicht notwendigerweise dann bei der Pflege der Jugendlichen fehlen werden.  Das bedeutet, dass das Engagement zugunsten der Jugendlichen unbedingt auch auf die Familienpastoral auszudehnen ist.

 

182.         Viele BK bitten die Synode um eine weitere Festigung des Stellenwerts der Familie als unentbehrliche aktive Handlungsträgerin der Pastoral  bei der Begleitung der Kinder zur Erkenntnis ihrer Berufung. Zahlreiche weitere BK bitten um Hilfe zur Gewährleistung einer qualifizierten Begleitung junger Menschen während der Verlobungszeit, sowie unmittelbar vor und nach der Hochzeit. Die uns seitens der BK zugegangenen Daten zeigen ein Panorama recht unterschiedlicher Situationen, was die Rolle der Familie im Vergleich zum Thema der Synode anbelangt. In den säkularisierten Ländern ist, wie eine BK schreibt, „der Großteil der  katholischen Familien nicht ‚aktiv‘ oder ‚bewusst‘ in den Prozess der Berufungserkenntnis ihrer Kinder involviert, und manche sind aktiv dagegen“. In anderen Regionen hingegen, wo die gemeinschaftliche Dimension des Glaubens lebendiger ist, kommt der Familie eine dynamische, konstruktive Rolle zu.

 

Dem Herrn zuhören und mit ihm sprechen

 

183.         Bei der Vorstellung ihrer best practices geben viele BK den Dialog mit Gott und das Hören auf Ihn an und nennen dabei Tage des spirituellen  Rückzugs, geistliche Übungen, Momente des Heraustretens aus der täglichen Routine, Pilgerreisen landesweit und in der Diözese, gemeinsame Erfahrungen im Gebet. Wallfahrtsstätten und Zentren für christliche Spiritualität und geistliche Exerzitien, wo die Bereitschaft zur Aufnahme und Begleitung junger Menschenspürbar ist, haben in verschiedenen Teilen der Welt großen Zulauf. Eine BK schreibt: „Wir wissen, dass der Erfolg nicht aus uns selbst kommt, sondern aus Gott, und deshalb versuchen wir, den Jugendlichen zu zeigen, dass das Gebet ein Hebel ist, der die Welt verändert“. In einer Zeit der Verwirrung wird vielen jungen Menschen bewusst, dass nur Gebet, Stille und Kontemplation den „transzendentalen Horizont“ eröffnen, in dem wahre Entscheidungen reifen können. Sie spüren, dass man nur im Angesicht Gottes wahrhaft Stellung beziehen kann: „In der Stille können wir die Stimme Gottes hören und erkennen, was Er für uns will“ (VS 15).

 

184.         Im Gebet, das zuweilen auch ein „spiritueller Kampf“ sein kann (vgl. GE 159-165), schärft sich unsere Empfänglichkeit für den Heiligen Geist; wir lernen, die Zeichen der Zeit zu deuten und schöpfen Kraft, so zu handeln, dass das Evangelium heute wieder Fleisch werden kann. In der Pflege des geistlichen Lebens genießen wir den Glauben als eine glückhafte persönliche Beziehung mit Jesus und als Geschenk, für das wir Ihm dankbar sein müssen. Nicht umsonst stößt ein Leben in Kontemplation bei den Jugendlichen auf Bewunderung und Wertschätzung. Es ist daher offensichtlich, dass in der spirituellen Dimension des Gemeindelebens große Möglichkeiten liegen, wie die Jugendlichen an den Glauben und die Kirche herangeführt und auf ihrem Weg zur Erkenntnis ihrer Berufung begleitet werden können.

 

Das Wort Gottes lesen

 

185.         Die wirksamsten Erfahrungen der Evangelisierungs- und Erziehungspastoral verorten viele BK in der Auseinandersetzung mit der Macht von Gottes Wort hinsichtlich der Berufungserkenntnis: Lectio divina, die „göttliche Lesung“ des Wortes, Bibelunterweisung, Vertiefung der Kenntnisse über das Leben junger Menschen in der Bibel, Nutzung der digitalen Hilfsmittel, die den Zugang zu Gottes Wort erleichtern: All das sind erfolgreiche Vorgehensweisen unter den Jugendlichen. Für viele BK steht die Erneuerung der Pastoral in engem Zusammenhang mit ihrer biblischen Qualifikation, und sie bitten die Synode um diesbezügliche Überlegungen und Vorschläge. In Gebieten, wo es noch weitere Kirchen oder Christengemeinden gibt, unterstreichen diverse BK den ökumenischen Wert der Bibel, dank dessen wichtige Konvergenzen sichtbar werden und gemeinsame seelsorgerische Projekte auf den Weg gebracht werden können.

 

186.         Als eines der Ergebnisse der Synode über das Wort Gottes bat schon Benedikt XVI. die ganze Kirche darum, „die ‚biblische Pastoral‘ nicht neben anderen Formen der Pastoral, sondern als Seele der ganzen Pastoral zu fördern“ (VD 73). Der Psalmist sagt: „Dein Wort ist eine Leuchte vor meinem Fuß / und ein Licht auf meinem Weg“ (PS 119, 105) und fragt sich dann: „Wie hält ein junger Mann sein Leben rein? / Indem er tut, was du ihm sagst!“ (Ps 119, 9).

 

Die Schönheit der Liturgie

 

187.         Eine BK weist darauf hin, dass die Jugendlichen „nicht in die Kirche kommen, um etwas zu finden, was sie anderswo nicht haben könnten, sondern sie suchen eine authentische, ja gar radikale religiöse Erfahrung“. Viele durch den Fragebogen eingegangene Antworten zeigen, dass die Jugendlichen für die Qualität der Liturgie empfänglich sind; die Vorsynode drückt es provozierend so aus: „Christen bekennen sich zu einem lebendigen Gott, besuchen teils aber Messen und Gemeinden, die tot zu sein scheinen“ (VS 7). Was Sprache und Qualität der Predigten anbelangt, so bemerkt eine BK: „Die Jugendlichen spüren, dass sie nicht in Einklang mit der Kirche stehen“ und setzt hinzu: „Es scheint, dass wir das Vokabular und damit auch die Bedürfnisse der Jugendlichen nicht verstehen“. Nützliche Anweisungen hierzu finden sich in EG 135-144.

 

188.         Angesichts des Wortes, dass „der Glaube eine sakramentale Struktur hat“ (LF 40), fordern einige BK, dass die genetische Bindung zwischen dem Glauben, den Sakramenten und der Liturgie bei der Entwicklung von Werkzeugen der Jugendpastoral stärker berücksichtigt werde, ausgehend von der zentralen Position der Eucharistie, „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (LG 11), sowie „Quelle und Höhepunkt der gesamten Evangelisierung“ (PO 5). Mehrere BK sagen, dass dort, wo die Liturgie und die ars celebrandi mit Sorgfalt gepflegt werden, auch immer zahlreiche Jugendliche anwesend sind und aktiv teilnehmen. Da in der Wahrnehmung der Jugendlichen weniger die Prinzipien als vielmehr die Erfahrungen, weniger die Worte als vielmehr die Beziehungen zählen, beobachten zahlreiche BK, dass die Eucharistiefeier und andere Momente der Feierlichkeit, die oft als Schlusspunkte angesehen werden, ganz im Gegenteil zu Gelegenheiten für eine erneuerte Verkündigung an die Jugendlichen werden können. Die BK mancher Länder bezeugen die Wirksamkeit der „Ministrantenpastoral“, um den Jugendlichen den Geist der Liturgie nahezubringen; in jedem Fall aber wird ein Nachdenken darüber  nützlich sein, wie wir allen jungen Menschen eine angemessene liturgische Ausbildung anbieten können.

 

189.         Aufmerksamkeit verdient auch das Thema der Volksfrömmigkeit, die den Jugendlichen  in verschiedenen Regionen einen privilegierten Zugang zum Glauben verschafft, da sie sowohl eng mit der Kultur und den Traditionen des Ortes verbunden ist, als auch die Sprache des Körpers und der Gefühle mit einbezieht, Elemente also, die oftmals in der Liturgie kaum einen Platz haben.

 

Den Glauben in der Katechese nähren

 

190.         Ausgehend vom Thema der Synode haben viele BK über die Formen der Katechese nachgedacht, die derzeit in der Gemeinschaft der Christen zum Tragen kommen. Unter jungen Leuten genießt die Bibelunterweisung nicht immer einen guten Ruf, denn sie erinnert viele an „eine Verpflichtung in der Kindheit, die wir nicht gewählt haben“ (Online-Fragebogen). Indem sie daran erinnern, dass die  Pastoral bei den Jugendlichen natürlicher- und notwendigerweise fortgesetzt werden muss, fordern mehrere BK, die derzeit praktizierten Formen des Katechismus zu überdenken und ggf. ihre Aussagekraft für die jungen Generationen zu überprüfen.

 

191.         Ein DV fordert, den Widerspruch zwischen erfahrungs- und inhaltsbasierter Katechese zu vermeiden und erinnert daran, dass die Glaubenserfahrung bereits eine kognitive Öffnung zur Wahrheit bedeutet, und dass der Weg zur Verinnerlichung der Glaubensinhalte zu einer lebendigen Begegnung mit Christus führt. Innerhalb dieses Kreislaufs kommt der Kirchengemeinde eine unverzichtbare Vermittlerrolle zu.

 

192.         Einige BK und auch die Jugendlichen selbst schlagen vor, bei der Katechese dem „Weg der Schönheit“ zu folgen und dafür das unermessliche künstlerische und architektonische Erbe der Kirche zu nutzen, authentischer Ausdruck des Kontakts mit Gottes Schöpfung und dem Zauber der Liturgie in all ihren Formen und Riten. Es gibt sehr wohl geglückte Erfahrungen der Jugendkatechese, im allgemeinen in Form eines Weges der lebendigen Begegnung mit Christus, der die dynamische Einheit zwischen der Wahrheit des Evangeliums und der eigenen Lebenserfahrung herstellt.  Auf diese Weise werden die Bedingungen geschaffen für die Entwicklung eines starken Glaubens, der sich im missionarischen Engagement konkretisiert.

 

193.         In manchen Gegenden ist die Katechese Teil des schulischen Lehrplans, und daher ist der Religionsunterricht von großer Bedeutung für das Reifen der Berufung bei den Jugendlichen. Die Synode ist also aufgefordert, über das Verhältnis zwischen Schule und Christengemeinde nachzudenken, die sich zu einer Allianz zugunsten der Erziehung zusammenschließen sollten.

 

Die Jugendlichen beim selbstlosen Dienst begleiten

 

194.         Zahlreiche Erfahrungen, die am Ende des dem Vorbereitungsdokument beiliegenden Fragebogens vorgestellt werden, beziehen sich auf die Begleitung der Jugendlichen mithilfe eines „gelebten Glaubens“, der sich im Dienst der Barmherzigkeit konkretisiert, und die entsprechenden Vorgehensweisen. Eine Kirche, die dient, ist eine reife Kirche, die junge Menschen anzieht, denn sie bezeugt ihre Berufung zur Nachfolge Christi, „der reich war und bettelarm für euch wurde“ (2 Kor 8, 9). In den Antworten zahlreicher BK ist die an diversen Stellen des Vorbereitungsdokuments angesprochene Verbindung zwischen der Erfahrung des selbstlosen Dienstes und der Erkenntnis der Berufung deutlich und gut erklärt. Die Jugendlichen selbst weisen darauf hin, dass „die Zeit, die wir im Zuge eines  Freiwilligendienstes in verschiedenen Jugendbewegungen und Wohltätigkeitsorganisationen verbringen, vermittelt uns die Erfahrung eines Auftrags und gibt uns einen Raum, wo Unterscheidung praktiziert werden kann“ (VS 15). Der Online-Fragebogen enthält zahlreiche Zeugnisse von Jugendlichen, die den Glauben dank der Erfahrungen im Freiwilligendienst und im Kontakt mit der „dienenden Kirche“  wiederentdeckt haben. Ihrerseits kann die Kirche die Dynamiken des Dienstes erneuern, indem sie sich mit den Jugendlichen auseinandersetzt, die auf einen Stil der Transparenz und der auch sozialen Uneigennützigkeit drängen. Zusammenfassend fordert ein DV zu einer erneuerten „Kultur der Selbstlosigkeit“ auf.

 

195.         Für viele junge Menschen ist die „internationale Freiwilligentätigkeit“ ein Mittel, solidarisches Verhalten mit Reisen und der Entdeckung anderer Kulturen und fremder Welten zu vereinen; außerdem ist sie ein Anlass zur Begegnung und Zusammenarbeit auch mit Jugendlichen, die der Kirche nicht nahe stehen und nicht gläubig sind. Die „missionarische Freiwilligentätigkeit“, die in vielen Ländern gepflegt und von zahlreichen Männer- und Frauenorden weltweit geführt wird, ist ein besonderes Geschenk, das die Kirche allen Jugendlichen anzubieten hat: Die Vorbereitung, die Begleitung und die Wiederentdeckung einer missionarischen Erfahrung im Licht der Berufung bilden einen besonders effizienten Rahmen, in dem die Jugendlichen ihre eigene Lebensaufgabe erkennen können.

 

Eine offene Gemeinschaft, die alle willkommen heißt

 

196.         An der vorsynodalen Versammlung nahmen nicht nur katholische Jugendliche teil, sondern auch junge Menschen anderer christlicher Konfessionen, anderer Religionen und sogar Nichtgläubige. Sie war ein Zeichen, das die Jugendlichen dankbar aufgegriffen haben, zeigte es doch eine gastfreundliche, inklusive Kirche, die in der Lage ist, den Reichtum und den Beitrag zu erkennen, den ein jeder zum Wohle aller leisten kann. Wir wissen, dass ein authentischer Glaube mit der Anmaßung anderen gegenüber unvereinbar ist und sind als Jünger des Herrn also aufgerufen, den Keim des Guten, der in jedem Menschen und in jeder Situation steckt, zur Blüte zu bringen. Die Demut im Glauben hilft der Gemeinschaft der Gläubigen, auch Anregungen von Menschen aus anderen Kulturen und Lebensstellungen entgegenzunehmen, denn dies bedeutet ein Geben und Nehmen zum gegenseitigen Vorteil.

 

197.         Anlässlich des ISJ beispielsweise haben manche Experten darauf hingewiesen, dass die Migration eine Gelegenheit zum interkulturellen Dialog und zur Erneuerung der von Rückentwicklung bedrohten christlichen Gemeinschaft werden kann. Mehrere junge LGBT wandten sich mit verschiedenen Beiträgen an das Synodensekretariat und erklärten, „eine größere Nähe“ zur Kirche zu wünschen und gerne mehr Aufmerksamkeit seitens der Kirche erfahren zu wollen. Gleichzeitig fragen sich diverse BK, was man jungen Leuten raten soll, die „keine heterosexuelle, sondern eine homosexuelle Paarbeziehung eingehen und dabei vor allem der Kirche nahe bleiben wollen“.

 Der ökumenische und interreligiöse Dialog, in manchen Ländern durchaus ein prioritäres Anliegen   der Jugendlichen, entsteht und entwickelt sich in einer Atmosphäre der gegenseitigen Wertschätzung und angesichts der ungezwungenen Öffnung einer Gemeinschaft, die sich „freundlich und mit dem gebotenen Respekt., mit reinem Gewissen” (1 Pt 3, 16) einbringt. Auch der Dialog mit Nichtgläubigen und der säkularen Welt allgemein ist in manchen Regionen entscheidend für die Jugendlichen, vor allem im akademischen und kulturellen Bereich, wo sie sich manchmal wegen ihres Glaubens diskriminiert fühlen: Initiativen wie die Cattedra dei non credenti und der Cortile dei Gentili stoßen bei den jungen Generationen auf großes Interesse, da sie ihnen helfen, ihren Glauben in die Welt, in der sie leben, zu integrieren und ihnen zeigen, wie man einen offenen Dialog, eine fruchtbare Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Positionen führt.

 

KAPITEL IV

BELEBUNG UND ORGANISATION DER PASTORAL

 

 

198.          Bei der Begleitung der Jugendlichen auf ihrem Weg zur Berufungserkenntnis brauchen wir einerseits kompetente Leute, andererseits aber auch adäquate Einrichtungen, die nicht nur effizient sind, sondern vor allem durch die Art, wie dort Beziehungen und Dynamiken der Brüderlichkeit entstehen und gehandhabt werden, attraktiv wirken. Mehrere BK halten eine „institutionelle Veränderung“ für notwendig. Trotz aller legitimen Unterschiede – die wir im übrigen respektieren und zu integrieren suchen – erkennen wir doch in der Gemeinschaft den Königsweg der Mission; ohne sie ist sowohl Erziehung als auch Evangelisierung unmöglich. Daher wird es immer wichtiger, dass wir uns als Kirche nicht nur fragen, was wir für und mit den Jugendlichen machen, sondern auch, wie wir es machen.

 

Die Jugendlichen sind die Hauptpersonen

 

199.        Ein Jugendlicher spricht für viele, wenn er im Online-Fragebogen antwortet: „Wir möchten mit einbezogen und geachtet werden, wir wollen uns mitverantwortlich fühlen für das, was gemacht wird“. Als Getaufte sind auch die jungen Menschen aufgerufen, „Jünger und Missionare“ zu sein, und in dieser Richtung werden auch bedeutende Schritte unternommen (vgl. EG 106).  Auf der Grundlage des Konziliardokuments Apostolicam Actuositatem stellte der heilige Johannes Paul II. fest: „Die Jugendlichen dürfen nicht lediglich als Gegenstand der pastoralen Sorge der Kirche verstanden werden. Sie sind in der Tat, und müssen darin ermutigt werden, aktive Subjekte, Protagonisten der Evangelisierung und Erbauer der sozialen Erneuerung“ (CL 46). Hierin liegt für viele BK der springende Punkt der Jugendpastoral: Mutig den Schritt zu tun von einer Seelsorge „für die Jugendlichen“ hin zu einer Seelsorge „mit den Jugendlichen“.

Benedikt XVI. hat die Jugendlichen oft aufgefordert, Protagonisten der Mission zu sein: „Ihr seid die ersten Missionare unter euren Altersgenossen!“ (Botschaft zum 28. Weltjugendtag, 18. Oktober 2012), denn die beste Art, einen Jugendlichen zu evangelisieren, ist, ihn durch einen anderen Jugendlichen anzusprechen (Online-Fragebogen). Es gilt nun, die Gebiete zu bestimmen, auf denen die Jugendlichen Protagonisten sein und sich beweisen können. In diesem Zusammenhang nennen die BK das fast unüberwindliche Problem des „Klerikalismus“; eine BK drückt es folgendermaßen aus: „Viele unserer Jugendlichen glauben, die Kirche bestehe nur aus den Amtspriestern und Ordenspersonen, die sie repräsentieren“. Diese Sichtweise zu korrigieren bleibt ein Ziel, das wir erreichen müssen; viele BK wünschen sich hierzu eine klare Stellungnahme seitens der Synode.

 

Die Kirche draußen im Land

 

200.        Das ganze Volk Gottes ist dem christlichen Auftrag verpflichtet (vgl. EG 120), und dies drückt sich in verschiedenen Aufgaben und auf verschiedenen Ebenen aus.

Der Nachfolger Petri lässt keinen Zweifel an seiner Zuneigung zu den Jugendlichen, die dies ihrerseits anerkennen und schätzen. Seine Position als sichtbarer, einender Mittelpunkt der Kirche und seine allgegenwärtige Medienpräsenz machen ihn zur unbestrittenen Führungsperson, die den Beitrag aller Charismata ermutigt und anerkennt, ebenso wie die Institutionen im Dienst der jungen Generationen.

Viele BK bieten eine qualifizierte Jugendpastoral an; das bevorzugte Subjekt bleibt jedoch die besondere Kirche, der der Bischof vorsteht und die er mit seinen Mitarbeitern belebt, indem er Synergien begünstigt und die guten Erfahrungen derjenigen zur Geltung bringt, die für das Wohlergehen junger Menschen arbeiten. Auch wenn viele BK darauf hinweisen, dass in diesem Bereich der Pastoral gute und qualifizierte Arbeit geleistet wird, so stehen wir doch in anderen Teilen der Welt viel Improvisation und wenig Organisation gegenüber.

Was das Territorium anbelangt, so ist die Pfarrei, die Kirche inmitten der Häuser, zumeist der Ort, an dem Pastoral stattfindet, und ihre Bedeutung ist auch in unserer Zeit eindeutig anerkannt (vgl. EG 28). Im Online-Fragebogen sagt ein Jugendlicher: „Dort, wo die Priester frei von finanziellen und organisatorischen Verpflichtungen sind, können sie sich auf die seelsorgerische und sakramentale Arbeit konzentrieren, die das Leben der Menschen berührt“. Während einige BK die Lebendigkeit der Pfarreien bestätigen, sind andere der Meinung, sie stellten keinen angemessenen Ort mehr für die Jugendlichen dar; diese wendeten sich vielmehr anderen Kirchenerfahrungen zu, die ihre Mobilität, ihre Orte und ihre spirituelle Suche besser abbildeten.

 

Der Beitrag des geweihten Lebens

 

201.       Viele BK bezeugen ihre aufrichtige Dankbarkeit den zahlreichen Ordenspersonen und ihrer qualifizierten Arbeit in ihrem Einzugsgebiet gegenüber; sie „erziehen beim Evangelisieren und evangelisieren beim Erziehen“, wobei Formen und Vorgehensweisen vielfältig sind.  Die Menschen des geweihten Lebens befinden sich heute in einer  besonderen Lage: Während in manchen Ländern, vor allem im Süden der Welt, eine Expansion und eine Vitalität zu verzeichnen sind, die Anlass zur Hoffnung geben, so stehen wir in den säkularisierten Ländern einer ständig schwindenden Anzahl von Ordenspersonen gegenüber, einhergehend mit einer Identitätskrise, die der Tatsache geschuldet ist, dass die Gesellschaft heute keinerlei Bedarf an Ordensbrüdern und -schwestern zu haben scheint. Einige BK bemerken, das geweihte Leben sei eine spezifische Ausdrucksform des „weiblichen Geistes“. Manchmal jedoch scheint die Kirche unfähig, diese einzigartige und gerade heute so notwendige Kreativität zu erkennen, zu fördern und ihr Raum zu geben; ebenso dringend muss sie eine Instrumentalisierung der verschiedenen Charismata vermeiden – und dies erfordert zwingend eine mutige „kulturelle Veränderung“ seitens der Kirche selbst.

 

202.       In der Überzeugung, dass die Jugendlichen die wahre Ressource für eine „Verjüngung“ der Kirche sind, fragt sich die Vereinigung der Generaloberen (USG): „Sind wir wirklich für die jungen Menschen empfänglich? Verstehen wir ihre Bedürfnisse und Erwartungen? Begreifen wir ihren dringenden Wunsch nach bedeutungsvollen Erfahrungen? Sind wir fähig, die Entfernung zu überwinden, die uns von ihrer Welt trennt?“ Dort, wo wir auf kreative und dynamische Weise den Jugendlichen zuhören, sie aufnehmen und Zeugnis ablegen, entstehen Einklang und Sympathie, die Früchte bringen. Die USG schlägt daher die Einrichtung eines „permanenten Observatoriums“ zum Thema Jugendliche auf universalkirchlicher Ebene vor.

 

Verbände und Bewegungen

 

203.        Viele Jugendliche erleben und entdecken den Glauben (wieder) durch die überzeugte, aktive Mitgliedschaft in Bewegungen und Verbänden, die ihnen ein Leben der intensiven Brüderlichkeit bieten, anspruchsvolle Wege der Spiritualität, Erfahrungen im Freiwilligendienst und angemessene Begleitung bei der Berufungserkenntnis durch kompetente Personen; ihre Anwesenheit wird im allgemeinen geschätzt. Dort, wo die Kirche selbst Mühe hat, sichtbare, bedeutungsvolle Präsenz zu zeigen, sind die Bewegungen vital und dynamisch und stellen nach wie vor einen wichtigen Bezugspunkt dar. Und auch unter anderen Aspekten sind sie eine Bereicherung: Der Gemeinschaftsgeist und das Gebet, die Wertschätzung von Gottes Wort und der Dienst an den Benachteiligten, die freudevolle Zugehörigkeit und die Neubewertung der körperlichen und emotiven Sphäre, aktive Einbeziehung und Ansporn zum Protagonismus sind einige der Elemente, die großen Erfolg bei den Jugendlichen haben. Mehrere BK erkennen zwar den Nutzen all dieser Vorgehensweisen, bitten aber doch darum, dass die Synode nach angemessener Reflexion konkrete Vorschläge zur Orientierung anbiete, um so die Gefahr der Selbstreferenzialität mancher Verbände und Bewegungen zu überwinden, denn es ist durchaus notwendig, „die Partizipation dieser Vereinigungen innerhalb der Gesamtpastoral der Kirche zu stärken“ (EG 105). In diesem Zusammenhang wäre es angebracht, den in IE 18 genannten Kriterien neues Gewicht zu verleihen.

 

 

Netzwerke und Kooperation auf ziviler, sozialer und religiöser Ebene

 

204.         Die Kirche ist aufgerufen, ihr Verhältnis zu all jenen, die im bürgerlichen und sozialen Bereich Verantwortung für die Erziehung junger Menschen tragen, entschieden enger zu gestalten. Der derzeit herrschende „erzieherische Notstand“ ist ein Problem sowohl der Kirche als auch der Zivilgesellschaft und verlangt ein gemeinsames Vorgehen in einer neu belebten Allianz der Erwachsenen. In dieser Hinsicht ist die Netzwerkarbeit im dritten Jahrtausend einer der wichtigsten Punkte, die es zu entwickeln gilt. In einer Welt, wo der Kirche zunehmend bewusst wird, dass sie nicht das einzige in der Gesellschaft agierende Subjekt ist, sondern eine „qualifizierte Minderheit“ darstellt, wird es notwendig, die Kunst der Kooperation und die Fähigkeit zum Aufbau von Beziehungen im Hinblick auf ein gemeinsames Projekt zu erlernen. Weit entfernt von der Vorstellung, einen Dialog mit anderen sozialen und zivilen Organen zu führen, sei gleichbedeutend mit dem Verlust der eigenen Identität, weisen mehrere BK darauf hin, dass die Fähigkeit, Ressourcen zu bündeln und gemeinsam mit anderen Wege der Erneuerung zu suchen, der gesamten Kirche zugute kommt und ihr hilft, wirklich dynamisch „aus sich herauszugehen“.

 

205.       Nicht nur auf ziviler und sozialer Ebene, sondern auch im ökumenischen und interreligiösen Bereich bezeugen manche BK, dass die Verfolgung gemeinsamer Ziele auf verschiedenen Gebieten –  etwa der Einsatz für die Menschenrechte, die Bewahrung der Schöpfung, der Widerstand gegen jede Art von Gewalt und gegen den Missbrauch Minderjähriger, die Achtung vor der Religionsfreiheit – den einzelnen Subjekten helfen, sich zu öffnen, sich kennen und achten zu lernen und schließlich zusammenzuarbeiten.

 

Planung der Pastoral

 

206.       Eine Klage, die viele BK vorbringen, betrifft Desorganisation, Improvisation und Eintönigkeit. Auf der Vorsynoden-Versammlung wurde gesagt, es sei „manchmal schwierig, die Logik des ‚Es war schon immer so‘ zu überwinden“  (VS 1). Hier und da wird auf die mangelnde Vorbereitung einiger Hirten verwiesen, die sich nicht in der Lage fühlen, sich mit den komplizierten Herausforderungen unserer Zeit auseinanderzusetzen und daher Gefahr laufen, sich auf längst überwundene kirchliche, liturgische und kulturelle Positionen zurückzuziehen. Eine BK bemerkt: „Oft sehen wir, dass die rechte Mentalität fehlt, um tatsächlich Wege und Abläufe zu planen“, während andere dazu auffordern, sich zu fragen, wie die Diözesen bei diesen Problemen begleitet werden können, angesichts der Tatsache, dass wir heute, wie eine BK schreibt, „für die Jugendpastoral mehr Koordination, Dialog, planerische Fähigkeiten und auch mehr Wissen brauchen“. Andere BK weisen auf eine Art Gegensatz hin, der zwischen aktiver Planung und spiritueller Erkenntnis herrsche. Tatsächlich aber sollte ein gutes seelsorgerisches Projekt das wohl überlegte Ergebnis eines wahres Weges der Erkenntnis im Geiste sein, der alle zur Vertiefung einlädt. Jedes Mitglied der Gemeinschaft ist zum Wachstum aufgefordert, was die Fähigkeit zum Zuhören ebenso anbelangt wie die Beachtung der Gesamtdisziplin, die dem Beitrag jedes Einzelnen Geltung verschafft, und die Kunst, gemeinsame Anstrengungen bei der pastoralen Planung zu unternehmen, die für  die Mitglieder der Gemeinschaft zu einem Prozess der Veränderung werden soll.

 

Das Verhältnis zwischen den Großveranstaltungen und dem Alltagsleben

 

207.       Viele BK haben ihre Überlegungen eingereicht zum Verhältnis zwischen bestimmten „Großereignissen“ der Jugendpastoral – hier ist in erster Linie der Weltjugendtag zu nennen, aber auch die Jugendbegegnungen auf internationaler, nationaler und Diözesanebene – und dem alltäglichen Glaubensleben junger Menschen und der christlichen Gemeinden überhaupt. Dabei erfährt der Weltjugendtag große Wertschätzung, da er, wie eine BK unterstreicht, „hervorragende Gelegenheiten für Wallfahrten, kulturellen Austausch und den Aufbau von Freundschaften auf lokaler wie internationaler Ebene bietet“.  Manche BK fordern jedoch auch eine Überprüfung und eine Neulancierung des WJT; manche halten ihn für zu elitär, andere wiederum möchten, dass er offener werde und mehr Interaktion und Dialog beinhalte.

 

208.       Während der Vorsynode fragten sich die Jugendlichen, wie man „die Lücke zwischen kirchlichen Großveranstaltungen und der Pfarrei schließen [kann]“ (VS 14). Die großen Events spielen zwar eine wichtige Rolle für viele Jugendliche, oftmals aber haben sie Mühe, diesen Enthusiasmus dann auch in das tägliche Leben einzubringen, sodass die Teilnahme an den großen Veranstaltungen zu einem Augenblick der Zerstreuung und der Flucht aus dem Alltag des Glaubenslebens gerät. In diesem Zusammenhang schreibt eine BK: „Statt einzigartiger Events können die internationalen Veranstaltungen Teil der normalen Jugendpastoral werden, wenn das Verhältnis zwischen diesen Events deutlicher wird und die Thematiken dahinter sich in Reflexion und tägliche Praxis verwandeln, sowohl im persönlichen als auch im Leben der Gemeinschaft“. Einige BK warnen vor der Illusion, dass ein paar außergewöhnliche Events die Jugendlichen auf den Weg des Glaubens und des christlichen Lebens bringen könnten: In diesem Sinne ist es eine entschiedene Notwendigkeit, den positiven Kreisläufen, den Wegen der Erziehung und denen des Glaubens mehr Beachtung zu schenken. Denn, wie es eine BK ausdrückt: „Der beste Weg, das Evangelium in unserer Zeit zu verkünden, ist, es mit Einfachheit und Weisheit im Alltag zu leben“.

 

Hin zu einer integrierten Pastoral

 

209.       Im Sinne vieler anderer schreibt eine BK bezüglich des Verhältnisses zwischen Jugend- und Berufungspastoral: „Auch wenn es hierzu wichtige Erfahrungen gibt, so besteht doch eine dringende Notwendigkeit, die Jugend- und die Berufungspastoral strukturell zu gliedern. Außerdem geboten ist eine Zusammenarbeit mit der Familien-, Erziehungs-, Kultur- und Sozialpastoral, damit der persönliche Lebensplan eines jeden Getauften adäquat aufgebaut werden kann“. Überall tritt eine ehrliche Suche nach mehr Koordination zutage, nach mehr Synergie und Integration zwischen den verschiedenen Bereichen der Seelsorge, deren gemeinsames Ziel es ist, allen Jugendlichen dabei zu helfen, „ in die ganze Fülle hinein[zu]wachsen, die Christus in sich trägt“ (Eph 4, 13). Angesichts einer Vervielfältigung von „Ämtern“, die Zersplitterung bei der Planung und Ausführung ebenso mit sich bringt wie Kompetenzgerangel und Schwierigkeiten bei der Handhabung der verschiedenen Beziehungsebenen, scheint der Gedanke einer „integrierten Pastoral“, bei der die Empfänger im Mittelpunkt stehen, für manche BK die Marschrichtung vorzugeben, die es zu konsolidieren gilt.

 

210.       Der Schlüssel zu dieser integrierten Einheit liegt für viele im Berufungshorizont des Lebens, denn „die Dimension der Berufung innerhalb der Jugendpastoral darf nicht nur am Ende des Prozesses oder nur einer Gruppe von Menschen vorgeschlagen werden, die besonders empfänglich für eine spezifische Berufung sind, sondern sie muss während des gesamten Prozesses der Evangelisierung und Erziehung Heranwachsender und junger Menschen zum Glauben  immer wieder von neuem angesprochen werden“ (Papst Franziskus, Botschaft an die Teilnehmer am Internationalen Kongress zum Thema: „Berufungspastoral und geweihtes Leben. Horizonte und Hoffnungen“, 25. November 2017).

 

Seminare und Ausbildungsstätten

 

211.       Die jungen Anwärter auf das geweihte Leben und das Amtspriestertum leben unter denselben Bedingungen wie alle anderen Jugendlichen: Sie teilen mit ihren Altersgenossen dieselben Ressourcen und Verletzlichkeiten, je nach dem Kontinent und dem Land, in dem sie leben. Daher müssen die für sie bestimmten Anweisungen den unterschiedlichen lokalen Bedingungen angepasst sein. Ganz allgemein erkennen mehrere BK zwei große Probleme, was die Erkenntnis der Berufung anbelangt, nämlich den Narzissmus, der den Menschen im Innern seines eigenen Bedürfnishorizonts abschottet, und die Tendenz, Berufung ausschließlich als Selbstverwirklichung zu sehen. Beide haben eine gemeinsame Wurzel in der fast schon pathologischen Konzentration auf das eigene Ich. Zwei Gefahren, denen auch die Wege der Ausbildung ausgesetzt sind, betreffen den auf das autonome Subjekt fixierten Individualismus, der Anerkennung und Dankbarkeit Gott gegenüber ebenso ausschließt wie die Kooperation mit Seinem Handeln, und den Kult der Innerlichkeit, der den Menschen in der virtuellen Welt einer falschen  Innerlichkeit einschließt, wo das Bedürfnis nach Interaktion mit den anderen und der Gemeinschaft keinen Platz mehr hat (vgl. PD und GE 35-62). Wir müssen Ausbildungsprozesse konzipieren, die in der Lage sind, die Großmütigkeit der jungen Auszubildenden anzusprechen und in ihnen das tiefe Bewusstsein dafür zu wecken,  dass sie im Dienste des Volkes Gottes stehen. Außerdem müssen wir qualifizierte Ausbilderteams bereitstellen, die mit den konkreten Bedürfnissen der Jugendlichen von heute zurecht kommen und ihren Wunsch nach Spiritualität und Radikalität verstehen. Die Organisation von Zeitplänen, Räumlichkeiten und Aktivitäten in den Ausbildungsstätten müssten eine authentische Erfahrung des brüderlichen Lebens in der Gemeinschaft ermöglichen.

 

ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN

 

Die universelle Berufung zur Heiligkeit

 

212.         Das Element zur Synthese und Einigung des christlichen Lebens ist die Heiligkeit: „Der Herr Jesus, göttlicher Lehrer und Urbild jeder Vollkommenheit, hat die Heiligkeit des Lebens, deren Urheber und Vollender er selbst ist, allen und jedem einzelnen seiner Jünger in jedweden Lebensverhältnissen gepredigt” (LG 40). Unter qualitativem und globalem Gesichtspunkt schließt die Heiligkeit jede andere Dimension der gläubigen Existenz und der kirchlichen Vereinigung mit ein, die je nach den Gaben und Möglichkeiten jedes Einzelnen zur Fülle gebracht werden. Aus diesem Grunde bezeichnete der heilige Johannes Paul II. sie zu Beginn des dritten Jahrtausends als den „’hohen Maßstab‘ des gewöhnlichen christlichen Lebens” (NMI 31). Die Wiederaufnahme des Themas in GE ist eine vertiefende Überlegung über die Heiligkeit in der heutigen Welt und ruft allen den Willen Christi in Erinnerung: „Er will, dass wir heilig sind, und erwartet mehr von uns, als dass wir uns mit einer mittelmäßigen, verwässerten, flüchtigen Existenz zufriedengeben“ (GE 1). Alles spielt sich natürlich in der Praxis des Alltagslebens ab: „Die Kraft des Zeugnisses der Heiligen liegt darin, die Seligpreisungen und den Maßstab des Jüngsten Gerichts zu leben. Es sind wenige, einfache Worte, aber praktisch und für alle gültig; das Christentum ist nämlich vor allem dafür gemacht, gelebt zu werden“ (GE 109).

 

Die Jugend, eine Zeit für die Heiligkeit

 

213.         In der Überzeugung, dass „die Heiligkeit das schönste Gesicht der Kirche ist“ (GE 9), sind wir, bevor wir sie den Jugendlichen empfehlen, aufgerufen, sie als Zeugen vorzuleben und damit eine „sympathische“ Gemeinschaft zu werden, wie sie verschiedene Episoden der Apostelgeschichte illustrieren (vgl. GE 93). Nur aufgrund einer solchen konsequenten Haltung können wir die Jugendlichen auf den Wegen der Heiligkeit begleiten. Wenn der heilige Ambrosius sagt: „Jedes Alter ist reif für die Heiligkeit“ (De Virginitate, 40), so gilt das sicherlich auch für die Jugend! In der Heiligkeit vieler junger Menschen erkennt die Kirche die Gnade Gottes, der die Geschichte jedes einzelnen von ihnen prägt und begleitet; den erzieherischen Wert der Sakramente der Eucharistie und der Versöhnung, die Fruchtbarkeit der gemeinsam beschrittenen Wege des Glaubens und der Barmherzigkeit, und die prophetische Wirkung dieser „Champions“, die oft mit ihrem Blut besiegelt haben, Jünger Christi und Missionare des Evangeliums zu sein. Wenn es stimmt, was die Jugendlichen auf der Vorsynode behauptet haben, dass nämlich ein authentisches Zeugnis die deutlichste Sprache spricht, dann ist das Leben der jungen Heiligen das wahre Wort der Kirche, und die Aufforderung, ein heiliges Leben zu führen, ist von allen Appellen an die Jugendlichen von heute der unentbehrlichste. Ein wahrer spiritueller Dynamismus und eine fruchtbare Pädagogik der Heiligkeit werden die tiefinneren Bestrebungen der jungen Menschen nicht enttäuschen: Ihr Bedürfnis nach Leben, Liebe, Expansion und Freude, nach Freiheit und Zukunft, aber auch nach Barmherzigkeit und Versöhnung. Für viele BK bleibt es eine große Herausforderung, die Heiligkeit als sinnstiftenden Horizont zu empfehlen, der allen Jugendlichen zugänglich ist und inmitten des Alltagslebenes realisiert werden kann.

 

 

Die jungen Heiligen und die Jugend der Heiligen

 

214.         Heute fordert Jesus jeden seiner Jünger zur vollkommenen Hingabe seines Lebens auf, ohne Berechnung und ohne menschlichen Vorteil. Die Heiligen nehmen diese anspruchsvolle Aufforderung an und begeben sich mit demütiger Duldsamkeit auf den Weg der Nachfolge des gekreuzigten und auferstandenen Christus. Am Himmel der Heiligkeit betrachtet die Kirche eine zunehmende Anzahl Kinder und Heranwachsender, einen leuchtenden Zug junger Heiliger und Seliger, der von der Zeit der ersten Christengemeinden bis zu uns reicht. Die Kirche ruft sie als Schutzheilige an und zeigt sie den Jugendlichen als Bezugspersonen für deren eigenes Leben. Diverse BK fordern, der jugendlichen Heiligkeit durch Erziehung mehr Gewicht zu verschaffen, und die Jugendlichen selbst erkennen, dass sie „für ein ‚Narrativ des Lebens‘ empfänglicher [sind] als für einen abstrakten theologischen Diskurs“ (VS II, Einführung). Angesichts der Behauptung seitens der Jugendlichen, dass „das Leben der Heiligen auch heute noch für uns relevant ist“ (VS 15), ist es umso wichtiger, ihnen die Heiligen je nach Alter und Befindlichkeit der jungen Zuhörer vorzustellen und zugänglich zu machen.

Ein besonderer Platz gebührt der Mutter des Herrn, die als erste Jüngerin ihres geliebten Sohnes lebte und ein Muster an Heiligkeit für jeden Gläubigen darstellt. Mit ihrer Fähigkeit, das Wort Gottes in ihrem Herzen zu bewahren und darüber nachzudenken (vgl. Lk 2, 19, 51), ist Maria für die ganze Kirche Mutter und Lehrmeisterin der Erkenntnis.

Wir möchten auch daran erinnern, dass wir den Jugendlichen  nicht nur die „jungen Heiligen“, sondern auch die „Jugend der Heiligen“ vorstellen sollten. Tatsächlich haben alle Heiligen die Jugendzeit durchlaufen, und es wäre sicher hilfreich, den jungen Menschen von heute zu zeigen, wie die Heiligen ihre eigene Jugend erlebt haben. So könnten viele Situationen von Jugendlichen angesprochen werden, die weder leicht noch einfach sind, wo jedoch Gott anwesend ist und geheimnisvoll handelt. Zu zeigen, dass Seine Gnade sich auf verschlungenen Wegen manifestiert, beim geduldigen Aufbau einer Heiligkeit, die im Laufe der Zeit auf unvorhergesehene Weise zur Reifung gelangt, kann allen Jugendlichen ohne Ausnahme Hoffnung auf eine Heiligkeit zu machen, die jederzeit möglich ist.

 

 

GEBET DES HEILIGEN VATERS FRANZISKUS FÜR DIE JUGENDLICHEN IM HINBLICK AUF DIE BISCHOFSSYNODE 2018

 

Herr Jesus,

auf dem Weg zur Synode richtet Deine Kirche

ihren Blick auf alle Jugendlichen dieser Welt.

Wir bitten Dich, dass sie ihr Leben mutig in die Hand nehmen mögen,

dass sie nach den schönsten und tiefsten Dingen streben

und dass sie stets ein freies Herz bewahren mögen.

In Begleitung weiser und großmütiger Leiter,

hilf ihnen, dem Ruf zu folgen, den Du an jede und jeden von ihnen richtest,

damit sie ihr Lebensprojekt verwirklichen und Glück erlangen können.

Halte ihre Herzen offen  für die großen Träume und lass sie aufmerksam sein für das Wohl ihrer Brüder und Schwestern.

Wie der geliebte Jünger, so mögen auch sie unter dem Kreuz stehen,

um Deine Mutter zu empfangen und sie als Geschenk von Dir zu erhalten.

Mögen sie Zeugen Deiner Auferstehung sein und Dich lebendig neben ihnen erkennen,

mögen sie freudig verkünden,

dass Du ihr Herr bist.